Die Serie brennender Autos in der Hauptstadt dauert an. Viele Familien kämpfen mit den Folgen der Taten unbekannter Autozündler.
Berlin. Karolina Nadziak will alles so schnell wie möglich vergessen: die Bilder ihres brennenden Familienwagens, den Geruch von verkohlten Autoreifen und die Angst vor dem finanziellen Ruin. Die fünfköpfige Familie aus dem Berliner Stadtteil Charlottenburg ist Opfer der nächtlichen Anschläge auf Autos geworden. "Wir wollen endlich wieder zurück in unseren Alltag“, sagt die 36-Jährige. "Es gelingt uns aber nur mühsam.“
Die Frau steht in der Küche und sucht nach Rezepten. Schokoladenkuchen soll es zur Einschulungsfeier geben. Ihre Tochter Lena ist in die erste Klasse gekommen. An diesem Wochenende gibt es Zuckertüten. "Wir wollen etwas feiern und uns ablenken“, sagt sie. Ihr Mann Tomasz sei noch in der Stadt unterwegs. "Wir sind die ganze Woche zu nichts gekommen.“ Der Brand habe den Alltag durcheinandergewirbelt.
Autoreste erinnern an Anschlag
An den Van der Familie Nadziak erinnern lediglich schwarze Flecken auf der Straße in dem beschaulichen Wohnviertel mit seinen vielen Einfamilienhäusern. Zwei Kühlergrills und zusammengeschmolzenes Gummi mit Drähten liegen auf der Fahrbahn. Dies sind die Reste zweier Limousinen, die vor und hinter dem Van geparkt waren. Auf die hatten es offenbar die Brandstifter abgesehen. Die Flammen griffen auf das Auto der Familie über.
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Auch in der Nacht zu Sonnabend brannten wieder drei Fahrzeuge, diesmal im Ostteil der Stadt. Seit Jahresbeginn gab es laut Polizei 88 derartige Brandstiftungen mit politischem Motiv, bei denen insgesamt 143 Wagen angezündet wurden. 86 Fahrzeuge wurden in Mitleidenschaft gezogen. Der Staatsschutz ermittelt. Es sind nicht nur Luxusautos Wohlhabender, die das Hauptziel der Brandstifter zu sein scheinen. Mit den Folgen der nächtlichen Anschläge haben auch Handwerker wie Tomasz Nadziak zu kämpfen.
"Zwei Aufträge hat er schon verloren“, sagt seine Frau. Er habe wegen des fehlenden Autos nicht zu den Baustellen fahren können. Der Trockenbauer ist selbstständig und auf seinen Wagen angewiesen. Die Flammen hätten obendrein die drei Kindersitze zerstört, erzählt sie. Wichtige Werkzeuge wie Bohrmaschine, Akkuschrauber und eine Stichsäge seien ebenfalls dem Feuer zum Opfer gefallen.
Versicherung springt vorerst nicht ein
Das Auto war nicht versichert. "Zu alt“, erklärt Karolina Nadziak. Nun müsse die Familie für den Kauf eines neuen Wagens sparen. Bis es soweit ist, habe sie aber einen Leihwagen kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. "Die Hilfe nach dem Brand war überwältigend“, betont die 36-Jährige. Selbst die verbrannten Kindersitze seien durch neue ersetzt worden. Die Versicherung, sagt sie, springe nur dann ein, wenn die Täter geschnappt seien und zur Kasse gebeten werden könnten.
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Karolina Nadziak holt Bilder aus dem Schrank. Zu sehen ist der Wagen, dessen Heck lichterloh brennt. Das nächste Foto zeigt den ausgebrannten Van. Die Fotos werde sie wegwerfen. "Ich möchte nicht ständig daran erinnert werden. Das zehrt an den Nerven.“ Ihre drei Kinder seien noch immer traurig. "Sie fragen: Warum ist uns das passiert? Wer macht so etwas?“ Eine Antwort darauf, sagt die Mutter, habe auch sie nicht.