Hamburg. Mit 18 Punkten und zwei Zählern Rückstand auf die Spitze liegt der HSV nach zehn Spielen im Soll. Zufrieden ist aber niemand.

Steffen Baumgart sprach am Sonntag wie immer mit klaren und lautstarken Worten zur Mannschaft. Der HSV-Trainer hatte seine Spieler im Volkspark im Kreis versammelt. So wie er es keine 24 Stunden zuvor bereits nach der 2:4 (1:1)-Niederlage bei der SV Elversberg in der Gästekabine getan hatte. Die entscheidenden Protagonisten dieses Spiels fehlten zwar am Sonntagmittag bei Baumgarts Ansprache.

Nicht aber am Sonntagmorgen bei der Videoanalyse. Und auch nicht am Sonnabend, als Baumgart unmittelbar nach der Pleite seine Spieler zusammenholte und ihnen unmissverständlich mitteilte, was er insbesondere von der zweiten Halbzeit des HSV gehalten hatte: nichts. „Wir sind über einen längeren Zeitraum in einem positiven Flow. Und dann reißen wir uns in einer Halbzeit alles mit dem Arsch ein“, schimpfte Baumgart, nachdem die Hamburger in Elversberg eine frühe 1:0-Führung von Davie Selke (6.) und die mögliche Tabellenführung verspielt hatten.

HSV ging das Spiel mit der richtigen Einstellung an

Dabei sah es nach 30 Minuten noch so aus, als habe der HSV die Problematik der vergangenen Jahre in den Griff bekommen. Bei zu diesem Zeitpunkt keineswegs überzeugenden Elversbergern gingen die Hamburger das Spiel vor 9502 Zuschauern mit der richtigen Einstellung an. Doch mit zunehmender Spielzeit schlichen sich immer mehr individuelle Fehler ein wie vor dem 1:1 durch Fisnik Assllani, als Miro Muheim den Ball verlor und Jonas Meffert den Schützen nicht entscheidend attackierte (40.).

Nach dem Wechsel verlor der HSV dann komplett die Kontrolle. Bei den Gegentoren zum 1:2 (Ass­llani/53.), 1:3 (Luca Schnellbacher/63.) und 2:4 (Robin Fellhauer/90.+4) liefen die Hamburger nur nebenher. In dieser Phase präsentierte sich die Mannschaft des HSV in einem Zustand, den Baumgart seit acht Monaten versucht, seinen Spielern auszutreiben. „Wir müssen Spiele wie heute als Mannschaft gestalten, und nicht so, dass jeder gefühlt einzeln läuft“, sagte Baumgart und sprach von einer „persönlichen Enttäuschung“.

Kuntz will Spieler aus der Komfortzone holen

Zum wiederholten Mal hatte es der HSV nicht geschafft, auswärts bei einem kleineren Verein die Leidenschaft zu zeigen, die die Spieler nur sechs Tage zuvor noch im Heimspiel gegen den 1. FC Magdeburg an den Tag gelegt hatten. Der neue Sportvorstand Stefan Kuntz hat den Hamburger Hang zur Hochnäsigkeit schon früh nach seiner Amtsübernahme als Gefahr ausgemacht und versucht, mit Maßnahmen dagegenzusteuern.

Insofern war es auch nicht überraschend, dass Kuntz unmittelbar nach der Niederlage heftig mit der Mannschaft ins Gericht ging. Der 61-Jährige kritisierte bei Sky die fehlenden Grundtugenden. „Was mich am meisten geärgert hat heute: Bei Elversberg stand eine Mannschaft auf dem Platz und bei uns nicht“, sagte Kuntz, der die erste Nieder­lage nach zwei Monaten nutzte, um den Finger in die Wunde zu legen.

„Wir wussten genau, dass man hier punkten muss, wenn man aufsteigen will“, sagte Kuntz und startete sogleich die Analyse, die den Eindruck erwecken könnte, dass es in der Mannschaft die ersten Risse gebe. „Warum waren die besten Spieler die, die noch nicht so lange beim HSV spielen? Wo waren die Spieler, die länger hier sind? Warum kriege ich es nicht endlich mal hin, wenn es genauso läuft, wie es keiner haben will, dann endlich mal meinen Charakter zu drehen und etwas anders zu machen? Das wäre ein Zeichen von Entwicklung“, sagte Kuntz, der Trainer Baumgart für dessen klare Worte lobte. „Steffen hat eine gute Ansprache gehalten in der Kabine. Jetzt geht es darum, im nächsten Heimspiel zu zeigen, dass wir daraus lernen.“

Nicht nur die Führungsspieler erwischten einen schwachen Tag

Wen Kuntz mit seinen Worten meinte, blieb unklar. Klar war aber, dass bis auf Doppeltorschütze Selke nicht nur die Führungsspieler wie Jonas Meffert und Ludovit Reis einen schwachen Tag erwischten, sondern auch Neuzugänge wie Marco Richter sowie Daniel Elfadli. Am Ende gingen sie gemeinsam baden. „Es geht einfach darum, was in deinem Kopf vorgeht, wenn ein Widerstand kommt? Warum ist dann keine mannschaftliche Geschlossenheit da? Warum ist der Führungsspieler nicht da? Warum wird keiner laut auf dem Platz?“, fragte Kuntz. Ihm gehe es um die „Basics“ des Fußballs. „Wenn ich die nicht beherrsche, brauche ich mich über etwas anderes nicht unterhalten.“

Mehr zum Thema

Kuntz sah die Niederlage genau wie Baumgart als „Schuss vor den Bug“. Ein Ausrutscher, aber kein Rückfall. Mit 18 Punkten aus zehn Spielen liegen die Hamburger nur zwei Punkte hinter der Spitze. Einig sind sich aber alle, dass es mehr Punkte hätten sein müssen. „Wir sind Vierter, da gehören wir aus meiner Sicht auch hin. Aber der Platz wird nicht reichen für das Ziel, das wir haben“, sagte Baumgart. Seit Sonntag ist der HSV sogar nur noch Fünfter. Ansonsten gibt es dem nichts hinzuzufügen.