Hartmut Mehdorn kapituliert unter dem unerträglich gewordenen Druck. Bei der Bilanzpressekonfernz in Berlin erklärt der umstrittene Bahnchef, er habe dem Aufsichtsrat seinen Rücktritt angeboten - und gehe davon aus, dass er angenommen wird.

Berlin. Er hat es spannend gemacht. Bereits seit Wochen forderten Politiker und Bürger den Rücktritt von Bahnchef Hartmut Mehdorn, am Montagmorgen war von einem baldigen Abtritt die Rede. Davon unbeirrt zog Mehdorn fast 1,5 Stunden lang seine Bilanzpressekonferenz durch - ohne Fragen von Journalisten zu seiner Zukunft im Konzern zu beantworten.

Irgendwann waren aber alle Zahlen präsentiert und Mehdorn musste die drängenden Fragen beantworten. Er habe dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Konzerns die Auflösung seines Vertrages angeboten, teilte der 66-Jährige schließlich mit.

Damit zog er die Konsequenzen aus der öffentlichen Empörung über die Datenaffäre im Staatsunternehmen. Auch wenn er sich nichts vorzuwerfen habe, schadeten die "zerstörerischen Debatten" dem Unternehmen, dem Standort Deutschland und dem ganzen Land, sagte er.

Mehdorn stand seit Freitag massiv unter Druck. An diesem Tag hatten die Bahn-Sonderermittler Gerhart Baum und Herta Däubler-Gmelin sowie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ihre Ergebnisse zur Datenaffäre vorgelegt. Danach soll die Bahn jahrelang die E-Mails von 70.000 bis 80.000 Mitarbeitern systematisch gefiltert haben - täglich bis zu 145.000.

Am Wochenende musste der Konzern dann noch einräumen, dass er im Herbst 2007 E-Mails mit einem Streikaufruf der Lokführergewerkschaft GDL gestoppt hatte. Danach rückte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel von Mehdorn ab. Die Bahngewerkschaften, die SPD und die Opposition hatten schon zuvor seine Ablösung verlangt.

Der Bahnchef sprach von einer Kampagne zur Änderung der Unternehmensführung und der Bahn-Politik. Kein Mitarbeiter und kein Organ habe sich im Sinne des Strafrechts falsch verhalten. Wenn überhaupt, habe es Ordnungswidrigkeiten im Einzelfall gegeben. "Das nunmehr unterstellte unbefugte Ausspähen von E-Mails hat es bei der DG AG nicht gegeben", betonte Mehdorn. Das E-Mail-System sei wegen Massenzusendung aus technischen Gründen zusammengebrochen. Zudem sei die Nutzung des Bahn-Systems durch die Lokführergewerkschaft GDL für Arbeitskampfmaßnahmen nicht zulässig gewesen.

"Faire Erörterung ist nicht mehr möglich"

Leider habe sich die aktuelle Diskussion aber von den Fakten abgekoppelt, erklärte Mehdorn. Die öffentliche Empörung sei immer wieder groß, obwohl die Ermittler nichts strafrechtlich Relevantes gefunden hätten. Eine faire Erörterung der komplexen Fragen sei nicht mehr möglich.

Er habe als Bahn-Vorsitzender die Gesamtverantwortung, erklärte Mehdorn: "Dieser Verantwortung will ich mich nicht entziehen." Es sei bedrückend, dass sich Eigentümer, Mitarbeiter und Management jetzt nicht auf die Arbeit konzentrieren könnten, meinte er. "Wir erleben die schlimmste Rezession in der Nachkriegsgeschichte." Ein Führungswechsel sei nicht nicht ohne zusätzliche Risiken, warnte der Bahnchef. Das müssten aber andere verantworten.