Zwei ehemalige Mitglieder des Knabenchors berichten von Übergriffen. Es habe eine “Terror- und Angstatmosphäre“ geherrscht.
Wien. Nach Missbrauchsfällen in der deutschen und österreichischen katholischen Kirche sind am Donnerstag auch Vorwürfe gegen die Wiener Sängerknaben erhoben worden. Zwei ehemalige Mitglieder des Knabenchors sagten in einem Vorabbericht der Wiener Tageszeitung „Der Standard“, sie seien Opfer sexueller Übergriffe geworden. Zudem hätten sie Misshandlungen von Mitschülern beobachtet. Den Verdacht auf Missbrauch gibt es auch beim Chor der Regensburger Domspatzen.
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Ein ehemaliger Wiener Sängerknabe beschrieb in der Zeitung sogenannte Duschrituale in Anwesenheit von Erziehern. Diese hätten den nackten Schülern laut Tipps zum Waschen der Genitalien gegeben. Während einer Konzertreise sei er im Alter von neun Jahren von einem älteren Schüler zu oralem Sex gezwungen worden, sagte der heute 33-Jährige.
Ein zweiter Schüler der traditionellen Gesangsschule sagte, er selbst sei von einem Kapellmeister belästigt worden. Auf einer Tournee in den USA habe er gesehen, wie ein Erzieher einem Kind, das nicht essen wollte, mit Gewalt den Mund aufgerissen und Essen hineingestopft habe, sagte der 51-Jährige gegenüber der Zeitung. Beide ehemalige Zöglinge sprechen von einer „Terror- und Angstatmosphäre“ und autoritären Strukturen. Sie hätten aus Angst vor dem politischer Einfluss ehemaliger Sängerknaben zu den Übergriffen geschwiegen. Die Vorwürfe betreffen Vorfälle in den 60-er und 80-er Jahren.
Der im 15. Jahrhundert gegründete Knabenchor besteht aus über 100 Kindern im Alter zwischen zehn und 14 Jahren. Sie leben in einem Internat in einem Palais im Wiener Augarten. Die Sängerknaben singen vor Publikum in Österreich und im Ausland - insgesamt kommen sie auf 300 Konzerte und Auftritte im Jahr.