Hamburg. 60 Hooligans aus Italien wurden vor dem Anpfiff festgenommen. Warum der Deal mit Dynamo für den HSV zum Minusgeschäft werden könnte.

14 Jahre lang hatten Fußballfans in Hamburg darauf warten müssen, dass in ihrer Stadt wieder ein Spiel der Uefa Europa League stattfindet. Seit dem 0:0 des HSV im Halbfinal-Hinspiel 2010 gegen den FC Fulham hatten sich die Hamburger nicht mehr für das europäische Geschäft qualifiziert. Am Mittwochabend nun war es wieder so weit – Europa League im Volksparkstadion. Als Zweitligist stand aber natürlich nicht der HSV auf dem Rasen, sondern an diesem Abend die ukrainischen und italienischen Hauptstadtclubs Dynamo Kiew und Lazio Rom.

Wie schon im Jahr zuvor Champions-League-Teilnehmer Schachtar Donezk, hatte sich auch der aktuelle Tabellenführer der ukrainischen Premjer-Liha dazu entschlossen, seine Spiele mit Heimrecht in Hamburg auszutragen. Der Grund für das Ausweichen ist der nach vor in der Ukraine herrschende Krieg mit Russland. Mindestens vier Spiele wird Dynamo Kiew dadurch im Volksparkstadion bestreiten.

Europa League im Volksparkstadion: Nur 7751 Zuschauer vor Ort

Doch wer am Mittwochabend das Spiel zwischen Dynamo Kiew und Lazio Rom im Stadion des HSV verfolgte, erlebte ein ungewohntes Bild. Ein nicht mal zum Viertel gefülltes Volksparkstadion bei einem Fußball-Pflichtspiel: Das hatte es zuletzt zu Corona-Zeiten gegeben. Seither ist die 57.000 Leute fassende Hamburger Arena, in der die Fans ihre Mannschaft Woche für Woche nach vorne peitschen, in den allermeisten Spielen ausverkauft.

Nur 7751 Zuschauer waren zum Europa-League-Abend am Mittwoch ins Stadion gekommen. Der komplette obere C-Rang blieb geschlossen, weite Teile des darunterliegenden B-Rangs leer. Optisch wurde die Kulisse dem Anlass eines Europa-League-Spiels nicht gerecht. Und dennoch: An einer zumindest ordentlichen Stimmung mangelte es im Volksparkstadion gemessen an der Anzahl der Fans und der Umstände nicht. Auch wenn für diese zunächst vor allem die Anhänger Lazios sorgten.

60 Lazio-Fans am Dienstagabend festgenommen

Etwa 150 hüpfende Römer Anhänger im Gästeblock grölten von der ersten Minute an ununterbrochen ihre Fangesänge. Und es hätten noch mehr sein können, wären am Dienstagabend nicht bereits 60 italienische Hooligans in Hamburg festgenommen worden. Einen Tag vor dem Spiel hatte die Polizei auf dem Rathausplatz bei den Männern Hieb- und Stichwaffen und andere gefährliche Gegenstände gefunden und sichergestellt.

Die Beamten fanden bei der Kontrolle in der Hamburger City unter anderem fünf Messer, sechs Fleischklopfer, zwei Holzlatten, eine Keule, eine Rohrzange und einen Spieß. Auch Vermummungsmaterial trugen die Verdächtigen bei sich. Wie aus einer Mitteilung der Polizei hervorging, mussten die mutmaßlichen Hooligans die Nacht auf Mittwoch in Gewahrsam verbringen. In den frühen Morgenstunden seien sie dann nach Angaben eines Lagedienstsprechers „sukzessiv und einzeln“ entlassen worden.

Ins Stadion ging es für die Lazio-Anhänger am Mittwochabend aber dennoch nicht. Laut Polizei wurde gegen jeden der Hooligans aus der Gruppe ein Aufenthaltsverbot des Areals rund um das Stadion ausgesprochen. Selbst mit gültigen Eintrittskarten durften sie sich dem Gelände also nicht nähern.

Dynamo Kiew schlägt sich gut und verliert dennoch 0:3

Die große Mehrzahl der Zuschauer im Stadion hielt es aber mit Dynamo Kiew. Das machte sich immer dann bemerkbar, wenn die Ukrainer vielversprechend in Tornähe kamen und das Stadion plötzlich laut wurde. In einer torreichen ersten Hälfte waren es aber die Römer, die ihre Gelegenheiten besser ausspielten und schließlich nutzten. Nach dem frühen 1:0 der Gäste durch Boulaye Dia in der 4. Minute sorgten Fisayo Dele-Bashiru (33.) und erneut Dia (35.) mit einem Doppelschlag für die 3:0-Halbzeitführung.

Die von Kapitän und Ex-Dortmunder Andrij Yarmolenko angeführten Mannschaft aus Kiew kontrollierte eigentlich das Spiel und wurde selbst offensiv des Öfteren gefährlich, verteidigte hinten aber viel zu löchrig. Im zweiten Durchgang ergab sich ein ähnliches Bild. Vorne nutzte Dynamo Kiew seine Chancen nicht, hinten hatte es Glück, dass es zunächst beim 0:3 blieb.

In der 72. Minute sah dann auch noch der erst wenige Minuten zuvor eingewechselte Maksym Braharu für einen Tritt auf die Achillessehne eines Römers nach Videobeweis die Rote Karte. Zehn Minuten später flog auch der bei Lazio eingewechselte Tijani Noslin für einen Ellbogencheck ins Gesicht seines Gegners vom Platz. Am Ergebnis änderte das nichts mehr. Und so war es für die Zuschauer im Stadion, die gekommen waren, um Dynamo Kiew anzufeuern, sportlich betrachtet am Ende ein bitterer Abend.

Deal mit Dynamo Kiew könnte für den HSV zum Minusgeschäft werden

Ein bitterer Abend war aus wirtschaftlicher Sicht durch die geringe Zuschauerzahl auch für den HSV, für den sich der Deal mit Dynamo Kiew zum Minusgeschäft entwickeln könnte. Es gibt keinen fixen Mietpreis, den die Ukrainer für ihre Spiele im Volksparkstadion zahlen müssen. Die Kosten für die externen Dienstleister während des Spiels werden geteilt. Der HSV würde an den Einnahmen aus dem Ticketverkauf ab einer bestimmten Zahl beteiligt sein.

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Doch um diese Zahl zu erreichen, müssen deutlich mehr Zuschauer zu den kommenden drei „Heimspielen“ Dynamos kommen. Davon ist allerdings nicht auszugehen. Denn die kommenden drei Gegner – Ferencvaros Budapest, Viktoria Pilsen und Rigas Futbola Skola – werden nicht unbedingt attraktiver.

Dem HSV war durchaus bewusst, dass das Interesse an den Europa-League-Spielen des ukrainischen Hauptstadtclubs deutlich geringer ist als das an den Champions-League-Partien von Donezk. Dennoch entschied man sich dazu, das Volksparkstadion erneut zur Verfügung zu stellen. HSV-Finanzvorstand Eric Huwer sieht die Kooperation vor allem als Zeichen gegen den Krieg und für die Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Kiew. Ein finanzieller Gewinn sei nicht eingeplant gewesen.