Der angeklagte Conrad Murray erwägt offenbar, doch noch in den Zeugenstand zu treten. Es hänge davon ab, wie das Verfahren weiterlaufe.
Los Angeles/New York. Kurz vor dem Ende könnte es eine Überraschung im Prozess um den Tod von Michael Jackson geben: Der angeklagte frühere Leibarzt des Popsängers erwägt nach eigenen Angaben, ob er zum Schluss doch noch in den Zeugenstand tritt. Dr. Conrad Murray ließ den Richter am Montagabend (Ortszeit) in Los Angeles wissen, er habe sich noch nicht endgültig entschieden, wie die "Los Angeles Times“ am Dienstag bekannt gab. Es hänge davon ab, "wie das Verfahren weiterläuft“, wurde Murray von der Zeitung zitiert.
Der Jury liegt bisher nur der Text einer zweieinhalbstündigen, polizeilichen Vernehmung Murrays vor. Das Verhör fand im Juni 2009, zwei Tage nach Jacksons Tod durch ein Narkosemittel, statt. Damals lag der Befund der toxikologischen Untersuchung des Leichnams noch nicht vor. Ebenso wenig war bekannt, dass Murray etwa 20 Minuten lang Telefongespräche führte, während sein Patient im Sterben lag.
Für den Fall, dass Murray nicht in den Zeugenstand tritt, wollte die Verteidigung laut "Los Angeles Times“ voraussichtlich schon am Dienstag zum Ende kommen. Nach den Schlussplädoyers beider Seiten geht der Fall zur Urteilsfindung an die Jury. Die Anklage wirft Murray vor, Jackson zu viel von dem Narkosemittel gespritzt zu haben. Im Falle eines Schuldspruchs drohen dem 58-jährigen Mediziner vier Jahre Haft.
Bei der Verhörung des bekannten Narkosespezialisten Paul White kam es am Montag zu einem Eklat. Richter Michael Pastor ermahnte den Zeugen der Verteidigung mehrmals, Informationen auszuklammern, die er im Gespräch mit dem angeklagten Murray erhalten hatte. Ungeachtet der Aufforderung unterbreitete White der Jury weiter Einzelheiten, die er von Murray und nicht aus unabhängigen Quellen erfahren hatte.
Daraufhin bat Richter Pastor die Geschworenen, den Saal zu verlassen. Er drohte dem Zeugen eine Strafe von 1000 Dollar (720 Euro) an, weil er trotz Verwarnung weiter aus der Unterredung mit dem Angeklagten zitiert hatte. White hatte sich schon Anfang des Monats den Unmut des Richters zugezogen, als er den Prozess im Internet kommentierte.
+++ Halbzeit im Murray-Prozess - Mediziner-Duell um Jacksons Tod +++
Am Freitag hatte White noch die Position der Verteidigung gestützt. Demnach könnte sich Jackson das letztlich tödliche Anästhetikum Propofol selbst gespritzt haben. Am Montag allerdings räumte er ein, dass der angeklagte Arzt fahrlässig bei der Pflege seines berühmten Patienten gewesen sei. "Ohne sorgfältige Überwachung am Bett des Patienten könnte es gefährlich sein“, sagte der Experte zum Propofol-Einsatz bei Jackson. Außerdem widerspreche die Verabreichung außerhalb eines Krankenhauses allen ärztlichen Standards, sagte White vor Gericht. (dpa)