Hamburg. Beim 3:0 in Freiburg standen ausschließlich Spieler aus dem Aufstiegskader auf dem Platz. Sportchef erklärt die spezielle Strategie.

Am Montagabend sollte Elias Saad seinen nächsten großen Auftritt haben. Zwei Tage nach seiner Zwei-Tore-plus-Assist-Gala im Auswärtsspiel beim SC Freiburg (3:0) war der Flügelspieler des FC St. Pauli als Gast bei der Fußballtalkshow „At Broski“ eingeplant. Eigentlich. Denn im Gegensatz zu den Freiburger Verteidigern konnte der 24-Jährige eine heranfliegende Erkältung nicht ausdribbeln, musste seinen Auftritt mit Holstein-Kiel-Profi Timo Becker und HSV-Ikone René Adler kurzfristig absagen.

In Freiburg stand St. Paulis Shootingstar noch stellvertretend für eine ganze Reihe von Profis, die bereits zu Zweitligazeiten bei den Kiezkickern unter Vertrag standen und sich nun an das Bundesliganiveau anpassen müssen. Tatsächlich waren über das gesamte Spiel ausschließlich Profis aus dem Aufstiegskader auf dem Platz.

FC St. Pauli: Bornemann erklärt Transferstrategie

„Obwohl bis auf wenige Ausnahmen wie Johannes Eggestein kaum ein Spieler schon mal in der Bundesliga gespielt hatte, haben wir von Anfang an gesagt, dass unsere Aufstiegsmannschaft die Basis sein soll, die wir punktuell ergänzen wollten. Nach den Leistungen aus der Vorsaison hatte sich das Team dieses Vertrauen verdient, zudem ergibt sich die Stärke einer Mannschaft ist nicht nur aus der Summe der Qualitäten der einzelnen Spieler“, sagt Sportchef Andreas Bornemann, der im vergangenen Transfersommer ganz bewusst Minimalismus betrieb.

In Stürmer Morgan Guilavogui (RC Lens) und Mittelfeldspieler Robert Wagner (SC Freiburg) holte Bornemann nur zwei Leihspieler, die als potenzielle Stammkräfte eingeplant waren, zuletzt aber angeschlagen ausfielen. Hinzu kamen Rechtsverteidiger Fin Stevens (FC Brentford) und Torwart Ben Voll (Viktoria Köln), die zwar fest verpflichtet sind, als Herausforderer auf ihren Positionen aber bisher auf ihr Ligadebüt warten. Offensivspieler Scott Banks wurde zudem nach seiner Leihe fest verpflichtet.

Andere Aufsteiger verpflichten deutlich mehr Neuzugänge

Zum Vergleich: Mitaufsteiger Holstein Kiel verzeichnete im Sommer sieben Zugänge plus zwei Leihrückkehrer sowie elf Abgänge, darunter die bisherigen Leistungsträger Tom Rothe und Philipp Sander. Von den sieben Neuzugängen standen die Mittelfeldspieler Magnus Knudsen und Armin Gigovic sowie die Verteidiger Max Geschwill und Tymoteusz Puchacz in mindestens vier der bisher fünf absolvierten Ligaspiele auf dem Platz.

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St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann geht einen anderen Weg als andere Aufsteiger. © WITTERS | LeonieHorky

Auch in der vergangenen Saison kam es bei den Aufsteigern 1. FC Heidenheim und Darmstadt 98 zu größeren Umbrüchen, jeweils fünf Neuzugänge kamen auf mehr als 20 Bundesligaeinsätze. Während dieser Umbruch bei Heidenheim mit den neuen Leistungsträgern Eren Dinkci, Omar Traoré, Marvin Pieringer, Benedikt Gimber und Nikola Dovedan am Ende zur Qualifikation für die Uefa Conference League führte, stieg Darmstadt mit seinen Neuzugangs-Soforthilfen Christoph Klarer, Fabian Nürnberger, Bartol Franjic, Tim Skarke und Matej Maglica sofort wieder ab.

Bornemann legt Wert auf Homogenität im Kader

Für St. Pauli war ein derartiger Umbruch keine Option. „Der Erfolg muss bei uns über die Gruppe entstehen. Wir verfolgen einen gemeinsamen Ansatz, haben eine gemeinsame Idee, wie wir funktionieren wollen. Da geht es etwa darum, dass sich alle unseren Spielprinzipien und dem mannschaftlichen Erfolg unterordnen“, sagt Bornemann. „Wichtig ist bei so einer Homogenität zum Beispiel auch, dass es im Gehaltsgefüge keine riesigen Ausreißer gibt. Auf all solche Dinge achten wir bei der Kaderzusammenstellung.“

Mit Ausnahme des zum MLS-Club St. Louis City SC abgewanderten Marcel Hartel, dessen Position im zentralen Mittelfeld von Carlo Boukhalfa übernommen wurde, durfte bei St. Pauli gegen Freiburg die gesamte Aufstiegs-Startelf ran. Boukhalfa kommt dabei zugute, dass in der Bundesliga vermehrt defensive Attribute gefordert sind.

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Als die Kiezkicker in der vergangenen Saison unter Coach Fabian Hürzeler noch viele Gegner spielerisch dominierten, saß Boukhalfa hingegen meistens nur auf der Bank. Nach Abendblatt-Informationen dachte der 25-Jährige in dieser schwierigen Zeit auch über eine Leihe oder gar einen festen Wechsel nach, was Sportchef Bornemann aber ablehnte. Boukhalfa, dessen Vertrag im kommenden Sommer ausläuft, sollte bleiben – und wurde unter Blessin zu einem der größten Gewinner des Trainerwechsels.

Wie Elias Saad hofft nun auch Boukhalfa, der in Freiburg mit leichten Oberschenkelproblemen raus musste, am Sonnabend (18.30 Uhr, Millerntor) gegen Mainz mit den anderen Aufstiegshelden den nächsten großen Auftritt zu haben.