Japan will seine Energiepolitik ändern und unabhängiger vom Atomstrom werden. Der Betreiber Tepco soll stärker kontrolliert werden.
Tokio. Zwei Monate nach Beginn der verheerenden Natur- und Atomkatastrophe hat Japans Premier Naoto Kan eine Änderung der Energiepolitik angekündigt. Der Plan, den Anteil der Atomenergie von bisher rund 30 Prozent auf 50 Prozent bis 2030 aufzustocken, wird aufgegeben. Die Energiepolitik werde von Grund auf überarbeitet, sagte Kan am Dienstag. Das Land werde künftig mehr Gewicht auf erneuerbare Energien legen. Unterdessen beantragte der Betreiber der Atomruine von Fukushima, Tepco, offiziell Staatshilfe. Ohne die stehe Tepco schon bald vor dem Aus. Dies könne die Entschädigung der Opfer wie auch eine stabile Stromversorgung beeinträchtigen, hieß es.
Dass Tepco als Asiens größter Stromkonzern weiter funktionieren muss, ist nach Ansicht von Experten allein deswegen schon wichtig, damit der Großraum Tokio und damit das wirtschaftliche Zentrum Japans über den Sommer kommt. Für das laufende Geschäftsjahr benötige der Konzern allein zusätzlich etwa eine Billion Yen (8,6 Milliarden Euro) Staatshilfe, um Treibstoff für die Stromproduktion anzukaufen, heißt es in dem offiziellen Antrag des Unternehmens. Industrieminister Banri Kaieda forderte Tepco im Gegenzug zu weiteren harten Einschnitten auf, damit die Steuerzahler so gering wie möglich belastet und eine Anhebung der Stromgebühren vermieden wird.
Tepco kündigte an, seinen Managern die Gehälter noch weiter zu kürzen. Der Konzern hatte anfänglich geplant, seinen Vorstandsmitgliedern 50 Prozent der Bezüge zu kappen, 25 Prozent bei Mitarbeitern in Managerposten und 20 Prozent bei anderen Beschäftigten. Die Regierung forderte aber noch stärkere Maßnahmen.Tepco müsse „äußerste Anstrengungen“ zur Verschlankung des Managements unternehmen, sagte Industrieminister Kaieda. Zudem sollen unabhängige Experten in einem Untersuchungsausschuss die Finanzlage des Konzerns durchleuchten, um strikte Kostensenkungen zu bewirken.
Voraussichtlich Ende der Woche will der Staat über einen Entschädigungsplan für die Opfer der Katastrophe entscheiden. Ministerpräsident Kan hatte zuvor den Atombetreiber Chubu Electric Power erfolgreich aufgefordert, das Atomkraftwerk Hamaoka in Zentral-Japan vorsorglich abzuschalten , um einen weiteren Nuklearunfall bei einem neuen Erdbeben ähnlich dem vom 11. März zu vermeiden. Das Kraftwerk in der Region Shizuoka liegt in einer Erdbebenzone. Nun sollen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden.
Kan verzichtet derweil angesichts der andauernden Krise in Fukushima auf seine Zulage als Regierungschef. Er werde diese solange nicht annehmen, bis die Lage in der Atomruine unter Kontrolle sei, erklärte Kan am Dienstag. Kan forderte die Bevölkerung auf, Produkte aus der Unglücksregion zu kaufen, um die Menschen dort zu unterstützen. Bei dem Erdbeben der Stärke 9,0 und dem folgenden Jahrhundert-Tsunami am 11. März kamen mehr als 15. 000 Menschen ums Leben; rund 9900 Menschen werden noch immer vermisst. Rund 120.000 Menschen hausen weiter in Notunterkünften.