Verbandschef Wissmann fordert bis zu 40 Milliarden Euro zinsgünstige Kredite von der EU. Längere Werksferien bei Opel.

Hamburg. Im Zentrum der deutschen Automobilindustrie bereitet man sich auf harte Zeiten vor. Der Daimler-Konzern will die bereits angekündigte Kurzarbeit nun auch auf sein Stammwerk in Stuttgart-Untertürkheim ausweiten. Das gab das Unternehmen gestern bekannt. Vom 12. Januar bis Ende März soll die Arbeit dort auf vier und zeitweise drei Tage in der Woche reduziert werden. Außerdem sind verlängerte Ferien an Karneval geplant. "Nachdem die Freischichtkonten weitgehend aufgebraucht sind, sind weitere Programmreduzierungen ab Januar 2009 nur mit Kurzarbeit zu bewältigen", sagte Helmut Lense, der Betriebsratsvorsitzende des Werkes. Betroffen sind 10 000 der 18 000 Mitarbeiter in dem Werk.

Kurzarbeit vom 12. Januar bis Ende März plant Daimler auch in seinem Werk Sindelfingen, im Werk Rastatt bis Ende Februar. Bis zum 12. Januar dauern die verlängerten Werksferien, die in Sindelfingen bereits heute beginnen.

Der weltweite massive Druck auf die Automobilwirtschaft heizt nun auch in Europa die Debatte um staatliche Hilfen für die Hersteller und die Zulieferer an. Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, forderte von der EU ein Programm von 20 bis 40 Milliarden Euro an zinsgünstigen Krediten für die europäischen Hersteller. In der "Berliner Zeitung" drang Wissmann zugleich darauf, dass die deutschen Hersteller, die Fabriken in den USA betreiben, dort ebenfalls an den geplanten Stützungsprogrammen für die Automobilindustrie teilhaben sollten. "Wichtig ist für uns, dass alle, die in Amerika produzieren - also nicht nur amerikanische Unternehmen - im Rahmen des Programms gleich behandelt werden", sagte er. Die Demokraten und Republikaner im US-Kongress ringen seit Wochen um ein Hilfsprogramm in Höhe mehrerer Milliarden Dollar, um den drohenden Kollaps der Konzerne GM und Chrysler wie auch einen möglichen Zusammenbruch von Ford zu verhindern. Bislang gibt es aber keine Einigung (siehe unten).

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos reagierte gestern zurückhaltend auf den Vorstoß von Wissmann nach EU-Hilfen. "Die Autobauer bekommen ja Kredite von der europäischen Investitionsbank, auch zur Entwicklung energiesparender Modelle", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Die geplanten Hilfen in den USA beurteilte er ebenfalls skeptisch: "Das kann keine dauerhafte Lösung sein."

Die schwedische Regierung kündigte hingegen gestern ein Hilfsprogramm mit Kreditbürgschaften und Notfalldarlehen von umgerechnet 2,4 Milliarden Euro an. Die schwedischen Hersteller Saab und Volvo gehören zu den US-Konzernen GM und Ford. Beide Marken leiden unter dem starken Absatzrückgang am Automobilmarkt und zudem an der unsicheren Zukunft ihrer Konzernmütter.

Auf staatliche Bürgschaften hofft auch die deutsche GM-Tochter Opel. Noch vor Weihnachten will die Bundesregierung darüber entscheiden. Opel kündigte gestern an, die Werksferien in Eisenach um eine Woche zu verlängern. Sie sollen nun vom 15. Dezember bis zum 12. Januar dauern.

Massiv leiden an der Krise derzeit vor allem die Automobilzulieferer in Deutschland. Gestern meldete ein weiteres Unternehmen, Wagon Automotive in Unterfranken mit rund 650 Mitarbeitern, Insolvenz an. Durch die kritische Situation könnte auch die geplante Übernahme des Automobilzulieferers Continental durch den Konkurrenten Schaeffler noch einmal neu diskutiert werden. Es sei denkbar, dass beide Unternehmen ihre Autoteile-Sparten fusionieren, sagte eine Schaeffler-Sprecherin gestern. Das könnte den Wert von Continental erhöhen und die Suche nach Investoren für die Aktien des Unternehmens erleichtern. Schaeffler muss laut einer Investorenvereinbarung 40 Prozent der Continental-Aktien weiterreichen. Angesichts des niedrigen Aktienkurses von Continental steht das schwäbische Familienunternehmen bei der zehn Milliarden Euro schweren Übernahme des Konkurrenten nun erheblich unter Druck.

Der Branchenverband VDA erwägt unterdessen, einen Hilfsfonds für die Not leidenden Zulieferer einzurichten, häufig kleine und mittelständische Unternehmen, die durch die Krise in Existenznot geraten. "Das wäre ein mögliches Modell", sagte ein VDA-Sprecher. Kartellrechtliche Belange müssten aber ebenso geklärt werden wie die Frage, welcher Hersteller wie viel in den Fonds einzahlen soll.