Der finnische Handykonzern Nokia streicht weltweit 10.000 Jobs und will mit einem radikalen Schnitt wieder an Apple und Samsung ran.

Espoo/Ulm. Um die Zukunft des Konzerns zu sichern, sieht sich Nokia gezwungen bis Ende 2013 weltweit 10.000 Arbeitsplätze abzubauen . Die Finnen streichen damit rund jede fünfte Stelle in ihrer Handy-Sparte. Dem radikalen Sparschnitt fällt auch der Standort für Forschung und Entwicklung in Ulm zum Opfer. Bis Ende September 2012 soll der deutsche Standort schließen – 730 Nokia-Mitarbeiter davon betroffen. Die Mitarbeiter seien darüber am Donnerstag informiert worden.

Damit baut Nokia knapp die Hälfte seiner 500 Arbeitsplätze in Deutschland ab. Wie der Stellenabbau in Ulm umgesetzt werden soll, blieb zunächst offen. „Da kann ich noch nichts zu sagen“, sagte der Sprecher auf die Frage, ob es Abfindungen, betriebsbedingte Kündigungen oder einen Mix aus beidem geben solle. Zunächst seien Gespräche mit dem Betriebsrat geplant.

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Neben dem Vertrieb in Ratingen bliebe damit als nennenswerter Standort nur noch Berlin. „Deutschland bleibt für Nokia aber ein sehr wichtiger Standort für unsere Entwicklungsaktivitäten“, sagte ein Nokia-Sprecher. Das Unternehmen hat unter anderem in Berlin ein Zentrum für ortsbasierte Dienste.

Solche Dienste sollen neben digitaler Fotografie und mobiler Navigation ein zukünftiger Schwerpunkt von Nokia werden. Der Plan ist, den Fokus auf die neuen Smartphones der Marke Lumia und verwandte Angebote zu schärfen. Dafür gibt es die Kürzungen bei anderen Geschäftsbereichen. Nokia steckt in roten Zahlen fest und muss dringend die Kosten senken. Allein im ersten Quartal gab es einen gewaltigen Verlust von 929 Millionen Euro.

rocketJetzt sollen die jährlichen Einsparungen bei den operativen Ausgaben von einer auf drei Milliarden Euro hochgeschraubt werden. Zunächst wird der Stellenabbau aber rund eine Milliarde Euro kosten. Ein Zäsur ist die Schließung des traditionsreichen Werks Salo im Heimatland Finnland.

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Nokia hatte nach jüngsten Zahlen weltweit knapp 125.000 Mitarbeiter im Konzern. Ohne den ebenfalls mit heftigen Problemen kämpfenden Netzwerk-Ausrüster NSN waren es 53.500 Arbeitnehmer.

Mit der neuen Strategie geht auch ein breit angelegter Umbau des Führungsteams einher. Es gehen Marketingchefin Jerri DeVard, Handy-Chefin Mary McDowell und Niklas Savander als Zuständiger für Märkte. Sie werden durch Nachfolger aus den eigenen Reihen ersetzt. So wird Chris Weber, der die Lumia-Markteinführung im Problemmarkt USA über die Bühne brachte, neuer Marketingchef.

Nokia war lange Marktführer im Geschäft mit einfachen Handys und auch Computer-Telefonen, wurde aber von Apple mit seinem iPhone und vor allem Samsung überholt . Die Südkoreaner profitieren von ihrer breiten Modell-Palette und stießen Nokia zuletzt nach 14 Jahren vom Thron des weltgrößten Handy-Herstellers. Auch Nokias Lumia-Smartphones mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone erwischten im vergangenen Herbst einen mäßigen Start. Laut Marktforschern hängt Windows Phone im Smartphone-Geschäft immer noch bei einem Anteil von rund zwei Prozent fest.

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Zugleich senkte der Konzern den Ausblick für das zweite Quartal. Die Marge werde entgegen den Erwartungen noch tiefer im ersten Quartal in den roten Bereich absinken, hieß es. Das deutet auf einen weiteren hohen Verlust hin.

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Den Edel-Handy-Hersteller Vertu – der extrem teuer verarbeitete, aber technisch nicht mehr so attraktive Mobiltelefone produziert - wurde nach langen Bemühungen an den europäischen Finanzinvestor EQT VI verkauft. Einen Preis nannte Nokia nicht. (dpa/Reuters/abendblatt.de)