VW, Bosch, Conti und Daimler lassen ihre Mitarbeiter weniger arbeiten. Zulieferer HWU muss schließen.

Hamburg. Die Krise der deutschen Autoindustrie hat den Norden fest im Griff. Kurzarbeit, Zwangsurlaube für Mitarbeiter und sogar Firmenpleiten sind die Folgen der Kaufzurückhaltung der Autofahrer. Einer der größten Arbeitgeber im Kreis Steinburg (Schleswig-Holstein) muss jetzt schließen, weil die Aufträge weggebrochen sind. Knapp 100 Mitarbeiter sind von der Pleite des Autozulieferers Hohenlockstedter Walz- und Umformtechnik (HWU) betroffen. Seit Freitagmorgen halten die Beschäftigten den Betrieb besetzt und fordern eine Transfergesellschaft.

Kurzarbeit im Norden droht oder ist beschlossen bei Daimler, Kolbenschmidt und Conti in Hamburg, bei Bosch in Salzgitter und Johnson Controls in Lüneburg - aber auch bei den norddeutschen Stahlwerken, die Metalle für die Fahrzeugfertigung herstellen.

Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. "Schlimmstenfalls wird die Branche im kommenden Jahr in Deutschland um die 50 000 Stellen abbauen", sagte der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer dem Abendblatt. Zulieferer seien sogar stärker gefährdet als die Autohersteller selbst. "Die meisten mittelständisch geprägten Zulieferer haben nicht die nötige Eigenkapitaldecke, um eine solche Krise aussitzen zu können", so Dudenhöffer, der an die Politik appelliert, einen Bürgschaftsfonds für die Zulieferer einzurichten. Der Fonds solle fünf Milliarden Euro enthalten. "Staatshilfen sind in diesem Fall angebracht, da es sich bei den Firmen nicht um Ertrags-, sondern um Liquiditätsprobleme handelt". Dudenhöffer warnte zudem vor dem Risiko, dass wertvolles Volksvermögen zerstört werden könnte. "Denn die Konkursmasse von Zulieferbetrieben in Deutschland dürfte nach China verscherbelt werden. Einmal geschlossene Betriebe werden hier nie wieder aufgebaut".

Die Lage der großen Autobauer und Zulieferer im Norden:

Continental: Der milliardenschwere, fast 150 000 Mitarbeiter starke Konzern kann derzeit nur noch eines: Abwarten und reagieren. Denn wenn die Bänder bei den Großkunden, den Autoherstellern mangels Nachfrage stillstehen, kann auch Conti keine Zulieferteile produzieren. In Hamburg bei der Tochter ContiTech (ehemals Phoenix) spüren das die Mitarbeiter bereits. In der Mischerei gibt es für 60 Beschäftigte Kurzarbeit. "Wir beobachten derzeit täglich die Auftragslage in unseren 50 deutschen Produktionsstandorten", sagt Conti-Sprecherin Antje Lewe. "Wenn Aufträge wegfallen, wollen wir schnell reagieren." Nicht nur bei ContiTech in Hamburg, sondern auch im Conti-Werk in Hannover wurde Kurzarbeit beantragt.

Daimler: Im Daimler-Werk in Harburg ist Kurzarbeit sehr wahrscheinlich, aber noch nicht beschlossen. Die Weihnachtsferien sind um einige Tage verlängert.

VW: In den Werken Wolfsburg, Emden, Braunschweig und Salzgitter werden die Ferien über Weihnachten um fünf Tage verlängert.

Stankiewicz: Das Unternehmen aus Celle leidet nicht nur unter der Auftragsflaute, sondern auch unter der Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe. Deswegen ging das Unternehmen im November fast in die Insolvenz. Doch in letzter Minute nahmen die Banken Gespräche mit Stankiewicz auf, die sich wohl noch bis ins nächste Jahr hinziehen werden. Dennoch hat das Unternehmen jetzt für seine bundesweit 1300 Mitarbeiter Kurzarbeit eingeführt, davon 350 in Hamburg.

HWU: Der insolvente Autozulieferer Hohenlockstedter Walz- und Umformtechnik (HWU) macht wegen der Autokrise dicht. Der Betriebsrat informierte gestern die Belegschaft vom endgültigen Aus für den Traditionsbetrieb aus dem Kreis Steinburg. Noch ist unklar, was mit den 93 Beschäftigten geschieht, die den Betrieb besetzten und die Gründung einer Transfergesellschaft forderten. HWU stellt Bauteile für Katalysatoren, Lenkräder und Türschlösser her. Ende Oktober hatte der Betrieb Insolvenz angemeldet und dies mit einem Auftragseinbruch um 30 Prozent als Folge der Krise auf dem Automarkt begründet.

Bosch: In den Fabriken in Hildesheim, Göttingen und Salzgitter gibt es einzelne Schließtage. Salzgitter geht sogar bis Juni in Kurzarbeit.

Karmann: Der Osnabrücker Zulieferer, der unter anderem den Mercedes CLK herstellt, produziert zum Teil nur noch drei Tage die Woche. "Seit Mitte November bis Januar haben wir Kurzarbeit - und wir rechnen mit einer Verlängerung", so Betriebsratschef Wolfram Smolinski.

Honeywell: Bei Honeywell in Glinde müssen mehr als die Hälfte der 1000 Mitarbeiter, die Bremsbeläge herstellen, zwischen Januar und März mit Kurzarbeit rechnen. An ein Auftragsplus durch die Insolvenz des Konkurrenten TMD Friction glaubt der Betrieb nicht - dort werde weiter produziert. Die Übernahme von Aufträgen sei auch wegen der spezifischen Produkte schwierig.

Johnson Controls: Bei dem Betrieb in Lüneburg ist Kurzarbeit für 550 von 900 Mitarbeiter ab nächster Woche geplant. Betroffen sind Beschäftigte, die Türen für Opel bauen.