Dauerfrost in Deutschland, immer mehr Kältetote in Osteuropa, vor allem in Polen und der Ukraine. Auch Italien und Griechenland frieren.
Offenbach/Istanbul/Warschau/Kiew. Die eisige Kälte hat nun auch Westdeutschland erreicht. Erstmals in diesem Winter gab es am Donnerstagmorgen deutschlandweit zweistellige Minusgrade, wie der Deutsche Wetterdienst in Offenbach mitteilte. Am kältesten war es im Osten mit minus 15 bis minus 20 Grad.
+++ Das müssen Sie zum Eiswinter wissen +++
Noch kälter war es in Nordeuropa. Mit minus 39 Grad wurden im Norden Finnlands am Donnerstagmorgen europaweit die niedrigsten Temperaturen gemessen. Selbst in Südeuropa fielen die Werte unter den Gefrierpunkt. Im Norden Spaniens und Portugals wurden Werte zwischen minus zwei und minus sieben Grad gemessen. In der Türkei fiel die Temperatur in Antalya und Istanbul nach Angaben des Wetterdienstes auf minus zwei Grad.
Obdachloser in Magdeburg erfroren
Nach zahlreichen Menschen in Osteuropa ist nun auch ein Obdachloser in Magdeburg bei eisigen Temperaturen ums Leben gekommen. Die Leiche des 55 Jahre alten Mannes wurde am Donnerstag von einer Passantin entdeckt, wie die Polizei mitteilte. Ein Notarzt konnte nur noch den Tod des Mannes feststellen.
Nach Angaben der Polizei handelt es sich voraussichtlich um den ersten Kältetoten des Winters in der Stadt. Der Mann wurde auf einer Bank vor einem Blumenladen entdeckt. Seit 2006 war er ohne festen Wohnsitz. In der Gegend des Fundortes in der Straße Alt Fermersleben war der Obdachlose bekannt. Unweit des Fundortes befinden sich ein Friedhof und leerstehende Hallen des früheren DDR-Kombinats Sket.
Am Mittwoch war bereits eine 73 Jahre alte Frau bei Stendal beim Eisbaden ums Leben gekommen. Taucher zogen die Leiche aus einem eiskalten Kiessee. Zeugen zufolge badete die Frau praktisch täglich in dem See, auch bei frostigen Temperaturen.
Schnee-Chaos macht Türkei schwer zu schaffen
Neben dem Frost behindern auch die seit Tagen andauernden Schneefälle in der Türkei immer mehr den Verkehr und die Energieversorgung. Allein auf dem Atatürk Flughafen in Istanbul seien am Vortag 180 Flüge ausgefallen, berichteten türkische Medien am Donnerstag. In der Metropole sei fast ein halber Meter Schnee gefallen. In den ländlichen Regionen im Osten seien etwa 1000 Straßen zu kleineren Dörfern nicht mehr passierbar. Teilweise sei das Stromnetz zusammengebrochen. Mit nun bereits neun Tagen Schnee in diesem Jahr habe der Winter aber auch den Westen des Landes ungewöhnlich stark in die Zange genommen, sagte ein Meteorologe. Erst am Wochenende werde es wieder wärmer.
Neun Menschen erfrieren in der Nacht in Polen
In Polen ist derweil die Zahl der Kältetoten über Nacht auf 29 gestiegen. Allein in den vergangenen 24 Stunden starben neun Menschen an den Folgen der Kälte, teilte das Warschauer Innenministerium am Donnerstag mit. Innerhalb einer Woche erfroren in Deutschlands östlichem Nachbarland damit 29 Menschen. Die meisten dieser Toten sind Obdachlose. Innenminister Jacek Cichocki rief die Bevölkerung am Donnerstag im Rundfunksender „Radio Zet“ auf, schlafende Obdachlose an Haltestellen oder in Treppenhäusern nicht einfach zu ignorieren. „Jetzt ist der Moment, wo von unserer Sensibilität und Solidarität Menschenleben abhängen“, sagte Cichocki.
Erneut 20 Kälte-Tote in der Ukraine - Zahl steigt auf 63
Und auch die Situation in der Ukraine bleibt ernst. Die Zahl der bei Extremfrost Erfrorenen ist um 20 gestiegen. Damit starben an den Folgen des harten Winters bislang 63 Menschen, wie das Zivilschutzministerium mitteilte. Bei Temperaturen von stellenweise minus 30 Grad Celsius wurde die Lage immer dramatischer, wie ukrainische Medien am Donnerstag berichteten. Die meisten Kälteopfer waren Obdachlose.
Nach Angaben des Zivilschutzministeriums wurden in den vergangenen sechs Tagen mehr als 900 Menschen wegen Erfrierungen und Unterkühlungen in Krankenhäuser gebracht. Die Zahl der Wärmestuben stieg auf mehr als 2000. Meteorologen sagten weiter Rekordkälte voraus.
In der Ex-Sowjetrepublik leben viele Menschen unter ärmlichsten Bedingungen. Nach offiziellen Angaben gibt es rund 100.000 Obdachlose. Allerdings wird die Zahl inoffiziell mit 300.000 Menschen ohne Bleibe angegeben.
