Tempo 300, aber geringerer Energieverbrauch, mehr Komfort – die Bahn poliert den ICE auf. Für Erste-Klasse-Kunden wird eine Extrawurst gebraten.
Frankfurt/Main. Mit zwei Jahren Verspätung kommt der neue ICE der Deutschen Bahn endlich aufs Gleis. Unter der Haube ist alles neu und doch lassen der rote Seitenstreifen und die markante Kopfform keinen Zweifel: Die neue Baureihe 407 ist schon von weitem als ICE zu erkennen. Nach langer Verzögerung fahren die ersten Züge nun auf der Strecke Köln-Stuttgart. Am Dienstag hat die Bahn ihre Neuerwerbung nochmals vorgestellt.
Mehr als zwei Jahre musste die Bahn warten, weil der Hersteller Siemens immer wieder Probleme bei der Zulassung hatte. Ursprünglicher Liefertermin war einmal Oktober 2011. „Wir hatten nicht alle Zulassungsthemen so im Blick“, gestand Siemens-Zug-Chef Jürgen Wilder auf der Präsentationsfahrt von Frankfurt am Main nach Köln ein. Der Vorstandsvorsitzende von Siemens, Joe Kaeser, hatte das Treiben um die Züge im Dezember als „Mega-Peinlichkeit“ bezeichnet.
Vier Züge hat die Bahn im Dezember in Empfang genommen, vier weitere will Siemens bis Ende März liefern. Weitere neun Züge sind in der Produktion. Kostenpunkt: 25 bis 35 Millionen Euro pro Zug. Einen 17. Zug bekommt die Bahn als Entschädigung für die verspätete Lieferung, Gespräche für weitere Ausgleichsleistungen laufen.
Das Eisenbahnbundesamt hatte den Zügen erst Ende vergangenen Jahres eine Genehmigung erteilt, in Deutschland als Doppelzug zu fahren. Für den angestrebten Betrieb in Belgien und Frankreich fehlt noch immer die Zulassung.
Die alten ICE 1 bleiben trotz neuer Züge im Einsatz. „Wir haben nicht den Luxus, dass wir Züge ausrangieren können“, sagt Bahn-Vorstand Andreas Busemann bei Tempo 300 auf der Hochgeschwindigkeitstrasse nach Köln. Die Bahn braucht jeden Zug.
Im Vergleich zu den anderen ICEs verbraucht die neue Baureihe aber weniger Energie und ist laut Siemens auch technisch zuverlässiger. Neben einer aerodynamisch veränderten Kopfform soll der neue ICE 3 vor allem mehr Komfort bieten, sagt Bahn-Vorstand Busemann.
So hat der Zug als erster ICE einen eigenen Hublift für Rollstuhlfahrer. Dafür hat die Bahn Rollstuhlfahrer aber aus der ersten Klasse verbannt: Während in anderen ICE-Zügen die Rollstuhlplätze in der ersten Klasse zu finden sind, bietet die Baureihe 407 nur zwei Plätze in Klasse zwei.
Insgesamt 444 Sitzplätze bietet der neue ICE auf acht Wagen – 454 Tonnen Zug auf 200 Metern. Als Doppelzug erhöht sich die Kapazität sogar auf 888 – plus 16 Plätze im Bordrestaurant. Neue Deckenmonitore und Monitore an den Außenseiten der Zugtüren sollen den Fahrgästen bei der Orientierung helfen. Die Sitznummern im Wagen sind nun auch in Blindenschrift zu ertasten.
Auch auf Eltern mit Kleinkindern warten Veränderungen: Während in anderen ICE-Zügen zumeist ein Abteil mit sechs Plätzen in der ersten Klasse für die Fahrt mit Kindern reserviert ist, bietet der neue Zug gleich acht Plätze – allerdings in einem Durchgangsabteil.
Fast jeder Passagier, der aus der zweiten Klasse ins Bord-Bistro möchte, muss sich seinen Weg zukünftig durchs Kleinkindabteil bahnen. Im Bord-Bistro erwarten die Reisenden auch keine Stehtische mehr. Dafür hat die Bahn nun im Bistro-Wagen ein Erste-Klasse-Abteil mit 18 Plätzen untergebracht.
Wie schon bei den anderen Baureihen des ICE 3 verzichtet die Bahn auf den klassischen Antriebswagen. Die Lokomotive hat ausgedient. Die Antriebstechnik befindet sich anders als beim ICE 1 und ICE 2 unter allen Wagen, die den Zug gemeinsam bewegen. Das soll die Züge spursicherer machen. Zudem schafft das Raum für rund 20 Prozent mehr Sitzplätze.
Vor einem ist aber auch die neueste Baureihe des ICE nicht gefeit: Verspätungen. Auf der Präsentationsfahrt nach Köln kommt der ICE in Frankfurt sechs Minuten später an. In der Durchsage heißt es: „Verzögerungen im Betriebsablauf“.