Athen muss weiter sparen oder die EU verlassen, so HWWI-Chef Straubhaar. Unterdessen erholen sich Märkte von den Wahlergebnissen.
Hamburg/Frankfurt. Nach der Griechenland-Wahl sieht Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), für das Land nur zwei Lösungswege. Entweder beschließe Athen den Ausstieg aus Europäischer Union (EU) und Eurozone oder das Land unterstelle sich einer stärkeren Kontrolle der EU, sagte Straubhaar am Montag. Griechenland könne sich also nur „zwischen Pest und Cholera entscheiden“.
Bei der zweiten Variante müsste Griechenland immer mehr nationale Autonomie an Brüssel abtreten. Das Schuldenland würde zu einer Art „EU-Protektorat“ werden. Entscheide sich Athen dagegen für den Ausstieg aus dem Euro, „wäre dies der freiwillige Sprung über die Klippe“. Das Land könnte seine Schulden nicht mehr begleichen. Die EU sei dann auf einfache Weise aus der Pflicht, sagte Straubhaar. Schließlich habe Griechenland in diesem Fall „freiwillig die Ehe verlassen“.
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Griechenland steckt nach der Wahl in einem Dilemma. Umfragen zufolge will zwar die überwiegende Mehrheit der Griechen den Euro behalten. Doch in den Wahlergebnissen kommt das nicht zum Ausdruck. Die Situation ist brisant: Die großen Parteien haben keine Mehrheit für den weiteren Sparkurs, die Geduld der internationalen Geldgeber ist strapaziert, das Vertrauen der Anleger fehlt ohnehin. Dem Euroland stehen wieder unruhige Wochen bevor.
Mit der konservativen Nea Dimokratia (ND) und der sozialdemokratischen Pasok haben die Verfechter des umstrittenen Sparprogramms die Mehrheit im Parlament um zwei Abgeordnete verpasst. Die Regierungsbildung gestaltet sich extrem schwierig.
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Doch die Zeit drängt: Griechenland muss bis Mitte Mai handlungsfähig sein. Spätestens Anfang Juni kommt wieder die „Troika“ aus Experten von Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank (EZB) nach Athen, um über weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft zu sprechen.
Unterdessen haben die Finanzmärkte am Montagnachmittag begonnen, die Wahlen in Griechenland und Frankreich zu verdauen. So hatte der Dax am Nachmittag nur noch mit einem geringen Minus auf den Ausgang der Wahlen in Frankreich und Griechenland reagiert. Dank einer Erholung am französischen Anleihenmarkt machte der deutsche Leitindex einen Großteil seiner Verluste aus dem frühen Handel wieder wett und gab zuletzt um 0,58 Prozent nach auf 6523 Punkte. Kurz nach Börseneröffnung hatte der Dax mehr als 2,3 Prozent an Wert verloren. Für den MDax ging es zum Wochenstart sogar um 0,08 Prozent nach oben auf 10 597 Punkte. Der TecDax sank um 0,38 Prozent auf 779 Punkte.
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In Frankreich wurde der Sozialist Francois Hollande zum Präsidenten gewählt . Er war mit seiner Forderung nach Nachverhandlungen beim Fiskalpakt auf Konfrontationskurs mit Berlin gegangen. Anders als sein Vorgänger Nicolas Sarkozy will Hollande dabei jedoch eher auf höhere Einnahmen als auf weitere Einsparungen setzen. Im Wahlkampf hatte er sich zudem gegen den von Deutschland geforderten strikten Sparkurs beim Euro-Krisenmanagement gestellt.
Dennoch machte sich im Tagesverlauf wieder etwas Zuversicht unter den Anlegern breit. Die Investoren gingen mittlerweile davon aus, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und François Hollande zusammenraufen und nicht erneut eine Euro-Krise heraufbeschwören dürften, sagte Marktanalyst Robert Halver von der Baader Bank. Händler Markus Huber von ETX Capital ergänzte: „Die Kurse von heute morgen waren doch für einige Anleger einfach zu billig und zu verlockend, um nicht zuzugreifen.“
Besonders deutlich spiegelte sich dieser Stimmungswechsel in der Entwicklung der Bankaktien wider. Sie standen im frühen Handel noch stark unter Druck, erholten sich dann aber deutlich. So gaben Deutsche Bank nur noch um 0,42 Protzen nach. Die Anteilsscheine der Commerzbank drehten sogar ins Plus und gewannen 1,63 Prozent.
Unter den weiteren Einzelwerten fielen die Titel der Lufthansa am Dax-Ende gleichwohl um 3,05 Prozent. Aktien von Luftfahrtgesellschaften reagieren in der Regel sehr sensibel auf die Sorgen am Markt über eine sich abschwächende Konjunktur. Nach starken Absatzzahlen aus China rückten aber die BMW-Titel um 1,04 Prozent vor.
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Klarer Verlierer im TecDax waren die Aktien von QSC, die um 9,19 Prozent absackten. Der auf Geschäftskunden spezialisierte Telekom-Anbieter hatte mit seinen Quartalszahlen die Erwartungen verfehlt.
Am deutschen Rentenmarkt fiel die durchschnittliche Rendite der börsennotierten Bundeswertpapiere von 1,31 Prozent am Freitag auf 1,28 Prozent. Der Rentenindex Rex legte um 0,23 Prozent auf 133,34 Punkte zu. Der Bund-Future stieg um 0,10 Prozent zu auf 142,22 Punkte. Der Euro sank. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,3033 (1,3132) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,7673 (0,7615) Euro. (dapd/dpa/abendblatt.de)