Die Deutsche Polizeigewerkschaft und der Bund Deutscher Kriminalbeamter befürworten die Sendung. Der Kinderschutzbund kritisiert die Methoden.
Berlin. Die RTL-2-Sendung „Tatort Internet - Schützt endlich unsere Kinder“ sorgt weiter für heftige Kontroversen. Der Deutsche Kinderschutzbund kritisierte am Mittwoch eine „sehr fragwürdige Methode“. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) befürworten dagegen die Sendung. Der ehemalige Hamburger Innensenator Udo Nagel, der „Tatort Internet“ mitpräsentiert, verteidigte das Format: „An den Pranger wird hier keiner gestellt.“
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte zuvor auch mit Blick auf die Methoden der Sendung gesagt: „Es besteht die Gefahr, dass Unschuldige angeprangert und große Schäden angerichtet werden und der Rechtsstaat in eine Schieflage gerät.“ Die Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth, sagte, zwar müsse sexuelle Gewalt gegen Kinder mit aller Entschiedenheit verfolgt werden. Aber die Ermittlung von Tätern sei eindeutig Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden. „Fernsehen ist keine Polizei und soll auch keine werden.“ Der beste Kinderschutz sei eine frühzeitige Aufklärung über den Umgang mit Internet und Medien.
Nagel beteuerte, das erste Ziel der Sendung sei die Aufklärung der Eltern, was tatsächlich im Netz passieren könne. „Das zweite Ziel ist die Aufklärung der Kinder, und dann wollen wir den Handlungsbedarf im gesetzlichen Bereich aufzeigen“, fügte er hinzu. „Für mich handelt es sich auch nicht um Unschuldige, sondern um potenzielle Tatverdächtige“, betonte Nagel.
Polizeigewerkschaft unterstützt Format
Der BDK-Bundesvize und Sprecher Bernd Carstensen sagte, der BDK finde es gut und richtig, dass ein Sender diese Thematik so breit in die Öffentlichkeit bringe, dass darüber intensiv diskutiert werde. Eltern würden darauf hingewiesen, dass Gefahren im Netz lauerten und müssten schauen, wo ihre Kinder im Netz unterwegs seien.
DPolG-Bundesvorsitzender Rainer Wendt sagte, die Sendung sei absolut richtig, „weil so der Druck auf Pädophile im Internet dauerhaft erhöht wird.“ Auch die Polizei gehe erfolgreich gegen Pädophile im Internet vor. Allerdings werde sie nicht mit Lockvögeln arbeiten wie in der Sendung: „Das sind nicht unsere Methoden.“ Der Leiter der Netzwerkfahndung des Bayerischen Landeskriminalamtes, Günter Maeser, hält die Sendung dagegen für rechtlich problematisch. „Ich gehe davon aus, dass sie noch eine Reihe von einstweiligen Verfügungen, Klagen und Prozessen nach sich ziehen wird“, sagte er. Es handele sich um eine juristische Gratwanderung. „Denn wer sich mit einer Minderjährigen trifft, macht sich nicht sofort strafbar. Etwas anderes ist es, wenn man dafür ein Hotelzimmer angemietet hat. Das muss also bei jedem Einzelfall geprüft werden. Und das passiert derzeit auch bei den von RTL 2 gezeigten Fällen“, sagte Maeser. Ein Großteil der gezeigten Fälle stelle keine Straftat dar .
Die Sendung war am 7. Oktober gestartet und hatte teils heftige Kritik ausgelöst. Die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien untersucht derzeit die Machart des Formats . Zugleich mahnte sie eine Debatte über journalistische Standards an und betonte die Verantwortung der Programmmacher. Vier Folgen der zehnteiligen Reihe waren bisher zu sehen.
In der Sendung, die unter anderen von Nagel und Stephanie zu Guttenberg präsentiert wird, wird mutmaßlichen Pädophilen im Netz auf die Spur gegangen. So gab sich eine Journalistin als minderjähriges Mädchen in Internetchats aus, um mit mutmaßlichen Kinderschändern in Kontakt zu treten. Das Treffen der Männer mit ihren vermeintlichen Chatpartnerinnen wurde gefilmt. Die Männer wurden gepixelt, außerdem wurde die Stimme verzerrt. Ein 61-jähriger Leiter einer Würzburger Jugendhilfe-Einrichtung, der nach der Ausstrahlung trotzdem erkannt und anschließend von seinem Arbeitgeber suspendiert wurde, wird seitdem vermisst.
Der Trägerverein der Einrichtung hatte kritisiert, dass RTL 2 die Verantwortlichen nicht schon informiert habe, als die Filmaufnahmen entstanden. Laut BDK gibt es für Privatpersonen keine Verpflichtung, eine Straftat unmittelbar und immer sofort anzuzeigen.