Hamburg. In Muhammad Dahaba und Marwin Reiner Schmitz trainieren zwei Teenager bei den Profis. Ihre Perspektiven und wer dahinter folgt.
Sich einen Kindheitstraum mit 17 Jahren zu verwirklichen, können die Wenigsten behaupten. Der von Marwin Reiner Schmitz ging am 24. Juli in Erfüllung. Das erste Tor im Profibereich, zum 1:0 in der 87. Minute, im Test gegen Olympique Lyon, und dann auch noch ein malerischer Schlenzer aus 20 Metern. Nun zu schreiben „mehr geht nicht“, wäre allerdings ein Albtraum für Schmitz. Denn der defensive Mittelfeldspieler will mehr beim FC St. Pauli, viel mehr. Das eint ihn mit Muhammad Dahaba (19), dem zweiten Teenager, der regelmäßig beim Bundesligisten mittrainiert.
Nachdem Eric da Silva Moreira (18) im Sommer für rund 1,5 Millionen Euro plus künftige Boni zu Nottingham Forest nach England wechselte, sind die beiden die momentan aussichtsreichsten Talente des Kiezclubs. Noch besser: St. Pauli hat sie bis 2026 (Schmitz) und 2027 (Dahaba) gebunden, hat es also selbst in der Hand, sie im eigenen Kader aufblühen zu lassen und bei entsprechender Anfrage zu vergolden.
Muhammad Dahaba und Marwin Schmitz sind die Toptalente des FC St. Pauli
Mit Dahaba verlängerten die Hamburger erst im Sommer, mit dem klaren Plan, den physisch imposanten Deutsch-Gambier sukzessive an die erste Mannschaft heranzuführen. Daher lehnte der Innenverteidiger, wie zu hören war, eine konkrete Anfrage eines etablierten Drittligisten sowie eine aus Italien ab. Cheftrainer Alexander Blessin schätzt den Abräumer – zuletzt jedoch mit Abstrichen.
Den 51-Jährige soll die mitunter wilde und teilweise zu sture Spielweise des selbstbewussten Dahabas ärgern, wenn dieser einen Fehler, auf den erst explizit hingewiesen wurde, ein paar Tage später erneut begeht. Problematisch ist all das noch nicht. Blessin ist sich der Jugendlichkeit seines Rohdiamanten sehr wohl bewusst. „Er wird seinen Weg gehen“, sagt ein früherer NLZ-Chefcoach dem Abendblatt über Dahaba.
Schmitz hat auf seiner Position keine unmittelbar ältere Konkurrenz
Schmitz war zuletzt dennoch der intensiver in die Einheiten eingebundene Youngster. Beim Test gegen Atalanta Bergamo hat er seine erste Millerntor-Erfahrung gesammelt, eine Kadernominierung für die Bundesliga noch in dieser Saison ist für den U-23-Stammspieler nicht ausgeschlossen.
Im defensiven Mittelfeld hat Schmitz, dessen Technik und Antritt herausstechen, eine Perspektive bei St. Pauli. Auf dieser Position befinden sich keine Spieler unmittelbar älterer Jahrgänge vor dem 2007 geborenen Hamburger – sondern mit Kapitän Jackson Irvine der vermutlich beste Lehrmeister.
Philipp Treu lobt die Talente: „Bringen genau das, was wir von ihnen wollen“
Die Mannschaft hat die Teenager längst aufgenommen, goutiert den physischen Einsatz. „Sie sind eklig in den Zweikämpfen und fügen sich gut ein. Genau, was wir von ihnen wollen“, lobt Außenverteidiger Philipp Treu. Dass beide hart im Nehmen sind und nach dem Training nicht über Wehwehchen jammern, sei ebenfalls positiv aufgefallen.
Die auffälligen Talente des Kiezclubs beschränken sich aber nicht auf das Duo. Das Abendblatt hat beim Global Soccer Network (GSN) nachgefragt, welche Nachwuchsakteure außerdem auf dem Sprung sind. Die Antwort: Eine Menge, wenngleich ein Überflieger wie da Silva Moreira nach derzeitigem Stand – der sich im Jugendfußball schnell ändern kann – laut Zahlen nicht darunter ist.
Tim Hoffmann hat viel Potenzial, spielt momentan aber wenig
Besonders interessant ist die Personalie Tim Hoffmann. Der 18-Jährige verfügt über einen GSN-Index von 48,83 (guter Drittligaspieler) und einen möglichen von 61,86 (unterdurchschnittlicher Bundesligaspieler). St. Pauli ist überzeugt vom offensiv kreativen Mittelspieler, der kaum noch in der U 19, sondern primär der U 23 auflaufen soll.
In der Regionalliga kam der neunmalige U-17-Nationalspieler bislang jedoch lediglich am ersten Spieltag für 60 Minuten zum Einsatz. Nach Abendblatt-Informationen sollen einige Nachwuchsleistungszentren anderer Erstligisten nur darauf warten, dass Hoffmanns Vertrag im kommenden Sommer ausläuft. St. Pauli würde ihn dann ablösefrei verlieren.
Wer Nachwuchsakteure der Kiezkicker den Durchbruch schaffen können
Das größte Potenzial aus Datensicht besitzt Mika Finner (17), ein Torhüter klassischer Bauart. Sein aktueller GSN-Index liegt bei 45,88 (guter Regionalligaspieler), der potenzielle bei 64,32 (solider Bundesligaspieler). Gleiches gilt für seinen Keeperkollegen Juri Behr (18/Index: 49,01/Potenzial: 62,45), einem eher mitspielenden Torhüter.
Dem Deutsch-Polen Max Herrmann (19) wird ebenfalls Erstliganiveau (62,03) bescheinigt, in der zweiten Mannschaft St. Paulis ist der Zehner, der im Sommer vom VfL Wolfsburg kam, Stammspieler, jedoch meistens in der Jokerrolle. Zwei Vorlagen steuerte Herrmann dennoch bei. An der Schwelle, Bundesliga-Niveau zu erreichen, kratzen laut GSN die 17 Jahre alten Innenverteidiger Farid Dibamba (47,36/60,70), Joel Addo (46,17/60,54) sowie der zwei Jahre ältere Torjäger Isma Adam (48,25/60,45).
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Mit seinem Stürmerprofil richtig interessant werden könnte Noah Palapies. Der kopfballstarke 17-Jährige ist Topscorer der U 19 und ein weiterer St. Paulianer, der seinem Kindheitstraum nachjagt.