Auf dem Treffen geht es um die Wiederbelebung des Wirtschaftswachstums in Europa. Finden Merkel und Hollande eine gemeinsamen Linie?

Brüssel. Am 23. Mai werden bei einem Sondertreffen in Brüssel die EU-Staats- und Regierungschefs über mehr Wachstum in Europa debattieren. Bei dem als informell bezeichneten Abendessen soll der neue französische Staatspräsident François Hollande erstmals alle übrigen 26 Staatenlenker kennenlernen. Das berichteten EU-Diplomaten am Dienstag in Brüssel. EU-Ratspräsident Van Rompuy hatte den Sondergipfel bereits länger geplant und in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs angekündigt. Darin warb er für einen offenen Meinungsaustausch. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte bereits erklärt, dass Deutschland ein solches Vortreffen begrüßen würde.

In der EU mehren sich seit einiger Zeit die Stimmen, die eine Ergänzung des beschlossenen Fiskalpakts um konkrete Wachstumselemente fordern. Zu den Vertretern dieser Position gehört unter anderem der neu gewählte französische Präsident François Hollande. Auch der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi , hatte sich kürzlich für einen Wachstumspakt stark gemacht. Allerdings gibt es Meinungsdifferenzen, ob das Wachstum primär durch Strukturreformen oder staatsfinanzierte Investitionen angekurbelt werden sollte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und andere Partner lehnen eine Neuverhandlung des Pakts strikt ab.

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Hollandes Wahl am Sonntag brachte Schwung in die Wachstumsdebatte in der EU. Diplomaten sagten, in der Krise sei es unbedingt nötig, dass die größten Volkswirtschaften, also Deutschland und Frankreich, an einem Strang zögen. Merkel hatte vor den Wahlen offen Hollandes konservativen Widersacher Nicolas Sarkozy unterstützt.

Derweil unterstrich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso abermals, dass Brüssel von den Sparvorgaben der europäischen Verträge und den Krisenbeschlüssen nicht abweichen werde. In den vergangenen zwei Jahren habe Europa wirtschafts- und finanzpolitisch „mehr erreicht als in den zehn Jahren davor“. Diese Erfolge gelte es keinesfalls aufs Spiel zu setzen – auch nicht nach den jüngsten Wahlen in Frankreich und Griechenland.

Größere fiskalpolitische Zugeständnisse an hoch verschuldete Staaten lehnte Barroso dennoch ab. „Stabilität ohne Wachstum ist ebenso unmöglich wie Wachstum ohne Stabilität“, kommentierte er die zunehmenden Forderungen nach staatlich finanzierten Wachstumsprogrammen in Europa. „Wer denkt, durch höhere Defizite das Wachstum ankurbeln zu können, handelt unverantwortlich“, sagte Barroso in Brüssel.

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Allerdings stehe dies Strukturreformen ebenso wenig im Wege wie einer Zehn-Milliarden-Euro-Kapitalspritze für die Europäische Investitionsbank und gezielten Investitionsprogrammen. Euro-Bonds, also eine begrenzte Schuldenaufteilung, nannte Barroso als weitere Option um Wachstumsimpulse zu setzen. Und dann gebe es ja auch noch die Möglichkeit sogenannter Projektbonds, die durch den Einsatz von 230 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt bis zu 4,6 Milliarden Euro für wichtige Infrastrukturprojekte mobilisieren könnten, ohne die Staatskassen zusätzlich zu belasten.

Die „Chefs“ wollen mit dem Extratreffen im Mai den nächsten regulären EU-Gipfel am 28. und 29. Juni vorbereiten, der sich auch ums Wachstum drehen wird. Für die Staats- und Regierungschefs vieler Staaten steht ein Gipfelmarathon bevor. Am 18. und 19. Mai werden sich die reichsten Industriestaaten und Russland (G8) in Camp David treffen. Für den 20. und 21. Mai ist dann der Nato-Gipfel in Chicago angesetzt.

Der von allem von Deutschland vertretene strikte Sparkurs wird in vielen EU-Ländern in Frage gestellt. Bei den griechischen Parlamentswahlen am Sonntag wurden die Konservativen und Sozialisten, die das Sparpaket mitgetragen hatten, abgestraft. Dort droht ein politisches Chaos.

EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte vor Journalisten in Brüssel, man könne nicht die Sanierung der Staatshaushalte und Wachstum gegeneinander ausspielen. „Wir müssen beides verfolgen“, sagte der Finne.

Die Eurozone mit 17 Ländern steckt in einer leichten Rezession. Rehns Experten rechnen bisher damit, dass die Wirtschaft im gemeinsamen Währungsgebiet im laufenden Jahr um 0,3 Prozent schrumpft. Rehn will am Freitag neue Zahlen vorlegen. (dpa/dapd/abendblatt.de)