Abendblatt:

Herr Rehn, ausgerechnet in Hamburgs Ökohochburg Ottensen will Alnatura im Herbst einen neuen Biosupermarkt eröffnen. Führt das nicht zu einem Verdrängungswettbewerb?

Götz Rehn:

Wir sind in der Branche nicht für ein aggressives Wachstum bekannt und wollen auch niemanden verdrängen. Im Augenblick besitzen wir 40 Filialen in ganz Deutschland und eröffnen im Schnitt acht neue Geschäfte im Jahr. In Ottensen geht es uns einfach darum, den Kunden in diesem Stadtteil eine möglichst hohe Bioqualität zu einem attraktiven Preis anzubieten.



Abendblatt:

Die Befürchtungen alteingesessener Naturkostgeschäfte sind aber groß. Immerhin taucht der deutsche Marktführer mit einer 700 Quadratmeter großen Filiale in der unmittelbaren Nachbarschaft auf.

Rehn:

Es gibt schon gewisse Sorgen im Viertel. Aus diesem Grund bin ich vor einigen Wochen auch selbst nach Ottensen gekommen und habe das Gespräch mit dem Chef eines der größeren Biogeschäfte gesucht. Ich denke, dass ich eine Reihe von Bedenken zerstreuen konnte. Wir wollen gegen niemanden kämpfen. Bio ist doch eher eine Friedensbewegung.



Abendblatt:

Ist das nicht längst vorbei? Der Handel mit Biolebensmitteln ist doch spätestens seit dem Einstieg der Discounter ein Geschäft wie jedes andere.

Rehn:

Es mag Wettbewerber geben, die das so sehen. Ich selbst betrachte die Biobewegung aber als einen Kulturimpuls, der zu einer anderen Art des Wirtschaftens führt.



Abendblatt:

In den vergangenen Jahren sind die Umsätze der Biobranche stetig im zweistelligen Prozentbereich gewachsen. Wird dies auch noch in Zukunft so weitergehen?

Rehn:

Zuwachsraten zwischen 15 und 18 Prozent, wie sie in den vergangenen Jahren üblich waren, wird es wohl nicht mehr geben. Ich rechne aber immer noch mit einem durchschnittlichen Wachstum von neun Prozent in den kommenden sieben Jahren.



Abendblatt:

Und was erwarten Sie für Alnatura?

Rehn:

In den vergangenen Jahren hat sich unser Umsatz immer doppelt so stark erhöht wie in der gesamten Branche. Ob wir dieses Tempo in diesem Jahr halten können, kann ich jetzt aber noch nicht einschätzen. Auf jeden Fall werden wir im zweistelligen Prozentbereich wachsen.



Abendblatt:

Gibt es dafür denn genügend Lebensmittel in Ökoqualität? Der Branchenverband BÖLW klagte Anfang des Jahres über Rohstoffknappheit.

Rehn:

Die Situation hat sich weitgehend entspannt. In Einzelfällen wie etwa bei Dinkel gibt es derzeit noch Engpässe. Doch in anderen Bereichen wie etwa bei der Biomilch haben wir jetzt sogar ein Überangebot.



Abendblatt:

Womit lässt sich das erklären?

Rehn:

Das hängt mit den gestiegenen Preisen nach den Protesten der Milchbauern zusammen. Die Verbraucher haben hier sensibel reagiert und kaufen weniger.



Abendblatt:

Müssen sich die Kunden generell auf höhere Preise für Bioprodukte einstellen?

Rehn:

Nicht bei Alnatura. Wir planen im August ganz im Gegenteil eine Preissenkungsaktion.



Abendblatt:

Bei welchen Produkten und in welcher Größenordnung?

Rehn:

Das kann ich Ihnen nicht verraten, weil unsere Wettbewerber dies auch gern wüssten.



Abendblatt:

Viele Kunden legen bei Bioprodukten besonderen Wert auf die Herkunft aus der Region. Gleichzeitig wächst aber die Importquote, weil die Nachfrage sonst nicht gedeckt werden kann. Wie lösen Sie dieses Problem bei Alnatura?

Rehn:

Wir bemühen uns, die Transportwege so kurz wie möglich zu halten und legen das auch unseren Lieferanten nahe. Eine Keksfabrik, mit der wir zusammenarbeiten, ermutigen wir zum Beispiel, ihre Zutaten möglichst von Bauern aus der Region zu beziehen. Zusammen mit dem Anbauverband Bioland versuchen wir auch, noch mehr Bauern zum Umstieg auf die Biolandwirtschaft zu bewegen.



Abendblatt:

Wie hoch ist ihre Importquote?

Rehn:

Etwa 30 Prozent aller Lebensmittel, die wir verkaufen, stammen aus dem Ausland. Die meiste Importware kommt aus Europa und nur ein verschwindend geringer Teil aus Übersee. Darin sehe ich aber kein Problem. Ananas oder Bananen lassen sich nun einmal nicht in Deutschland anbauen.



Interview: Bob Geisler