Doch der Bahnchef will im Amt bleiben. Konzern soll E-Mails der Mitarbeiter an Journalisten und Kritiker überprüft haben. Bilder vom Bahnchef Mehdorn.

Berlin. Bahnchef Hartmut Mehdorn hat in der Datenaffäre das Vertrauen der Gewerkschaften verloren. Transnet, GDBA und die Lokführergewerkschaft GDL forderten ihn am Freitag erstmals zum Rücktritt auf, ebenso wie die Oppositionsparteien des Bundestages. Zuvor war bekannt geworden, dass der Konzern auch die E-Mails von Mitarbeitern kontrolliert hatte. Nach einer Aufsichtsratssitzung lehnte es Mehdorn am Abend in Berlin ab, seinen Posten vorzeitig aufzugeben.

E-Mails seien nicht flächendeckend überwacht und auch nicht auf ihren Inhalt kontrolliert worden, sagte der Bahnchef. Er bleibe dabei: "Durch die DB AG wurde niemand bespitzelt - weder Journalisten noch Aufsichtsräte noch Politiker oder Gewerkschafter, auch keine Mitarbeiter." Weiterhin seien keine strafrechtlich relevanten Verstöße festgestellt worden.

Unterdessen wurde bekannt, dass die Bahn während der Streiks im Jahr 2007 E-Mails der Lokführergewerkschaft GDL gelöscht hat. Einen entsprechenden Bericht des "Spiegel" bestätigte mittlerweile ein Konzernsprecher. "Die Benutzung des Hauspostsystems durch die GDL für Streikaufrufe war rechtswidrig", sagte der Bahn-Sprecher dazu weiter. Durch eine Massenmail der GDL habe es Probleme beim hausinternen Mailserver gegeben. Daraufhin sei entschieden worden, die E-Mails zu löschen. Der Bahn-Sprecher machte auch auf Nachfrage keine Angaben dazu, wer diese Entscheidung getroffen hat.

Wie der Bahn-Sprecher weiter betonte, waren nicht E-Mail-Kontrollen, sondern die technischen Probleme der Anlass für das Löschen. Wegen der massenhaft verschickten E-Mails der GDL sei der Server zusammengebrochen. Daraufhin hätten Techniker nach der Ursache gesucht und herausgefunden, dass vermutlich das gleichzeitige Versenden der GDL-Massenmail und einer offiziellen Bahn-Massenmail den Zusammenbruch verursacht habe. Daraufhin sei entschieden worden, nach dem Neustart des Servers die bis dahin noch nicht weitergeleiteten E-Mails aus der GDL-Massensendung nicht weiter zu verschicken.

Die Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG sowie die ehemaligen Bundesminister Gerhart Baum (FDP) und Herta Däubler-Gmelin (SPD), die mit der Untersuchung beauftragt sind, haben in der Zwischenzeit zahlreiche Akten ausgewertet und bereits 60 Mitarbeiter des Staatsunternehmens als Zeugen vernommen. Bei diesen Recherchen sei die Suche bei Bahn-Mitarbeitern nach Journalistenkontakten bekannt geworden.

Mehdorn sagte, KPMG habe "jetzt Sachverhalte ermittelt, die ausdrücklich dem Ziel dienen, Geheimnisverrat über E-Mails zu verhindern und aufzudecken. Diese Maßnahmen sind nach einer ersten Bewertung rechtlich zulässig." In einer gültigen Betriebsvereinbarung sei die Protokollierung von Adress- und Betreffzeilen ausdrücklich vorgesehen. "Eine Kontrolle der Inhalte von E-Mails hat nicht stattgefunden", fügte der Vorstandschef hinzu. Der Vorstand habe auch "zu keinem Zeitpunkt eine Auswertung von E-Mail-Daten angeordnet".

Offen ist jetzt, wie sich die Bundesregierung positioniert. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagte nach den neuen Vorwürfen über Mehdorns Chancen, im Amt zu bleiben: "Wenn die sich bestätigen, wird es ganz, ganz schwer." Sein Staatssekretär Achim Großmann (SPD) sagte nach der Aufsichtsratssitzung, in der die vom Kontrollgremium beauftragten Gutachter einen Zwischenbericht abgaben: "Wenn es so passiert ist, ist es dramatisch." Es gebe belastende Hinweise, aber noch keinen endgültigen Bericht. Dieser soll nach Worten von Sonderermittler Baum bis Mitte Mai fertig sein. Am kommenden Mittwoch tagt der Verkehrsausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung, in die auch der Bahnchef zu einer zweiten Befragung geladen ist. Bereits am Montag legt die Bahn ihre Bilanz 2008 vor.

Transnet-Chef Alexander Kirchner forderte Mehdorn auf, die politische Verantwortung für die Datenaffäre, die einen neuen Höhepunkt erreicht hat, zu übernehmen, auch wenn die rechtliche Bewertung noch nicht abgeschlossen sei. "Es ist der Punkt erreicht, personelle Konsequenzen zu fordern." Von den Sonderermittlern in der Affäre seien bisher etwa die Hälfte der Unterlagen untersucht und der vorgesehenen Interviews geführt worden. Entscheidend für die Gewerkschaften sei, dass über die Korruptionsbekämpfung hinaus der E-Mail-Verkehr von zahlreichen Beschäftigten überwacht worden sein soll. Kirchner sprach von etwa 70 000 bis 80 000 Mitarbeitern, die das bahninterne E-Mail-Netzwerk nutzen. Überprüft wurde, ob die Mails an Bahnkritiker auch aus dem Bundestag oder an bestimmte Redaktionen gegangen sei. Ziel war diesen Darstellungen zufolge, Konzernkritiker kaltzustellen. Zündstoff für die Gegner des Bahnchefs.

Für die Gewerkschaft der Lokführer ist eindeutig, dass auch ihre Betriebsräte überwacht wurden. Bei ihrem Streik vor einem Jahr sei die Bahn auffallend gut über ihre Taktik informiert gewesen.

Für die Opposition im Bundestag ist Mehdorns Zeit an der Bahnspitze abgelaufen. "Das bringt das Fass zum Überlaufen", sagte der FDP-Experte Horst Friedrich über die E-Mail-Abgleiche. Der Verkehrspolitiker der Grünen, Winfried Hermann, forderte von der Bundesregierung, endlich Konsequenzen zu ziehen. Mehdorn selbst sieht dafür bisher keinen Anlass.