Bayerns Bischöfe wollen entgegen der bisherigen Leitlinie in Zukunft enger mit der Justiz zusammenarbeiten und alle Verdachtsfälle melden.
Vierzehnheiligen/Berlin/Rom. Im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche wollen Bayerns Bischöfe enger mit der Justiz zusammenarbeiten und alle Verdachtsfälle melden. Die Staatsanwaltschaft könne solche Fälle besser aufklären, sagte der Münchner Erzbischof Reinhard Marx am Donnerstag zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung im oberfränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen.
Nach den bisher geltenden Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger kann die Kirche auf eine Anzeige verzichten, wenn die Opfer das nicht wollen. Diese Lücke sollte geschlossen werden, heißt es in der von Marx verlesenen Erklärung der Bischöfe: „Deshalb empfehlen die bayerischen Bischöfe einstimmig, bei der Überarbeitung der Leitlinien die Meldepflicht bei Verdacht von sexuellem Missbrauch und körperlichen Misshandlungen an die Staatsanwaltschaft festzuschreiben und sie unabhängig davon sofort zu praktizieren.“
Zollitsch nimmt Papst in Schutz
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat unterdessen Papst Benedikt XVI. gegen Vorwürfe in Schutz genommen, er schweige zum Missbrauchsskandal in Deutschland. „Ich weiß aus meinem Gespräch mit dem Papst, wie sehr ihn der Kindesmissbrauch durch Priester erschüttert, gerade auch in Deutschland“, schrieb der Freiburger Erzbischof in einem Gastbeitrag für die Zeitung „Die Welt“ vom Donnerstag. Allerdings habe sich Papst Benedikt bereits „unmissverständlich“ zu dem sexuellen Missbrauch durch katholische Geistliche geäußert. „Das schon Gesagte bewahrt sein Gewicht, wenn es nicht ständig wiederholt wird“, schrieb Zollitsch.
Schnell seien Forderungen in den Raum geworfen, der Papst müsse zum deutschen Problem Stellung beziehen, weil er Deutscher sei. Das sei ebenso kurzsichtig wie oberflächlich, kritisierte Zollitsch in der in Berlin erscheinenden „Welt“. „Bei der Mär vom schweigenden Papst wird übersehen, dass es nicht den Papst für Deutschland und nicht den Papst für Spanien gibt. Es gibt nur den einen Papst für die weltweite Kirche. Folglich muss Benedikt XVI. klug abwägen, wann er wo und zu wem was in welcher Form sagt.“
Zollitsch hatte den Papst am vergangenen Freitag über die Missbrauchsfälle an katholischen Einrichtungen in Deutschland informiert. Während der Vatikan keine Stellungnahme abgab, trat Zollitsch anschließend vor die Presse und erklärte, der Papst habe den Bericht „mit großer Betroffenheit und tiefer Erschütterung“ zur Kenntnis genommen. Seit Ende Januar sind weit mehr als hundert Missbrauchsfälle in den meisten der 27 deutschen Bistümer ans Licht gekommen. Auch in anderen Ländern wie Irland, den Niederlanden oder Österreich erschüttern Missbrauchsskandale die katholische Kirche.
Papst-Brief wird am Sonnabend veröffentlicht
Der Vatikan veröffentlicht am Sonnabend den Hirtenbrief von Papst Benedikt XVI. zum Missbrauchsskandal in der irischen Kirche. Erwartet wird, dass das Schreiben nicht nur den Missbrauch an tausenden Kindern in Irland aufgreift, sondern auch Konsequenzen für die katholische Kirche in Deutschland zieht. „Der Heilige Vater wird den irischen Katholiken, aber auch allen Episkopaten (Bischöfen) deutlich die nötigen Wege weisen, wie die Plage der Pädophilie in der Kirche ausgemerzt werden kann“, erläuterte am Donnerstag der Kurienkardinal José Saraiva Martins in Rom.
Benedikt hatte angekündigt, den seit langem erwarteten Brief an diesem Freitag unterschreiben zu wollen. „Meine Hoffnung ist, dass der Hirtenbrief euch hilft auf dem Weg der Reue, der Heilung und der Erneuerung“, hatte er betont. Im Vatikan hatte es geheißen, der Missbrauchsskandal im Heimatland des deutschen Papstes habe das Erscheinen des Hirtenbriefes an die irischen Bischöfe verzögert. Erwartet werden auch praktische Vorgaben des Papstes, wie solche Skandale in der Kirche künftig verhindert werden können.
Nach einem Bericht der römischen „La Repubblica“ soll es im Vatikan auch Vorbehalte gegen einen Brief allein an die irischen Bischöfe zum jetzigen Zeitpunkt gegeben haben: In der Kurie habe es angesichts der Ausweitung des Skandals in anderen Ländern Befürworter einer allgemeinen „Instruktion“ aus Rom an die gesamte katholische Kirche gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen gegeben. Der Hirtenbrief an die Iren war im Dezember als Reaktion auf den tausendfachen Missbrauch in der dortigen Kirche angekündigt worden.