Hamburg. Die Kiezkicker sind nach zwei Spieltagen noch ohne Punkt und Tor. Woran die Hamburger in der Länderspielpause arbeiten müssen.

Am Wochenende nahmen einige Spieler des FC St. Pauli Abschied von der Bundesliga. Keine Sorge – nur räumlich und vorübergehend. Vielleicht tun den sieben Nationalspielern ihre Länderspielreisen aber gar nicht schlecht. Besonders bunt wird es für Elias Saad, der mit Tunesien gegen Madagaskar und Gambia antritt – oder auch für Jackson Irvine und Connor Metcalfe, die mit Australien Bahrain empfangen und in Jakarta auf Indonesien treffen. Das 0:1 bei Union Berlin vom vergangenen Freitagabend? Dürfte bei diesem Programm schnell verdrängt sein.

Für die Daheimgebliebenen steht nach zwei Niederlagen ohne eigenes Tor aber die Aufarbeitung dessen auf dem Programm. „Die Pause ist auf der einen Seite gut, weil wir an den Dingen arbeiten können, die besser werden müssen. Auf der anderen Seite hat man das Gefühl, dass man die Niederlage lieber schnell wieder gutmachen möchte“, sagte Adam Dzwigala, der an der Alten Försterei noch die besten Torchancen der Kiezkicker hatte – als Innenverteidiger, wohlgemerkt.

St. Pauli strahlte im 3-5-2-System nur wenig Torgefahr aus

Trainer Alexander Blessin hatte bereits vor einigen Wochen betont, dass er die ersten Pflichtspiele noch mit zur Vorbereitung zähle. Als Grund dafür hatte der 51-Jährige vor allem die Systemumstellung vom 3-4-3-Ballbesitzfußball der vergangenen Aufstiegssaison zum 3-5-2-Umschaltfußball der neuen Spielzeit angeführt.

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Trainer Alexander Blessin war vor allem mit dem Standardverhalten beim Gegentor unzufrieden. © WITTERS | OttmarWinter

Wie sehr das neue Spiel der Kiezkicker noch hakt, war am Freitagabend in Köpenick zu beobachten. „Wir haben die erste Linie gut überspielt. Das Problem war, gegen den tiefstehenden Gegner Räume zu finden“, sagte Blessin, der erst in der letzten halben Stunde auf das 3-4-3 umgestellt und auch die gefährlichen Flügelspieler Saad und Oladapo Afolayan gebracht hatte.

In beiden Spielen deutlich mehr Ballbesitz

Die Frage, wieso er nicht von Beginn an darauf gesetzt hatte, musste sich der 51-Jährige stellen lassen. „Mir war es wichtig, dass wir in der Struktur stabil stehen. Das war bisher hervorragend gut und deshalb wollte ich daran nichts ändern“, antwortete Blessin. „Elias und Dapo sind sehr wichtig und für mich eigentlich auch keine Bankspieler.“

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Union-Präsident Dirk Zingler

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Eigentlich ist ein gutes Stichwort – denn eigentlich hatte St. Pauli auch damit gerechnet, in der Bundesliga weniger Ballbesitz zu haben. Sowohl in Berlin (60 Prozent) als auch in der Woche zuvor beim 0:2 gegen Heidenheim (61 Prozent) war das nun aber nicht der Fall. War das 3-5-2 also ein taktischer Fehler?

Blessin wollte mehr Tiefenläufe der Achter

„Das 3-5-2 ist mehr in die Tiefe ausgerichtet. Wenn man aber ein Tor bekommt und einem die Tiefe genommen wird, ist es natürlich schwierig. Deshalb haben wir auch auf das 3-4-3 umgestellt, das gegen einen tiefstehenden Gegner natürlich besser funktioniert, weil man die Breite und die Eins-gegen-eins-Spieler braucht“, sagte Stürmer Johannes Eggestein. Blessin selbst erklärte, dass er sich Tiefenläufe der Achter und höhere Außenverteidiger gewünscht hatte, um im 3-5-2 für Torgefahr zu sorgen. Eigentlich.

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Die Spieler des FC St. Pauli waren nach dem Spiel sichtlich enttäuscht. © IMAGO/Jan Huebner | IMAGO/Michael Taeger

Hinzu kommt, dass die Kiezkicker in der Kadertiefe offenbar – wenn man von Saad und Afolayan absieht – nicht über ausreichend individuelle Qualität verfügen. Als Innenverteidiger Eric Smith als zentraler Mann im Spielaufbau mit Adduktorenproblemen raus musste, kam in Dzwigala zwar ein resoluter Verteidiger, aber spielerisch kein ebenbürtiger Ersatz.

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Auf dem Transfermarkt hatten sich die Hamburger dazu entschlossen, kurz vor dem Ende der Wechselfrist nicht mehr tätig zu werden. Im zentralen Mittelfeld, wo man sich vergeblich um eine Rückkehr von Unions Aljoscha Kemlein bemüht hatte, herrscht nun verminderter Konkurrenzdruck. Danel Sinani und Erik Ahlstrand etwa, die jeweils für eine der beiden Achterpositionen infrage kommen würde, schafften es am Freitag nicht mal in den Kader.

Erneutes Gegentor nach einer Standardsituation

Ein weiteres Problem, das die Hamburger beheben müssen, ist ihre Standardschwäche. Wie bereits gegen Heidenheim kassierten die Kiezkicker ein vermeidbares Gegentor nach einem Eckstoß. Während gegen Heidenheim noch Torwart Nikola Vasilj seinen Fünfmeterraum nicht im Griff hatte, ließen die Kiezkicker in Berlin den Rückraum völlig unbesetzt.

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„Es ist total ärgerlich“, sagte Blessin. „Wir müssen die dummen Gegentore abstellen.“ Unions Benedict Hollerbach traf den Ball an der Strafraumkante perfekt, Karol Mets fälschte ihn unhaltbar ab. „Gegentore nach Standards haben auch mit Konzentration zu tun. Wir waren zu spät, um den Schuss zu blocken“, kritisierte auch Dzwigala.

Nach zwei trainingsfreien Tagen trifft sich das Team erst am Dienstag wieder zum Training, auf Testspiele verzichtet der Coach in dieser Länderspielpause. Stattdessen sollen Abläufe geübt werden. „Wir haben die Spieler für das System da. Jetzt müssen noch die letzten paar Prozent besser werden, dann kommen auch die Punkte“, sagte er. Damit St. Pauli nicht wirklich Abschied von der Bundesliga nehmen muss.