Hamburg. Der HSV kann auch unter dem neuen Trainer zu Hause nicht gegen Darmstadt gewinnen und ist nach dem 2:2 Siebter.
Merlin Polzin sorgte für einen Lacher, als er auf dem Pressepodium im Volksparkstadion ein paar sympathische Worte an Darmstadts Trainer Florian Kohfeldt richtete. „Bis bald“, sagte der 34 Jahre alte Interimstrainer des HSV zu seinem acht Jahre älteren Kollegen nach dem leistungsgerechten 2:2 (2:1) beider Mannschaften.
Wollte Polzin damit etwa seine Ambitionen kundtun, mehr als nur ein Interimstrainer zu sein? Allzu viel sollte man in seine Aussage sicherlich nicht hineininterpretieren. Und trotzdem hat der Bramfelder eine reelle Chance, den HSV als Trainer in die Rückrunde zu führen, in der er dann auch wieder auf Kohfeldt treffen würde.
HSV: Was bedeutet das 2:2 für Polzin?
Um weiter im Amt zu bleiben, muss Polzin eine Entwicklung in den restlichen beiden Hinrundenpartien unter Beweis stellen. Im Anschluss will Sportvorstand Stefan Kuntz über die Trainerfrage entscheiden. Das Unentschieden gegen Darmstadt wirkte wie ein Dämpfer im Aufstiegskampf.
Mit 24 Punkten nach 15 Spielen hinkt der tabellarisch von Platz zwei auf Rang sieben zurückgefallene HSV seinem intern ausgerufenen Zwei-Punkte-Schnitt sechs Zähler hinterher. So wenig Punkte hatten die im siebten Jahr in der Zweiten Liga spielenden Hamburger noch nie zu diesem Zeitpunkt der Saison.
Klar ist aber auch, dass gegen Darmstadt nicht mehr als dieser eine Punkt verdient gewesen wäre. Das Ergebnis wirkt nur deshalb auf den ersten Blick zu wenig, weil der HSV nur einen Sieg in den vergangenen sechs Ligaspielen geholt hat und dadurch seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird.
Darmstadt in vielen Werten besser als HSV
Für Polzin war die Partie am zweiten Advent aber nicht nur eine normale Punkteteilung. Es war zugleich sein emotionales Heimdebüt als Trainer. „Natürlich ist es für mich eine besondere Situation, die für mich aber weniger entscheidend war“, sagte er. „Wenn ich merke, wie die Tribünen mitgehen und die Jungs auf dem Platz unterstützt werden, dann ist es etwas Besonderes.“
Besonders war es auch für den HSV, mit Darmstadt auf eine Mannschaft zu treffen, die deutlich mehr Ballbesitz hatte. 54 Prozent hatten die Gäste das Spielgerät am Fuß. Die Lilien schossen häufiger aufs Tor (13:9), hatten den besseren xGoals-Wert (2,33 zu 1,98) und liefen zwei Kilometer mehr. „Wir waren bis zur 70. Minute die klar bessere Mannschaft und führen in allen relevanten Statistiken“, sagte Kohfeldt. „Wir hätten den Sieg mehr verdient als der HSV.“
Polzin sprach dagegen von einem „leistungsgerechten Remis“. In der Nachspielzeit hätte Davie Selke das 3:2 erzielen müssen. Kurz zuvor war es allerdings Torhüter Daniel Heuer Fernandes, der seine Elf mit zwei starken Paraden gegen Nürnbergers Freistoß und Vilhelmssons Nachschuss (89.) vor einer Niederlage bewahrte. Dank der Tore von Ransford Königsdörffer (10.) und Adam Karabec (45.) war der HSV zweimal in Führung gegangen.
HSV-Tor sorgt für Diskussionen
Strittig war allerdings die Entstehung beim 2:1. Darmstadt monierte ein vorangegangenes Foul von William Mikelbrencis gegen Fraser Hornby. Doch den Freistoß bekam wenig später der HSV. Und der führte diesen in Person von Daniel Elfadli schnell aus mit einem Pass auf Karabec, der den Ball in den Winkel schlenzte.
Schiedsrichter Eric Weisbach hatte die Pfeife kurzzeitig zum Mund geführt und überlegt, den Freistoß zurückzupfeifen. Letztlich pfiff er aber nicht und ließ weiterspielen. Eine vom Regelwerk her korrekte, von der Körpersprache jedoch unglückliche Entscheidung des Unparteiischen. Kohlfeldt nannte die Szene deshalb „mehr als fragwürdig“, Weisbach habe seiner Ansicht nach „fachlich falsch entschieden“.
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HSV-Trainer Polzin schützt Mikelbrencis
Nicht nur wegen dieses Traumtors von Karabec wäre für den HSV mehr drin gewesen als ein Punkt. So bleibt es fraglich, warum der bereits in der ersten Hälfte überfordert wirkende Mikelbrencis über die gesamte Spieldauer zum Einsatz kam. Polzin verzichtete auf eine Auswechslung des jungen Franzosen, der schließlich beim zweiten Gegentreffer patzte, als er unter den Ball durchsprang und Killian Corredor ein leichtes Spiel ermöglichte (63.).
„Für mich ist weniger der Fehler entscheidend, der zum Gegentor führte. Der Junge weiß selbst, dass er diese Situation deutlich besser verteidigen kann“, sagte der HSV-Coach. „Für mich war wichtig, wie die Mannschaft danach reagiert und ihn wieder aufgebaut hat. Im Vordergrund steht, wie wir zurückgekommen sind.“
Es ist genau diese schützende Art, die Polzin so beliebt in der Mannschaft macht. Deshalb überrascht es nicht, dass sich die Spieler geschlossen positiv über seine mindestens bis zur Winterpause geltende Beförderung freuten. „Die frühzeitige Kommunikation war ein starkes Zeichen vom Verein“, sagte Kapitän Sebastian Schonlau, der beim 1:1 den Arm von Torschütze Aleksandar Vukotic im Gesicht spürte. „Merlin bringt Ruhe rein und das ist in unserer Situation sicher nicht das schlechteste.“