Nokia hat die Smartphone-Revolution verschlafen, so der scheidende Verwaltungsratschef Ollila. Jetzt will der Ex-Handypionier aufholen.

London/Helsinki. Der schwer angeschlagene Handypionier Nokia will mit eigenen Tablet-Computern gegen die Rivalen Apple und Samsung antreten. Nokia werde eine eigene Angebotspalette an Tablets und weiterentwickelten Smartphones auf den Markt bringen, sagte der scheidende Verwaltungsratschef Jorma Ollila der „Financial Times“ vom Donnerstag. „Tablets sind eine große Sache, und deswegen schauen wir uns das genauer an.“ Die Kombination aus neuen Produkten und Dienstleistungen werde den Unterschied ausmachen. Ab wann die neuen Geräte angeboten werden sollen, sagte Ollila allerdings nicht.

Er räumte aber ein, dass Nokia die Smartphone-Revolution in der Handybranche verschlafen habe. Nokia habe anfangs zu langsam reagiert, als die internetfähigen Multifunktionshandys den Markt aufrollten, sagte der Manager, der nach 27 Jahren den finnischen Konzern verlässt. Nokia hat zwar einstmals das Smartphone erfunden, gerät auf dem lukrativen Markt jedoch immer mehr ins Hintertreffen. Während Rivalen wie Apple und Samsung regelmäßig Rekorde knacken, rutschte Nokia im ersten Quartal operativ mit 1,3 Milliarden Euro in die roten Zahlen. Auch mit seiner jüngsten Smartphone-Offensive konnte der Konzern nicht punkten.

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Unterdessen geht Nokia im weltweiten Patentkrieg in Deutschland zum Angriff über. Gleich in mehreren Fällen verklagen die Finnen sowohl den kanadischen BlackBerry-Hersteller RIM als auch den einstigen Verbündeten HTC aus Taiwan und den amerikanischen Tablet-Computer-Produzenten ViewSonic. In den Klagen geht es den Nokia-Angaben zufolge um mehr als 45 Patente, die von Verschlüsselungstechnologien bis hin zur Stromversorgung von Handys reichen. Der einst unangefochtene Branchen-Führer war mit dem Aufstieg der Smartphones immer mehr ins Hintertreffen und zuletzt auch finanziell unter Druck geraten. Künftig will Nokia stärker auf seinen umfangreichen Schatz an Patenten setzen.

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Mit den Klagen gegen HTC nimmt das finnische Unternehmen jene Firma ins Visier, mit der es in der Vergangenheit gemeinsam Rechtstreitigkeiten gegen den deutschen Patentverwerter IPCom durchgestanden hat. Gegen HTC und ViewSonic geht Nokia auch in den USA gerichtlich vor.

Nokia machte die Klagewelle am selben Tag bekannt, an dem Software-Partner Microsoft im Rechtsstreit um Patente des Handy-Pioniers Motorola hierzulande eine Schlappe einstecken musste. Dieser Streit ist ein weiterer Teil der gewaltigen Patentschlacht, mit der die Branchengrößen der Smartphone-, Tablet- und Unterhaltungselektronik-Industrie ihren Konkurrenzkampf auch vor Gericht ausfechten. Weltweit überziehen sich auch Google, das derzeit Motorola übernimmt, Apple und Samsung mit zahllosen Klagen.

Nokia selbst hat in der Vergangenheit einen langwierigen Rechtsstreit gegen Apple für sich entschieden. Beobachter schätzen die Chancen Nokias im Konflikt mit HTC und ViewSonic deshalb gut ein. Im Vergleich zu Apple seien diese beiden Unternehmen Leichtgewichte, erklärte der Patentexperte Florian Müller. Sie hätten keine Channce gegen Nokia. (Reuters/abendblatt.de)