Hamburg. Der Sportvorstand sorgte mit seiner Kritik nach dem 2:4 in Elversberg für Aufsehen. Für Kuntz ging es vor allem um einen Punkt.

Jonas Boldt war seit seinem Aus als Sportvorstand im Mai noch nicht wieder bei einem Spiel des HSV im Volksparkstadion zu Gast. Der langjährige Manager verfolgt das Geschehen rund um den Zweitligisten aber noch immer aufmerksam. Insofern dürfte sich Boldt am Sonnabend an sein erstes Jahr beim HSV erinnert haben, als er die Aussagen seines Nachfolgers Stefan Kuntz sowie Trainer Steffen Baumgart nach dem 2:4 bei der SV Elversberg gehört oder gelesen hat. Insbesondere die Sätze von Kuntz bei Sky hatten es in sich. Der 61-Jährige bemängelte die fehlenden Basics, vermisste die Führungsspieler und kritisierte die ausbleibende Entwicklung seiner Profis in den typischen Zweitligaspielen.

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„Ohne Zweikämpfe und Körperkontakt kann man kein Fußballspiel gewinnen“, hätte Kuntz in Elversberg sagen können. Sagte aber Jonas Boldt vor fünf Jahren nach einer 1:2-Niederlage beim Aufsteiger VfL Osnabrück. Auch der damalige Trainer Dieter Hecking kritisierte die fehlenden Grundtugenden. „Wir müssen lernen, dreckig zu werden. Wir sind zu lieb, zu nett, zu brav“, sagte Hecking. „Nach 20 Minuten haben wir gedacht, dass wir hier ein bisschen Primaballerina spielen können. Das geht so nicht.“

Führungsspieler-Debatte ist beim HSV nicht neu

Am Ende der damaligen Saison brach der HSV komplett ein. Hecking musste gehen und Boldt setzte als Konsequenz auf fehlende Typen und Führungsspieler auf eine neue Teamstruktur mit Säulenspielern sowie Trainer Daniel Thioune. Doch auch dieser Versuch ging schief. Wieder baute Boldt eine neue Führungsachse auf. Sebastian Schonlau, Jonas Meffert und Robert Glatzel kamen 2021 unter Trainer Tim Walter als neue Achse, dazu wurde Daniel Heuer Fernandes wieder die Nummer eins im Tor.

Drei Jahre später ist Boldt nicht mehr da, der HSV aber noch immer Zweitligist. Die Führungsachse aus Heuer Fernandes, Schonlau, Meffert und Glatzel ist noch die gleiche, doch auch die Problematik in Spielen bei kleinen Clubs mit kleinen Stadien ist bis heute geblieben. Auch deswegen redete Kuntz schon nach dem zehnten Spiel Tacheles. „Wo war der Führungsspieler? Wo waren die Spieler, die länger hier sind? Warum kriege ich es nicht endlich mal hin, wenn es genauso läuft, wie es keiner haben will, dann endlich mal meinen Charakter zu drehen und etwas anders zu machen? Das wäre ein Zeichen von Entwicklung“, schimpfte Kuntz und eröffnete damit auch eine Debatte um die Führungsspieler, die nun schon im vierten Jahr beim HSV in der Zweiten Liga dabei sind.

Kuntz sorgte mit seinen Aussagen für eine große Aufmerksamkeit. Nicht in all seinen Inhalten fühlte sich der Ex-Profi nach Abendblatt-Informationen richtig verstanden. So wollte er mit seinen Sätzen seine Mannschaft nicht in alte und neue Spieler zerteilen und den Eindruck erwecken, dass nur die von ihm verpflichteten Spieler die nötige Mentalität mitbringen.

Kuntz vermisste in Elversberg Entwicklung durch Erfahrungswerte

Kuntz ging es vor allem darum, dass mehrere Spieler schon vor einem Jahr beim 1:2 in Elversberg die Erfahrung gemacht hatten, was es bedeutet, an diesem Standort zu spielen. Trotzdem hätten sich Spieler wie Meffert, Ludovit Reis, Jean-Luc Dompé oder Ransford Königsdörffer nicht gemeinsam gegen die in Halbzeit zwei immer stärker werdenden Elversberger aufgelehnt. Kuntz erwartet von seinen zweitligaerfahrenen Spielern daher mehr Gegenwehr, wenn Widerstände überwunden werden müssen.

Ob es mit Kapitän Schonlau in Elversberg anders gelaufen wäre, ist spekulativ. Sicher ist aber, dass Baumgart auf seinen in der Liga rotgesperrten Abwehrchef weiterhin als unumstrittenen Führungsspieler setzen wird. Am Mittwoch im Zweitrundenspiel des DFB-Pokals beim SC Freiburg (18 Uhr/Sky) wird Schonlau wieder von Beginn an spielen. Das kündigte Baumgart am Montag an. „Auf Bascho werde ich nicht verzichten, wenn er spielen kann“, sagte Baumgart. Gleiches gilt für Meffert, der in Elversberg Gelb-Rot sah und am Sonntag in der Liga gegen den 1. FC Nürnberg ebenfalls gesperrt fehlt.

HSV gegen Nürnberg ohne die Führungsachse

Dem HSV fehlt dann mit Schonlau, Meffert und dem langzeitverletzten Robert Glatzel fast seine gesamte Führungsachse. Spätestens am Sonntag wird man also sehen, ob die drei noch immer unverzichtbar sind, oder ob der Umbruch auf den Positionen der Führungsspieler erfolgreich eingeleitet ist. „Letztes Jahr hätten wir wahrscheinlich die weiße Fahne gehisst, wenn die drei gefehlt hätten“, sagte Baumgart.

Dass Kuntz die bewährten Rou­tiniers am Wochenende kritisierte, hat Baumgart natürlich mitbekommen. In ihrer Haltung sind die beiden aber deckungsgleich. „Das, was Stefan angesprochen hat, ist in meiner Sprache etwas anders gewesen – aber es ist der gleiche Sachverhalt.“

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Für den Trainer gibt es aber ohnehin nur einen Weg: gemeinsam. „Nicht die Führungsspieler oder die oder die. Wir haben als Mannschaft nicht das geleistet, was wir in den beiden Spielen vorher geleistet haben“, stellte Baumgart klar. Klartext, so viel ist sicher, wird es unter ihm und Kuntz weiterhin geben.