Die evangelische Kirche bestätigte, dass kirchliche Mitarbeiter, die unter Missbrauchsverdacht stehen, sofort suspendiert werden.

Hannover. Bei Missbrauchsverdacht werden in der evangelischen Kirche betroffene kirchliche Mitarbeiter sofort suspendiert. Bei begründeten Anschuldigungen und Verdachtsmomenten wird Strafanzeige erstattet, wenn es noch keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gibt. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen für das kirchliche Vorgehen, die das Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Zusammenarbeit mit den Landeskirchen für den Umgang mit Fällen von Pädophilie, sexuellem Missbrauch Minderjähriger und Kinderpornografie bereits im Jahr 2002 festgelegt hatte. Diese Grundsätze wurden den Angaben zufolge Ende Februar 2010 von den Personalchefs der Landeskirchen als Handlungsmaxime bei Missbrauchsverdacht bestätigt.

+++ DOSSIER ZUM AKTUELLEN THEMA +++

Anschuldigungen und Verdachtsmomenten sei unverzüglich nachzugehen, wird in dem Text erläutert. Sofern staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nicht bereits im Gange sind, sei Strafanzeige zu erstatten. „Die Kirchenleitung muss eng mit den Justizbehörden kooperieren“, heißt es. Dazu gehöre ein ständiger Austausch von Informationen. Als notwendiger Schritt, der bei Anhaltspunkten zu einem Fall von sexuellem Missbrauch einer Strafanzeige vorausgehen soll, wird in den Leitlinien die Anhörung des möglichen Täters genannt. Zur Begründung wird auf mögliche Schadensersatzansprüche verwiesen, die beim Unterbleiben einer Anhörung aufgrund Verletzung der Fürsorgepflicht entstehen könnten.

Falls sich ein Opfer gegen eine Anzeige ausspricht, empfiehlt die EKD in ihren Leitlinien, das Interesse des Opfers abzuwägen. „Wegen des notwendigen Schutzes möglicher weiterer Opfer darf der Wille des Opfers aber nicht als ’Vetorecht’ gewertet werden.“

Mit Bezug auf das Zeugnisverweigerungsrecht von Seelsorgern heißt es, von Geistlichen im seelsorgerlichen Gespräch erlangte Kenntnisse unterlägen einem Verwertungsverbot. Allerdings sollten Seelsorger versuchen, den Täter zur Selbstanzeige und Opfer zu einer Strafanzeige zu bewegen.

Bei einem vorliegenden Missbrauchsverdacht müssten die betroffenen Mitarbeiter sofort suspendiert werden, ist in den Leitlinien festgehalten. Die Entfernung aus dem Dienst sei über ein Disziplinarverfahren oder eine Kündigung anzustreben. In Fällen von Pädophilie wird eine Versetzung mit Hinweis auf die Wiederholungsgefahr aufgrund einer psychischen Störung ausgeschlossen.

„Die Kirche muss auf die Opfer zugehen und ihnen signalisieren, dass sie sich um sie kümmert“, lautet ein weiterer Grundsatz für das kirchliche Vorgehen bei Missbrauchsfällen In Fällen mit mehreren Opfern sollte ein Notfalltelefon und therapeutische Hilfe durch Fachleute angeboten werden. Die Hinweise der EKD für den Umgang mit Fällen von Pädophilie und sexuellem Missbrauch aus dem Jahr 2002 wurden nun um den Aspekt „Kinderpornografie“ erweitert, der damals noch nicht im Blick war. Sie werden in allen Landeskirchen der EKD und deren Einrichtungen angewandt. Da die Landeskirchen in Personalangelegenheiten in eigener Kompetenz zu handeln hätten, beschränke sich das Papier auf Hinweise, um zu einem möglichst einheitlichen Vorgehen beizutragen, heißt es.