Weitere Kältetote auch in Tschechien
In Tschechien hat die Kältewelle seit Wochenbeginn mindestens vier Menschen das Leben gekostet. Ein Obdachloser erfror in der Nacht zum Donnerstag in einem improvisierten Unterschlupf in Prag, wie die Polizei mitteilte. Zuvor hatten Beamte im westböhmischen Pilsen (Plzen) die Leiche eines Wohnungslosen in einem Park entdeckt.
Die tschechische Eisenbahn kämpfte wegen des Extremfrosts erneut auf vielen Strecken mit gebrochenen Schienen. In Prag war ein zentrales Fahrzeug-Depot zeitweise vom restlichen Schienennetz abgeschnitten.
Tschechische Medien berichteten von Schwierigkeiten bei der Aushebung von Gräbern auf Friedhöfen. Totengräber seien in der Stadt Brünn (Brno) mit Presslufthämmern angerückt, um den gefrorenen Boden zu lösen. „Wir müssen Gräber ausheben, wenn es nötig ist“, erklärte ein Angestellter.
Die Temperaturen bewegten sich am Donnerstagmorgen im Schnitt zwischen minus 14 und minus 18 Grad. Im Norden des Landes wurden Tiefsttemperaturen von bis zu minus 28,5 Grad gemessen. Im mährisch-schlesischen Industrierevier gilt seit Tagen Smog-Alarm.
Eis und Schnee behindern Verkehr in Italien - Zwei Züge blockiert
Eis und Schnee haben auch den Verkehr im Norden Italiens stark behindert. Zwei Züge, die von Mailand aus in den Süden fahren sollten, blieben fast die ganze Nacht über bei Forli in der Romagna stecken. Sie konnten erst am Morgen mit fast zehnstündiger Verspätung ihre Reise nach Pescara und Ancona fortsetzen. Danach teilte die Staatsbahn am Donnerstag mit, alle Zuglinien seien offen, gefahren werde jedoch nach einem „Schnee-Plan“ mit weniger Zügen.
Die Metropole Mailand wird mit reduziertem Flugplan angeflogen. In der Emilia-Romagna und in der Toskana waren mehrere Straßen geschlossen, nachdem sich Lastwagen quergestellt hatten. In einer Reihe von Gemeinden im Norden hatten Schüler erneut schulfrei.
An der südlichen Adria lag am Donnerstagmorgen Schnee, was dort sehr selten ist. In der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica wurden 27 Zentimeter gemessen. Einige Transitstraßen vom Inland Montenegros an die Küste sind gesperrt. Der Flughafen ist geschlossen. Auch die nördlich gelegenen kroatischen Küsten wurden vom Schnee getroffen.
Kältewelle auch in Athen - Schnee auf der Akropolis
Die Ausläufer der sibirischen Kälte haben auch Athen erreicht. Schneeflocken fielen auf den Akropolis-Hügel, doch der Schnee blieb dort bei etwa ein Grad Celsius nicht liegen. In einigen Vororten der griechischen Hauptstadt lag zeitweise eine etwa drei Zentimeter dicke Schneedecke auf den Straßen. In Athen schneit es nur alle paar Jahre.
Freiwillige Helfer versorgten dort und in anderen Städten Obdachlose mit warmen Getränken, Decken und Schlafsäcken, wie das Fernsehen berichtete. Allein in der 4,5-Millionen-Metropole Athen sind mehr als 20.000 Menschen obdachlos. Rund ein Drittel davon verloren wegen der schweren Finanzkrise in den vergangenen zwei Jahren ihr Zuhause.
In Nordgriechenland herrschten in der Nacht zum Mittwoch sogar Temperaturen von bis zu minus 15 Grad. Zahlreiche Schulen in Nord- und Mittelgriechenland blieben den zweiten Tag in Folge geschlossen. Viele Fährverbindungen fielen wegen stürmischer Winde in der Ägäis aus. Schnee fiel auch auf den Bergen und im hügeligen Hinterland von Kreta, berichtete der lokale Rundfunk ERA-Iraklion.
Heftige Schneestürme in Japan - Dutzende Tote
Doch auch jenseits von Europa herrscht strenger Winter. Die Japaner kämpfen mit heftigen Schneefällen und eisigen Temperaturen. Mehr als 50 Menschen sind nach amtlichen Angaben bereits bei Unfällen im Schnee ums Leben gekommen. In einem für heiße Quellen bekannten Badeort in der nördlichen Provinz Akita erfasste eine Lawine drei Menschen, wie örtliche Medien am Donnerstag berichteten. Die beiden Frauen und ein Mann starben bald darauf in einem Krankenhaus. Die Meteorologische Behörde warnte unterdessen vor weiteren schweren Schneefällen entlang der Japansee. Stellenweise türmte sich die weiße Pracht mehr als 4 Meter hoch.
Die meisten Todesopfer sind ältere Menschen, die beim Schneeräumen von den Dächern ihrer Häuser fielen. Da es in ländlichen Regionen oft an jungen Menschen fehlt, müssen viele Alte die harte Arbeit selbst verrichten. Die Schneefälle beeinträchtigten auch den Verkehr. Beim Betrieb der üblicherweise superpünktlichen Hochgeschwindigkeitszüge kam es zu Verspätungen.