Weltrekordler Paul Biedermann trifft in London nicht auf Michael Phelps - und vermisst den Rekord-Olympiasieger aus den USA bereits.
London. Wirklich glauben will Paul Biedermann noch nicht an den Rückzieher seines Lieblingsgegners Michael Phelps. „Ich warte erstmal den Vorlauf ab, dann wird man sehen, ob er am Start ist oder nicht“, sagt der Schwimm-Weltrekordler. Der Rekord-Olympiasieger aus den USA hat angekündigt, bei den Spielen in London auf die 200 m Freistil und damit auf das Duell mit seinem deutschen Rivalen zu verzichten.
Ein starker Gegner weniger, könnte Biedermann denken. Doch dem deutschen Vorzeigeschwimmer, der bei seinem Weltrekordrennen 2009 in Rom den übermächtigen Phelps vom Thron stieß, wäre das Wiedersehen mit dem Superstar lieber. „Man muss natürlich sagen: Ein Rennen mit Michael Phelps ist immer etwas Besonderes“, sagt der 25-Jährige.
+++ Steffen und Biedermann: Das Paar der Hoffnung +++
Schließlich machte der überraschende Triumph vor drei Jahren Biedermann selbst zum Star. Bei der WM 2011 schlug der Hallenser dann als Dritter knapp hinter Phelps an, während dessen Landsmann Ryan Lochte siegte. Diese Reihenfolge hätte die deutsche Medaillenhoffnung gerne wieder umgedreht.
Auch sein Trainer Frank Embacher sieht das „No“ des Amerikaners mit einem weinenden Auge. „Es wäre schade“, sagt er, hält aber eine kurzfristige Meinungsänderung nicht für unmöglich. „Wir hoffen noch, dass der Trainer das als Knaller bringen will, sodass alle sagen: Jetzt ist er doch dabei, jetzt haben wir alle Angst. Das würde bei Paul genau das Gegenteil auslösen. Er würde sich freuen, wenn der Herr Phelps antritt.“
Dem US-Star und seinem Trainer Trainer Bob Bowman sei alles zuzutrauen. „Amerika hat da eine etwas andere Stellung“, meint Embacher augenzwinkernd, „die können noch auf dem Startblock wechseln.“ Ohne den Rekord-Olympiasieger, der sich auf seine anderen Strecken konzentrieren will, verliert das in den vergangenen Monaten so hochgejazzte 200-m-Finale am kommenden Montag viel von seiner Bedeutung, auch wenn Biedermann betont: „Im Prinzip wäre es dann nur ein Konkurrent weniger unter sehr, sehr vielen, aber natürlich einer der namhaftesten.“
Bevor er am Montag „das perfekte Rennen“ schwimmen will, geht Biedermann schon am Samstag mit Medaillenhoffnungen an den Start. Über 400 m Freistil will der 25-Jährige „möglichst schneller sein als in Shanghai“, wo er vor einem Jahr WM-Bronze gewann. Doch es könnte auch ein böses Erwachen geben, denn er muss am Morgen als Erster der Favoriten ins Becken. „Paul muss schon im drittletzten Vorlauf ran, er muss vorlegen. Da kann man auch mal schnell rausrutschen“, sagt Embacher.
Wo genau er kurz vor dem ersten Olympia-Rennen steht, weiß Biedermann selbst nicht. „Das weiß ich immer erst nach dem ersten Start. Aber ich habe natürlich eine Ahnung“, sagt er. Mit seinen Zeiten bei der EM vor zwei Monaten, als er über 200 und 400 m sowie mit der 4x200-m-Staffel Gold holte, war er überhaupt nicht zufrieden. Die Weltrangliste weist ihn über 200 m nur als Siebten und über die doppelte Distanz als 15. aus.
Was möglich ist, rechnet sein Trainer vor. „Ich hoffe, wir haben pro Wende zwei Zehntel gegenüber Shanghai gut gemacht“, sagt Embacher. Über 200 m bedeute das: „Wir haben uns sechs Zehntel gegenüber den anderen verbessert. Das ist das, was man schwimmen muss, um eine Medaille zu kriegen.“
Über die längere Strecke am Samstag ist die Konkurrenz nicht ganz so groß, in der Spitze aber extrem stark. Der chinesische Doppel-Weltmeister Sun Yang führt die Jahresweltbestenliste deutlich vor der Konkurrenz um Titelverteidiger Park Tae Hwan aus Südkorea an und war im vergangenen Jahr schon bis auf auf 22 Hundertstel an Biedermanns Weltrekord (3:40,07) herangekommen.
Diese Marke aus der Zeit der Hightech-Anzüge könnte am Samstag fallen, glaubt Biedermann: „Diese Möglichkeit besteht immer in so einem hochkarätigen Rennen. Ich werde mich dem stellen.“ Embacher geht sogar „stark davon aus“, dass die Bestzeit nicht Bestand hat: „Ich glaube, dass der Rekord über 400 m wackelt. Der über 200 ist noch relativ stabil“ - egal, ob mit oder ohne Michael Phelps.