Griechenland steht näher am Abgrund denn je. Stabile Regierungsverhältnisse sind nicht in Sicht. Droht jetzt möglicherweise doch die Staatspleite?

Berlin. Die Wahl endete ohne eine klare Mehrheit, die Regierungsbildung ist vorerst gescheitert: Griechenland scheint auf unaufhaltsamem Kurs in Richtung Staatsbankrott zu steuern. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen:

Wie lange reicht das Geld noch?

Für Athen wurde ein milliardenschweres Hilfspaket nach dem anderen geschnürt. Das zuletzt beschlossene Rettungsprogramm von insgesamt 130 Milliarden Euro samt Schuldenschnitt wird dringend benötigt, um sich über Wasser zu halten und die Pleite abzuwenden. Allerdings muss Athen die strengen Sparvorgaben der internationalen Geldgeber von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) erfüllen. Je nach Fortschritt fließt das Geld in einzelnen Tranchen. Das unter immensen Schulden ächzende Land braucht bald wieder frische Milliarden – bis Ende Juni sollen es 30 Milliarden Euro sein, die für Renten und Löhne von Staatsbediensteten sowie zur Stabilisierung des Bankenbereichs nach dem Schuldenschnitt bestimmt sind.

Was passiert, wenn die unklare Lage anhält?

Die Regierungsbildung kann sich noch wochenlang hinziehen und angesichts der fehlenden klaren Mehrheit auch komplett scheitern. Dann würden Neuwahlen unausweichlich. Aber auch dann ist die weitere Entwicklung ungewiss. Die zähe Regierungsbildung könnte je nach Ausgang von vorn beginnen. Aber wie so oft drängt die Zeit gnadenlos. Fließt kein neues Geld, droht dem Land die Pleite. Welche Rolle spielen die internationalen Geldgeber dabei?

Geplant ist, dass die Kontrolleure der Geldgeber-„Troika“ aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) spätestens Anfang Juni wieder nach Athen kommen, um die bisherigen Sparbemühungen zu prüfen und neue harte Einschnitte zu besprechen. Das Problem: Finden sie keine handlungsfähige Regierung vor, könnte der Geldhahn komplett zugedreht werden – die Pleite stünde bevor. Momentan haben in Griechenland jene politischen Kräfte die Oberhand, die den Sparkurs ablehnen und sich etwa für ein Schulden-Moratorium einsetzen.

Wie geht es weiter, wenn kein Geld mehr fließt?

Staatliche Zahlungen wie Renten, Beamtengehälter und Sozialleistungen müssten eingestellt werden. Außerdem könnte Athen die Kredite nicht mehr zurückzahlen. Eine solche Entwicklung hätte unabsehbare Folgen – sowohl innenpolitisch als auch nach außen. Im Land dürfte mit sozialen Unruhen, einem Sturm auf die Banken und Kapitalflucht ins Ausland zu rechnen sein. Ein Ausstieg aus der Eurozone wird dann immer wahrscheinlicher. Angesichts der immensen Ansteckungsgefahr für weitere Sorgenkinder wie Spanien, Italien oder Portugal ist höchst fraglich, ob die Eurozone ein solches Schreckensszenario verkraften würde.

Abgesehen davon – welche Entwicklung halten Experten noch für möglich?

Einige Fachleute bewerten einen denkbaren Euro-Austritt Griechenlands nicht als Schreckensszenario, sondern als verkraftbar für den Rest der Eurozone – so etwa der Chef der Ratingagentur Fitch, Paul Taylor.

Auch mehren sich in der EU die Stimmen, dass der Spardruck auf Griechenland und die anderen Krisenländer gelockert werden sollte. Das könnte auch die Bildung einer neuen griechischen Regierung unterstützen. Denn das Grundübel sehen viele Fachleute wie die Mehrheit der Griechen darin, dass eine marode Wirtschaft unter extremen Sparzwängen nicht mehr auf die Beine kommen kann.

Mit der Wahl des Sozialisten François Hollande zum neuen Staatspräsidenten Frankreichs ist auch die Debatte über zusätzliche Wachstumsimpulse wieder kräftig angefacht worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zwar ebenfalls für Wachstum, will aber am strikten Sparkurs nicht rütteln. Bei einem Sondertreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 23. Mai in Brüssel soll über mögliche Wachstumsanstöße debattiert werden.