Zwei neue Nachbeben der Stärke 4,8 und 4,9 versetzten erneut viele Menschen in dem Karibikstaat in Panik. Unterdessen läuft die Hilfe auf Hochtouren.
Port-au-Prince/New York/Hamburg. Die Erdbebenopfer in Haiti erhalten neun Tage nach der Katastrophe endlich internationale Hilfe. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hält die Anfangsprobleme der Helfer für überwunden. Bei einem Gottesdienst für die zehntausenden Toten in New York sagte Ban: „Ich weiß, dass es in den ersten Tagen gewisse Verzögerungen gab. Aber mittlerweile haben wir ein sehr effektives System aufgebaut, um Engpässe zu umgehen.“ Auch das Rote Kreuz erklärte, Hilfe komme nun an. Am Donnerstag erreichte ein erster Frachter mit Hilfsgütern den Hafen der Hauptstadt Port-au- Prince. Zwei neue Nachbeben der Stärke 4,8 und 4,9 versetzten allerdings erneut viele Menschen in dem Karibikstaat in Panik.
Am Mittwoch waren bei einem anderen schweren Nachbeben der Stärke 6,1 nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur 20 Menschen ums Leben gekommen, als ein bereits beschädigtes Gebäude über ihnen zusammenbrch. Helfer aus aller Welt arbeiten dennoch weiter rund um die Uhr bis zur völligen Erschöpfung. Russland entsandte acht weitere Ärzte und 15 Tonnen Medikamente, Nahrungsmittel und technische Geräte, sagte eine Sprecherin des Zivilschutzministeriums. Bisher arbeiten in Haiti 159 russische Ärzte, Psychologen und Retter.
Immer noch finden Retter Überlebende des Jahrhundertbebens der Stärke 7,0, bei dem womöglich bis zu 200000 Menschen starben. So konnten spanische Helfer eine 14-Jährige aus den Trümmern retten. UN- Nothilfekoordinator John Holmes zufolge sind bisher mehr als 120 Überlebende geborgen worden. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin werden noch drei Deutsche vermisst. Vermutlich starben demnach drei Bundesbürger, von denen zwei noch identifiziert werden mussten.
DRK schickt mobiles Hospital
Das Deutsche Rote Kreuz schickt am Donnerstag und Freitag von Berlin aus zwei weitere Hilfsflüge mit einem mobilen Hospital nach Haiti. Dort nahm bereits eine DRK-Gesundheitsstation die Arbeit auf. Pro Tag können in der im Osten von Port-au-Prince in Delmas stehenden Station 250 Patienten behandelt werden. „Es ist sehr gut zu sehen, dass die Hilfe beginnt, bei den Opfern anzukommen“, zitierte das Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) seinen Chef der Haiti- Operationen, Riccardo Conti. Wasser sei an vielen Ausgabestellen in der ganzen Stadt verfügbar, betonte er.
Nach UN-Angaben landen nun täglich 150 Flugzeuge in Port-au-Prince. Lufthansa Cargo und das Technisches Hilfswerk (THW) kündigten für Montag einen Sonderflug mit rund 75 Tonnen Hilfsgütern für Haiti an.
Ban macht Haitianern Mut
Ban betonte, die Haitianer müssten die Tragödie, so weit es geht, auch in eine Chance umwandeln. Die ganze Welt stehe hinter ihnen und helfe beim Aufbau des zerstörten Landes. „Ich weiß, was das für eine große Herausforderung ist. (...) Das Volk ist vereint und zusammen mit der internationalen Gemeinschaft werden wir diese Tragödie überstehen.“
Die Vereinten Nationen selbst waren von dem Beben schwer getroffen worden. Bis Donnerstag wurden 61 UN-Mitarbeiter tot geborgen. Jetzt würden noch 180 Männer und Frauen vermisst, sagte ein Sprecher. Wenige Tage zuvor galten noch 500 Mitarbeiter als vermisst, doch das wieder funktionierende Mobilfunknetz habe Klarheit über das Schicksal vieler Kollegen gebracht.
Der Generaldirektor der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO), Jacques Diouf, sagte in Rom, dass auch Haitis Landwirtschaft dringend Hilfe brauche. Im März beginne schon die Zeit, in der gepflanzt werden müsse. Haiti braucht jährlich eine Million Tonnen Getreide. Knapp zwei Drittel davon werden eingeführt.
IWF-Chef für eine Art Marshall-Plan
Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, forderte für Haiti Wiederaufbauhilfen nach dem Vorbild des Marshall-Plans. „Ich bin überzeugt, dass Haiti – das auf unglaubliche Weise von vielerlei getroffen wurde (...) – etwas Großes braucht“, sagte er am Mittwoch bei einem Besuch in Hongkong. Der Präsident des Nachbarlandes Dominikanische Republik, Leonel Fernández, hatte den Finanzbedarf Haitis in den kommenden fünf Jahren auf etwa zehn Milliarden Dollar (sieben Milliarden Euro) geschätzt.
UNICEF richtet in Port-au-Prince drei Schutzzentren für zunächst 900 Kinder ohne Eltern und Angehörige ein. „Wir gehen davon aus, dass Tausende Kinder im Katastrophengebiet auf sich gestellt sind“, sagte in Köln der Sprecher der deutschen Sektion des Kinderhilfswerks, Rudi Tarneden.