Hamburg. So viele Stadionverbote gab es nur nach dem HSV-Abstieg und den Rauchbomben im Volkspark. Welche Folgen die Strafe hat und wie es dazu kam.

  • Mehrere bundesweite Stadionverbote gegen HSV-Ultras stehen aus.
  • Experten kritisieren das Vorgehen.
  • Umstrittener Polizeieinsatz in Bergedorf erhitzt die Gemüter.

Beim Heimsieg gegen Münster (4:1) sorgten die HSV-Ultras mit ihren Gesängen mehrfach für eine Gänsehaut-Atmosphäre im Volksparkstadion. Mehrfach stimmten die Fans auf der Nordtribüne ihr neues Lied „Wir kämpfen immer weiter für die Freiheit“ an. Mit ihrem Gesang, für den es Applaus von den anderen Zuschauerrängen gab, solidarisierte sich die Kurve mit dem wegen Dopings für vier Jahre gesperrten Mario Vuskovic.

Die vielseitig anwendbaren Textzeilen, die ursprünglich für die Stärkung von Fanrechten entstanden sind, werden noch häufiger zu hören sein. Zumal die Ultras vor einem Einschnitt ihrer rund 600 Personen starken Szene stehen. Wie das Abendblatt erfuhr, wird der Deutsche Fußball-Bund in absehbarer Zeit mehrere bundesweite Stadionverbote gegen HSV-Ultras verhängen. Da die einzelnen Verfahren noch laufen, kann die genaue Anzahl nicht beziffert werden. Es ist aber mit etwas weniger als 20 zu rechnen.

Stadionverbote für HSV-Ultras: vom DFB bestraft

Mehr hat es bislang nur 2018 nach dem Bundesliga-Abstieg der Hamburger gegeben, als Rauchbomben und Böller auf das Spielfeld geworfen wurden. Damals lösten die Chaoten Unverständnis bei den restlichen Fans in und außerhalb des Stadions aus. Diesmal ist der Hintergrund der drakonischen Strafe, die ihren Ursprung vor einem Jahr fand, jedoch etwas diffiziler.

Rückblick: Am 16. September 2023 warten HSV-Fans am Mannheimer Hauptbahnhof auf ihren Zug, der sie zum Auswärtsspiel nach Elversberg bringen soll. Ein paar Gleise weiter fährt ein mit BVB-Ultras beladener Zug ein. Es kommt zum unliebsamen Aufeinandertreffen der beiden Fangruppen, die enge Kontakte nach Dänemark zu den beiden großen Rivalen FC Kopenhagen (HSV) und Bröndby (BVB) pflegen. Ein Detail, das man kennen muss, um den Ursprung der ausartenden Provokation zu kennen.

Was hat der Polizeieinsatz in Bergedorf damit zu tun?

An dieser Stelle gehen die Versionen auseinander: Anwesende Polizisten sprechen von einer Schlägerei, die von beteiligten Fans abgestritten wird. Es sei zwar zu einer körperlichen Auseinandersetzung, aber eben nicht zu einer Eskalation der Gewalt gekommen, heißt es. Schließlich setzen beide Fanlager ihre Reise fort. Gestoppt wird wenig später lediglich der Zug mit den BVB-Ultras. Mit Verdacht auf schweren Landfriedensbruch werden mehr als 200 Personalien erfasst.

Aus diesem Grund drohen den Dortmundern deutlich mehr Stadionverbote als den Hamburgern, voraussichtlich 30 bis 40. HSV-Fans sind erst im Februar bei einem umstrittenen Polizeieinsatz in Bergedorf kontrolliert worden. Dabei wurden 31 mutmaßliche Gewalttäter identifiziert. Wie viele davon von den nun zu erwartenden Stadionverboten betroffen sind, ist offen.

HSV-Ultras in Sorge: Warum der DFB zuständig ist

Da sich der Vorfall auf dem Anreiseweg zum Stadion ereignete, ist der DFB, und eben nicht die Vereine, zuständig. In individuellen Verfahren will der Verband strafmindernde Umstände wie zum Beispiel Erstvergehen oder ein junges Alter erwägen. In einem solchen Fall kann ein einzelnes Stadionverbot zur Bewährung ausgesetzt werden. Eine Maßnahme, die bei den Vereinen auf deutlich mehr Einklang stößt als ein sofort wirksames Stadionverbot, das je nach Vergehen zwischen drei Monaten und drei Jahren aktiv sein kann.

Der DFB, der sich zu den laufenden Verfahren nicht äußern will, hält dagegen an seinem Vorgehen fest. Laut den Richtlinien des Verbands werden Stadionverbote ausgesprochen, wenn Fans im öffentlichen Bereich mit Fußballbezug aneinander geraten. In einem Urteil aus dem Jahr 2018 hat das Bundesverfassungsgericht Stadionverbote grundsätzlich für rechtens erklärt, sofern ein Grund vorliegt. Allerdings reicht oftmals schon die Sorge, dass von einem Fan die Gefahr künftiger Störungen ausgehe.

Stadionverbote für HSV-Ultras: Kritik von Experten

Deshalb werden Stadionverbote immer wieder kritisch betrachtet. Hinterfragt wird, wieso der Stadionbesuch untersagt wird, obwohl das Vergehen im öffentlichen Raum begangen wurde. Außerdem zweifeln Experten daran, wie zielführend diese Maßnahme wirklich ist. Betroffene reisen oftmals trotzdem an, halten sich während der Partie allerdings außerhalb des Stadions auf, wo von ihnen zum Teil mehr Gewaltpotenzial ausgeht. Eine nachhaltige Wirkung soll häufig ausbleiben.

Erschwerend kommt hinzu, dass Stadionverbote in der Praxis gar nicht kontrollierbar sind. Trotzdem sollen sich die meisten Ultras daran halten, weil sie für gewöhnlich von szenekundigen Polizisten begleitet werden.

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HSV-Ultras: Der Ablauf bis zum Stadionverbot

Interessant ist derweil der Ablauf bis die Strafe verkündet wird. Identifizierte Fans können den Wunsch äußern, vom Verein, also nicht vom DFB, angehört zu werden. Anschließend gibt der Verein, in dem Fall der HSV, eine Empfehlung ab, an die sich der DFB allerdings nicht halten muss. Der Verband entscheidet letztlich autark über das Strafmaß. Der HSV differenziert die Vorfälle und spricht sich nur bei klarer Beweislage für ein Stadionverbot aus. Außerdem versucht der Zweitligist oftmals zu vermitteln, um Strafen gegebenenfalls zu reduzieren.

Welche Folgen die Stadionverbote beim HSV haben werden, lässt sich noch nicht genau prognostizieren. Laut einer ersten Tendenz wird die Stimmung wohl nicht so stark unter den bevorstehenden Strafen leiden. Trotzdem wird der Fall neue Fanproteste gegen den DFB auslösen.