Im Sog des taumelnden US-Riesen steht nun auch die Existenz von dessen deutschem Tochterunternehmen auf dem Spiel. Dort hatte man die letzte Krise gerade erst überwunden.

Hamburg. Der Automobilhersteller Opel braucht eine staatliche Bürgerschaft, um den schlimmsten Fall zu verhindern: den Konkurs. Mit Sicherheiten von bis zu einer Milliarde Euro könnten der Bund und das Land Hessen dem Rüsselsheimer Traditionsunternehmen beispringen, sagte Hessens Ministerpräsident Roland Koch am Freitag. Es geht um insgesamt rund 26 000 Arbeitsplätze in den verschiedenen Werken von Opel in Deutschland.

Die Finanzmarktkrise und die Rezession treffen die deutsche Automobilindustrie mit voller Wucht, und Opel trifft es noch härter als die Konkurrenz: Der amerikanische Mutterkonzern General Motors (GM), jahrzehntelang der größte Automobilhersteller der Welt, steht vor dem Kollaps. Angesichts dessen könnte das Geld auch in Rüsselsheim ganz schnell knapp werden.

Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg sieht Opel ohne Staatsbürgschaft vor dem Aus. "Ohne die Bürgschaft geht Opel in Konkurs", sagte Dudenhöffer dem Abendblatt. Die Banken würden Opel angesichts der dramatischen Lage bei GM kein Geld mehr für nötige Investitionen geben. Opel-Chef Hans Demant mühte sich am Freitag hingegen, die Situation zu beruhigen: "Wir sind noch zahlungsfähig und bleiben zahlungsfähig", sagte er. Die Bürgschaften würden nur für den "theoretischen" Fall benötigt, dass wegen der Krise GM "die Finanzströme aus den USA nicht mehr weiterlaufen. Es geht nur um Eventualitäten", sagte Demant.

Branchenexperten halten es für unwahrscheinlich, dass die US-Regierung GM untergehen lässt, weltweit nach Toyota heute der zweitgrößte Hersteller. Die GM-Führung drängelt in Washington auf staatliche Hilfen von 25 Milliarden Dollar für das eigene Unternehmen und die Konkurrenten Ford und Chrysler zur Entwicklung energiesparender Automodelle. In jedem Fall aber steckt der Automobilriese in Detroit in einer existenziellen Krise: Im zweiten Quartal war ein Rekordverlust von 15,5 Milliarden Dollar angefallen, im dritten Quartal von 2,5 Milliarden Dollar. Gefährlich ist die Lage, weil spritfressende Pistenbullen amerikanischer Bauart in Zeiten hoher Energiepreise selbst bei US-Kunden kaum mehr gefragt sind; nach jahrelangen brutalen Rabattschlachten am amerikanischen Markt ist GM wirtschaftlich ausgezehrt, den heimischen Konkurrenten Chrysler und Ford geht es nicht besser. Der Mühlstein allerdings, der GM unter Wasser zu ziehen droht, sind die Pensionsverpflichtungen für mehrere Hunderttausend ehemalige Automobilarbeiter. Sie sind über Pensionsfonds organisiert, die nach dem Zusammenbruch des Finanzmarktes erheblich an Wert verloren haben.

Auf die Konzernmutter in den USA kann Opel also nicht mehr zählen. Noch in der letzten Krise am Automobilmarkt zur Mitte des Jahrzehnts hatte die GM-Führung in Europa hart durchgegriffen. Bei Opel wurden seit 2005 rund 10 000 Arbeitsplätze gestrichen, auch bei der defizitären schwedischen GM-Tochter Saab wurde rationalisiert.

Automobilexperte Dudenhöffer führte die aktuellen Schwierigkeiten bei Opel auch auf hausgemachte Managementfehler in Deutschland zurück. Zwar habe Europachef Carl-Peter Forster die Qualität der Autos in den vergangenen Jahren verbessert, es aber versäumt, schnell genug neue Modelle auf den Markt zu bringen. "In den vergangenen Monaten hat Opel die Hälfte der Autos nur noch über Tageszulassungen verkaufen können", sagte Dudenhöffer. Von Ende der 90er-Jahre bis 2005 habe General Motors die europäische Tochter mit immer neuen Geldspritzen über Wasser halten müssen, erst seit 2006 habe Opel wieder Gewinne geschrieben. Auch das allerdings ist nach der offiziellen Rechnung von GM für das dritte Quartal dieses Jahres mittlerweile wieder vorbei.

Die Opel-Mitarbeiter hatten gehofft, nach Jahren der Krise und der Rationalisierung wieder in die Offensive gehen zu können. Zwar standen im Oktober die Bänder in zwei Werken zeitweise still. Das aber ließ sich noch nicht als spezielles Problem von Opel deuten, denn selbst die deutschen Premiumhersteller Mercedes und BMW müssen ihre Produktion mittlerweile drosseln. Der neue "Insignia", den Opel zum Jahresende auf den Markt bringen will, und eine Reihe anderer Modelle sollen neuen Schwung ins Geschäft bringen, vor allem im Wettbewerb mit dem großen Konkurrenten Volkswagen. Neun Milliarden Dollar will GM bis 2012 in seine wichtigste europäische Marke investieren - das jedenfalls waren die letzten Pläne aus Detroit.

Zwischen Opel und GM wird der Tonfall in den vergangenen Wochen deutlich aggressiver. Die deutschen Betriebsräte sprechen Kritik aus, die das Management womöglich teilt, aber nicht mitteilen darf. "GM schiebt massiv Verluste aus den USA nach Europa ab, um die Bilanz aufzupolieren", schimpfte kürzlich Klaus Franz, Chef des Opel-Betriebsrats. Wenn es schlecht ausgeht, spürt das demnächst auch der Steuerzahler in Deutschland.