Hamburg. Das Heimspiel gegen Mainz 05 weckt Erinnerungen ans letzte Aufeinandertreffen. Wer alles danach nie mehr in der Bundesliga spielte.
Der 14. Mai 2011 war ein herrlicher Frühlingstag in Mainz. Von neun Grad am frühen Morgen stieg das Thermometer schon am Vormittag auf wohlige 22 Grad, erst am Nachmittag unterbrachen immer mal wieder ein paar Wolken den Dauersonnenschein. An eine nur kurze Unterbrechung ihrer Bundesligakarriere glaubten an jenem Sonnabend auch etliche Fußballprofis des FC St. Pauli, als sie im altehrwürdigen Mainzer Stadion am Bruchweg nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Guido Winkmann den Rasen verließen.
Als Bundesliga-Absteiger hatte das Team vom Millerntor schon vor der 1:2-Niederlage beim FSV Mainz 05 festgestanden. In jenem letzten Saisonspiel zog sich die noch ein letztes Mal von Holger Stanislawski trainierte Mannschaft vergleichsweise achtbar aus der Affäre. Es war zumindest eine kleine Rehabilitation für die 1:8-Schmach eine Woche zuvor gegen den FC Bayern München im Millerntor-Stadion.
Der FC St. Pauli musste 13 Jahre auf die Bundesliga-Rückkehr warten
Da an diesem Sonnabend (18.30 Uhr/Sky) der FC St. Pauli erstmals wieder in einem Pflichtspiel auf den FSV Mainz 05 trifft, werden die Erinnerungen an jene Tage im Mai 2011 wieder wach, als der fünfte und bisher letzte Bundesligaabstieg der Kiezkicker besiegelt wurde. „Wir hatten uns nach dem 1:8 gegen Bayern München als Mannschaft darauf eingeschworen, in Mainz noch einmal hart dafür zu kämpfen, dass wir uns anständig verabschieden“, berichtet heute der damals als Linksverteidiger eingesetzte Jan-Philipp „Schnecke“ Kalla (38). „Es waren ja auch viele St.-Pauli-Fans mit dabei. Gleichzeitig wollten wir dieses letzte Saisonspiel auch genießen.“
Die Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr in die Bundesliga erfüllten sich seinerzeit für St. Pauli und seine Fans nicht. Vielmehr sollte die Wartezeit von 13 Jahren die längste Periode zwischen einem Erstligaabstieg und dem nächsten Wiederaufstieg werden. Und so wurde jene Partie in Mainz nicht nur für das danach ausgediente Stadion am Bruchweg zur Bundesliga-Endstation, sondern auch für die Mehrzahl der damals eingesetzten St.-Pauli-Akteure.
Zehn von 14 eingesetzten St.-Pauli-Profis spielten nie wieder in der Bundesliga
Genau zehn der 14 zum Einsatz gekommenen Kiezkicker bestritten danach nie wieder ein Bundesligaspiel. Einer von jenen war der damals 24 Jahre alte Jan-Philipp Kalla, einer der jüngsten Spieler im gesamten Kader, der erst drei Jahre zuvor sein Profidebüt in der Zweiten Liga gegeben hatte und sich in den Jahren bis zum Sommer 2020 bei den Fans in den Rang eines „Fußballgotts“ spielte. Das Ganze nur eben nicht in der höchsten Spielklasse.
So blieb es in seiner Vita bei ganzen fünf Bundesligaspielen. „Einerseits habe ich damals gehofft, dass wir relativ schnell wieder aufsteigen und es nicht bei den fünf Bundesligaspielen bleibt. Andererseits aber war es bei meinem Werdegang zuvor auch nicht unbedingt abzusehen, dass ich überhaupt irgendwann mal in der Bundesliga spiele“, sagt der heute 38 Jahre alte Jan-Philipp Kalla, der heute als Markenbotschafter und Mitarbeiter der St.-Pauli-Rabauken sowie als Trainer des Frauenteams tätig ist, in der Nachbetrachtung seiner aktiven Karriere.
Max Kruse wurde zwei Jahre nach dem Abstieg Nationalspieler
„Diese fünf Spiele sind für mich etwas Besonderes“, stellt er klar. „Daher bin heute auch nicht traurig oder enttäuscht, dass es nur fünf geworden sind.“ Viele hätten vorher gar nicht damit gerechnet, dass er es überhaupt so weit bringt. „Vielleicht habe nicht mal ich selbst damit gerechnet“, gibt er zu.
