Hamburg. Die Hamburger sind im Millerntor-Stadion gegen den FSV Mainz 05 nicht effizient genug. Zwei Leistungsträger patzen böse.
Lothar Matthäus war herausgefordert. Nun ist ein ehemaliger Weltfußballer im Allgemeinen und der 63-Jährige im Speziellen mit dem Selbstvertrauen ausgestattet, jeden Wettbewerb mit links zu meistern, was am Millerntor gern gesehen wird. Aber ein Kreativduell mit Oke Göttlich, dem Präsidenten des FC St. Pauli und einem der einfallsreichsten Denker des Kiezclubs, das hat es schon in sich. Doch da standen sie nun, wie sich das Topspielsender Sky gewünscht hatte, der Experte und der Ex-Journalist, und sollten sich eine Schlagzeile ausdenken, die am Saisonende der Bundesliga auf die Hamburger zutrifft.
Matthäus wagte sich mutig in die Offensive wie einst zu aktiven Zeiten, prognostizierte, der Klassenerhalt der Braun-Weißen sei wahrscheinlicher als ein Aufstieg des Vereins der Stadt, „dessen Namen man in diesem Stadion nicht nennen darf“. Das Statement war schön in seiner Deutlichkeit, obwohl es sich wegen Länge und Sperrigkeit nicht als Schlagzeile eignet. Göttlich formulierte es prägnanter, wenngleich langweiliger: „Der FC St. Pauli steht über dem Strich“. Das 0:3 (0:2) am Sonnabendabend gegen den FSV Mainz 05 offenbarte aber mal wieder, dass dies eine Gratwanderung wird.
FC St. Pauli verliert deutlich gegen den FSV Mainz 05
„Wir sind nicht an unsere 100 Prozent gekommen. Mainz gezeigt, dass Fehler sehr schnell und hart bestraft werden“, sagte Innenverteidiger Hauke Wahl selbstkritisch. Torwart Nikola Vasilj bat sogar bei den Fans um Entschuldigung: „Wir haben von den Dingen, die wir in den vergangenen beiden Spielen gut gemacht haben, nichts gezeigt.“
Und das lag diesmal vor allem an individuellen Fehlern der Kiezkicker, die sie sich in aller Deutlichkeit hinten und in guter Regelmäßigkeit vorne erlaubten. Insbesondere wäre die Geschichte dieser Begegnung im Millerntor-Stadion anders erzählt worden, hätte es nicht diesen bösen Doppelschlag gleich zu Beginn gegeben. Weil passierte, was sonst eigentlich nie passiert: Zwei verlässliche Leistungsträger patzen jeweils böse, und das auch noch binnen elf Minuten.
Zunächst war es Torwart Vasilj, der womöglich bislang beste St.-Pauli-Spieler der Saison, der eine Flanke von Phillipp Mwene komplett falsch einschätzte und im luftleeren Raum auf den Ball wartete, den stattdessen der Mainzer Torjäger Jonathan Burkardt mit dem Hinterkopf über den Keeper bugsierte (5.).
Patzer von Nikola Vasilj folgt Fehler von Eric Smith
Das alles wäre zu verkraften gewesen – und wurde initial von den Gastgebern auch verkraftet, wie ein strammer Schuss von Kapitän Jackson Irvine knapp am Tor vorbei untermauerte (12.) –, hätte nicht Eric Smith, der Meister der schönen Bälle, einen ganz furchtbar hässlichen Ball aus dem Aufbau heraus in die Füße des 05ers Nadiem Amiri gepasst. Fixe Weiterleitung auf Armindo Sieb, diesmal ist Vasilj chancenlos (16.). 0:2.
So richtig blöd wurde das Ganze, weil die Mannschaft von Cheftrainer Alexander Blessin ansonsten die komplette Initiative übernahm. Die Rheinland-Pfälzer agierten weitaus unkreativer als Matthäus und Göttlich, beschränkten sich aufs Parken des Busses vor dem eigenen Tor und Kontern. Was dann auch planmäßig funktionierte.
Hamburger haben die Chancen, nutzen sie aber nicht
Zur Halbzeit hatten die Platzherren, denen Connor Metcalfe wegen Beschwerden der linken Adduktoren fehlte, bereits elf Torschüsse abgefeuert, wobei vor allem die von Johannes Eggestein (24.), Irvine (27.), Oladapo Afolayan (28.) und Manolis Saliakas (31.) auffielen. Die Effizienz, an der es in dieser Saison bis auf wenige Ausnahmen wie beim 3:0 in Freiburg mangelt, war gleich null.
Exakt so viele Bundesligaspiele hatten die St. Paulianer im Übrigen bislang nach einem Zwei-Tore-Rückstand zur Pause noch gewonnen. Dass die Statistik ausgebaut wurde, lag an der nun auch weitgehend ausbleibenden Effektivität nach vorn. Da konnte die Effizienz gar nicht erst zum Thema werden.
Mainz macht alles klar, Zuschauer am Millerntor feiern trotzdem
Wurde sie aber dennoch. Weil Mainz sich genau dadurch auszeichnete. Mit der dritten ernstzunehmenden Chance gingen die Rheinhessen 3:0 in Führung (62.). Diesmal verlor Afolayan den Ball am gegnerischen Strafraum an Maxim Leitsch, und dann ging es wieder ganz schnell. Sieb auf Amiri, der auf Burkardt. Schluss, Aus, Micky Maus.
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Die Zuschauer stellten ihre Unterstützung trotzdem nicht ein, sangen weiter, als sei nie etwas geschehen. Millerntor eben. Auf dem Platz wurde St. Pauli reichlich der Ball überlassen. Viel möglich war damit allerdings nicht mehr. Und dann war’s wirklich vorbei.
St. Pauli bleibt über dem Strich
Bleibt noch eine Frage zu klären: Wird Matthäus oder Göttlich am Saisonende die Nase vorn haben? Die große Antwort gibt es erst in 28 Spieltagen plus möglicher Relegation. Eine Indikation lieferte die Partie am Sonnabend aber bereits. Der Blick auf die Tabelle bewies am Abend einwandfrei: St. Pauli bleibt über dem Strich.
FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Wagner (63. Guilavogui), Treu (83. Ritzka) – Afolayan (63. Sinani), Eggestein (83. Banks), Saad (90. Albers).
FSV Mainz 05: Zentner – Kohr, Jenz, Leitsch – Caci, Sano, Amiri (83. Hong), Mwene – Sieb (65. Nebel), Lee – Burkardt (90. Weiper).
Tore: 0:1 Burkardt (5.), 0:2 Sieb (16.), 0:3 Burkardt (62.). Schiedsrichter: Dingert (Lebecksmühle). Zuschauer: 29.546 (ausverkauft). Gelbe Karten: – Sieb, Jenz (2), Kohr (5). Statistiken: Torschüsse: 17:8; Ecken: 2:2; Ballbesitz: 57:43 Prozent; Zweikämpfe: 84:91; Laufleistung: 126,0:122,9 Kilometer.