Verband erwartet nur 2,9 Millionen Neuzulassungen. Die Zahl der Händler dürfte stark zurückgehen. Kleine Fahrzeuge als Chance.

Hamburg. Die Krise der deutschen Autoindustrie wird sich nach Einschätzung des Branchenverbandes VDA 2009 noch verschärfen. Nach dem Absatzeinbruch in diesem Jahr rechnet der Verband der Automobilindustrie (VDA) damit, dass 2009 auf dem deutschen Markt nur noch 2,9 Millionen Neuwagen verkauft werden. Das wäre das schlechteste Ergebnis seit der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990. Zuvor hatte am Wochenende bereits der Verband der Autohändler eine ähnlich düstere Prognose herausgegeben.

Seit September kappten die Hersteller bereits 1850 Arbeitsplätze und schickten knapp 10 000 Zeitarbeiter nach Hause. Die Branche, an der (Zulieferer und Dienstleister wie Werbeagenturen und Unternehmensberater mitgerechnet) in Deutschland jeder zehnte Arbeitsplatz hängt, ruft nun immer lauter nach Hilfe.

Welche Maßnahmen helfen der Industrie, die die Hälfte vom Handelsüberschuss des Exportweltmeisters Deutschland liefert, wirklich? Welche Akteure, die Autohäuser, die Hersteller und die Politik, müssen sie ergreifen?

Eine Abendblatt-Analyse:

Was die Hersteller tun können Kooperationen : Die Autobauer stehen mit der Maßgabe der Politik, die C02-Emissionen zu verringern, vor Investitionen in Elektro- und Hybridautos oder sparsamen Dieselfahrzeugen. Um die Abgasnormen zu erfüllen, müssen die Konzerne laut dem Beratungsunternehmen Roland Berger jedes Jahr bis zu drei Milliarden Euro mehr ausgeben. Gerade die deutschen Hersteller großer Modelle wie BMW und Mercedes müssen in der Entwicklung enger kooperieren, um gegen Angreifer wie Toyota gewappnet zu sein.

Billige und kleine Autos: Neuwagen sind in den vergangenen Jahren immer teurer geworden. Laut VDA kostet ein neues Fahrzeug heute im Schnitt 24 600 Euro. Die Käufer reagieren: "Die Privatkunden haben sich aus dem hubraumstarken Segment weitgehend verabschiedet", sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann. In den ersten zehn Monaten stieg der Absatz von Kleinstwagen um fast ein Viertel. Ganz vorn liegen der Smart und der VW Polo.

Auch der Erfolg des 10 000Euro-Autos Dacia von Renault zeigt: Günstige Autos sind nicht nur in Schwellenländern beliebt, sondern auch in Deutschland.

All inclusive: Pauschalangebote für Anschaffung, Inspektion und Versicherung kommen bei den Kunden in der Krise gut an: Sie machen die Investition besser planbar.

Wie die Politik helfen kann Kaufanreiz : "Einen Kaufanreiz für die Konsumenten kann man nur mit einer deutlichen Reduzierung des Anschaffungspreises um mindestens zehn Prozent erreichen", sagte Albrecht Denninghoff von der BHF Bank dem Abendblatt. Damit teilte er zugleich der möglichen Verringerung der Mehrwert- oder der Einkommensteuer eine Absage. Dies war ebenfalls als Hilfsprogramm für die Autobranche diskutiert worden. Auch im Sinne der Umwelt wäre eine Verschrottungsprämie für jeden, der sein mehr als zehn Jahre altes Fahrzeug durch ein neues ersetzt, zielführender, sagte Denninghoff. In Italien habe eine solche Prämie vor einigen Jahren bereits zu einem deutlichen Verkaufsplus geführt.

Andere mögliche Hilfen: Barschecks oder Krediterleichterungen für die Autokäufer. Als Teil des Konjunkturpakets hat die Bundesregierung auch vorgeschlagen, umweltfreundliche Neuwagen für bis zu zwei Jahren von der Kfz-Steuer zu befreien. Doch auch daran gibt es Kritik: "Wegen 300 Euro Ersparnis kauft sich niemand ein neues Auto", sagt der Sprecher des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Helmut Blümer.

Hilfe zur Finanzierung : Mittlerweile wird jedes dritte Auto finanziert, etwa durch Autobanken oder Leasinggesellschaften. Staatliche Hilfen für diese Firmen, die sich jetzt schwieriger refinanzieren können, sind nötig. "Sonst müssen die Hersteller wegen höherer Zinsen auf die Marge verzichten oder auf ein Drittel ihres Umsatzes", so Denninghoff. Direkte staatliche Hilfen kritisieren viele Experten wegen der möglichen Wettbewerbsverzerrung.

Was auf die Händler zukommt Konzentration: Schon seit langem seien die Händlernetze in Deutschland überbesetzt, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen. Durch die Krise müsse nun "mit einem Ausscheiden von bis zu 25 Prozent der Betriebe" gerechnet werden. Für Hamburg sieht Niklas Burmester vom Verband des Kfz-Gewerbes allerdings nicht so drastische Auswirkungen, da hier die Handelslandschaft bereits stark konzentriert sei.

Realistische Restwerte: Bei der Kalkulation von Leasingverträgen haben Handel und Hersteller häufig einen unrealistischen Restwert für die Autos unterstellt. Der Wert der Fahrzeuge, die Leasingkunden nach drei oder vier Jahren zurückgeben, ist heute niedriger als bei Abschluss des Vertrages erhofft. Die Gebrauchtwagenpreise fallen in der Krise aber weiter. Daher liegt hier ein Risiko, Leasinggeschäfte mit Verlusten abzuschließen.

Kostenbremse: Bei einem weiteren Rückgang des Fahrzeugabsatzes und der Werkstattbesuche sinken die Erlöse, während die Fixkosten weiterlaufen: Die Händler werden noch mehr sparen müssen. Autoexperte Dudenhöffer erwartet zudem höhere Rabatte von gut 19 Prozent. Auch dies drückt auf die Marge.