Nach dem Rücktritt von Bahnchef Hartmut Mehdorn bricht nun ein neuer Streit über die künftige Ausrichtung des Schienen- und Logistikkonzerns los. Bilder vom Bahnchef Hartmut Mehdorn.

Hamburg. Nach dem Rücktritt von Bahnchef Hartmut Mehdorn bricht nun ein neuer Streit über die künftige Ausrichtung des Schienen- und Logistikkonzerns los. Dabei geht es im Kern um die Frage, ob - und wenn ja, wie - die Bahn in den kommenden Jahren zumindest teilweise privatisiert werden soll. Diese strategische Entscheidung beeinflusst auch die Auswahl eines Nachfolgers für Mehdorn. Laut Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee wird die Suche einige Zeit dauern, da "eine Reihe von Gesprächen" zu führen seien.

Als Mehdorns mögliche Nachfolger wurden bereits eine Reihe von Personen genannt, darunter Airbus-Chef Thomas Enders und der ehemalige Chef des Energiekonzerns EnBW, Utz Claassen. Im Gespräch ist auch der Chef der Schweizer Bundesbahnen, Andreas Meyer. Die Personalfrage sowie die künftige Ausrichtung der Bahn sollten gestern am späten Abend in einer kleinen Kabinettsrunde bei Bundeskanzlerin Angela Merkel erörtert werden.

"Wichtiger als die Vorstandspersonalie ist eine Rückbesinnung auf Ziele und Strategie der Bahnreform. Dazu gehört fairer Wettbewerb auf der Schiene im Interesse der Kunden", sagte Horst Friedrich, Verkehrsexperte der FDP-Fraktion im Bundestag, dem Abendblatt.

Mehdorn war wegen immer neuer, schwerwiegender Details zur massenhaften Bespitzelung von Bahnmitarbeitern auf Druck der Bundesregierung am Montag zurückgetreten. Zuvor hatte er jedoch ein angesichts der Wirtschaftskrise sehr gutes Jahresergebnis für 2008 vorgelegt. Seine Leistungen bei der Sanierung und Neuausrichtung des größten Bundesunternehmens in den vergangenen mehr als neun Jahren wurden nach seinem Rücktritt zumeist gewürdigt. Jahrelang hatte Mehdorn auf einen Teilbörsengang des Konzerns hingearbeitet, der noch immer zu 100 Prozent dem Bund gehört.

Das Schienennetz der Bahn sollte dem damaligen Konzept zufolge beim Bund bleiben. Die Krise des Finanzmarktes machte die Börsenpläne im vergangenen Herbst jedoch für die absehbare Zukunft zunichte. "Die SPD zielt darauf, dass wir in der nächsten Legislaturperiode die Teilprivatisierung nicht weiterverfolgen", sagte Verkehrsminister Tiefensee gestern dem ARD-Morgenmagazin. Sollten aber Union und FDP nach der Bundestagswahl eine Mehrheit für die Bildung einer neuen Regierung erhalten, dürfte das Thema schnell wieder auf den Tisch kommen, vor allem vonseiten der FDP.

Die Bahn-Gewerkschaften fordern eine Fortsetzung der bisherigen Strategie: "Die Bahn muss als integrierter Konzern erhalten bleiben, und sie muss mit ausreichend Kapital ausgestattet werden ", sagte Uwe Reitz, Sprecher der Gewerkschaft GDBA, dem Abendblatt. "Eine teilweise Privatisierung wäre dabei eine Möglichkeit, sie ist aber aus unserer Sicht nicht das primäre Ziel. Wenn die Bahn auch in Zukunft auf einen Börsengang verzichten könnte, wäre uns das durchaus recht." Ebenso argumentiert die Gewerkschaft Transnet: "Wir halten eine Teilprivatisierung nicht für nötig, wenn der Bund bereit ist, der Bahn genügend Kapital zur Verfügung zu stellen", sagte Transnet-Sprecher Michael Klein dem Abendblatt.

Der Fahrgastverband Pro Bahn hingegen vertritt in diesen zentralen Punkten genau die gegenteilige Position: "Eine Privatisierung ist nicht per se von Übel, wenn sie richtig umgesetzt wird", sagte Hartmut Buyken von Pro Bahn dem Abendblatt. "Entscheidend ist für uns dabei, dass das Schienennetz im Eigentum des Bundes bleibt, damit der Bund und die Länder auf diesem Weg den Wettbewerb im Schienenverkehr mit der Stärkung anderer Anbieter fördern können."