Neben Kalla spielten nach jenem Spiel im Mainz auch seine damals eingesetzten Teamkollegen Marius Ebbers, Dennis Daube, Florian Bruns, Markus Thorandt, Fabio Morena, Ralph Gunesch, Marcel Eger, Petar Filipovic und Florian Lechner nie wieder in der Fußball-Bundesliga – Endstation Mainz. Gleiches galt für die nicht eingesetzten Benedikt Pliquett und Charles Takyi.
Lediglich Torwart Thomas Kessler und Matthias Lehmann sowie Fin Bartels und Max Kruse kehrten bei anderen Clubs ins Oberhaus zurück, Kruse wurde zwei Jahre später sogar Nationalspieler. Und auch der 90 Minuten auf der Bank schmorende Gerald Asamoah spielte später noch für Greuther Fürth im Oberhaus.
St. Paulis Kulttrainer Holger Stanislawski ging zur TSG Hoffenheim
Die finale Partie an jenem 14. Mai 2011 in Mainz aber markierte nicht nur für etliche Spieler das Ende ihrer Bundesliga-Karriere. Es war auch die Endstation für eine ganz besondere Mannschaft, die von Trainer Holger Stanislawski und seinem Co-Trainer Andre Trulsen, zuvor beide selbst legendäre St.-Pauli-Spieler, als verschworener Haufen von der Regionalliga Nord in die Bundesliga geführt worden war.
Bereits einige Wochen vor dem Saisonfinale hatte Stanislawski unter Tränen verkündet, dass er im Sommer zur TSG 1899 Hoffenheim wechseln werde. Seinen kongenialen Vertrauten André Trulsen nahm er ebenso wie Torwarttrainer Klaus-Peter Nemet gleich mit. Dazu verließen zwölf Spieler nach dem Abstieg den Club.
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„Die Stimmung nach dem Spiel war schon speziell“, erinnert sich Jan-Philipp Kalla an die Momente in der Kabine, in denen jedem bewusst wurde, dass es die Endstation einer besonderen Mannschaft sein würde. Vor allem der Abgang von Stanislawski und Trulsen bewegte ihn. „Für mich als Hamburger war es etwas ganz Besonderes unter dem Trainerteam Stani und Truller zu spielen. Sie waren bekannte Persönlichkeiten im Hamburg und waren mir schon lange bekannt, bevor ich Kontakt mit dem FC St. Pauli hatte“, sagt Kalla, der damals seinen ersten Trainerwechsel als Profi erlebte. Stanislawski wurde durch André Schubert ersetzt, der das Team ein Jahr später immerhin auf Rang vier der Zweiten Liga führte, aber im September 2012 nach etlichen internen Querelen gehen musste.
Auch Holger Stanislawski erinnert sich noch gut an das Spiel in Mainz an jenem Sonnabend im Mai. „Unsere Fans haben noch einmal ordentlich Stimmung gemacht und unserer ganzen Truppe einen positiven Abschied bereitet“, sagte er am Freitag dem Abendblatt.
St. Pauli strebt ersten Bundesliga-Heimsieg seit Februar 2011 an
„Schon in den Wochen vor dem letzten Spiel habe ich die ganze Reise mit dieser Mannschaft noch einmal Revue passieren lassen und hatte dabei sehr viele positive Gedanken. Es war schon großartig, was wir auf die Beine gestellt haben und welchen Spaß wir auch hatten“, sagt er weiter. „Ich denke, es war insgesamt die schönste Zeit meiner Zeit im Fußball“, stellt Stanislawski fest, der seit zehn Jahren Geschäftsführer des Rewe-Marktes in der Dorotheenstraße in Winterhude ist.
Das Spiel an diesem Sonnabend gegen Mainz 05 kann nun wieder ein historischer Meilenstein werden. Wenn St. Pauli gewinnt, wäre es der erste Bundesliga-Heimsieg seit dem 12. Februar 2011, als Borussia Mönchengladbach im Millerntor-Stadion mit 3:1 bezwungen wurde. Danach gab es vier Tage später noch den unvergessenen 1:0-Sieg im Volksparkstadion im Stadtderby beim HSV und dann zwölf sieglose Spiele mit nur noch einem Punktgewinn in Wolfsburg. Es war eine beispiellose Negativserie, die zum direkten Abstieg führte und ihre Endstation mit eben jenem 1:2 in Mainz fand.
FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Irvine Metcalfe, Treu – Afolayan, Eggestein, Saad. FSV Mainz 05: Zentner – Kohr, Jenz, Caci – Widmer, Sano, Amiri, Mwene – Nebel, J.-S. Lee – Burkardt. Schiedsrichter: Dingert (Lebecksmühle).