Hamburg. Wie die beiden Torjäger zu ihrem Glauben fanden, warum ein Onkel und Zé Roberto so wichtige Ratgeber waren und woran sie nun glauben.
Björn Kranefuß muss lachen. Ob er denn jetzt an den Aufstieg des HSV glaube? Natürlich musste diese Frage kommen – genauso wie all die Wortspiele, die ja quasi auf der Hand liegen. Der HSV hat jetzt zwei echte Himmelstürmer, zum Beispiel. Oder: Vorne hilft nur der liebe Gott – beim HSV jetzt erst recht. Und natürlich auch: Nun ist der Fußballgott endlich ein Hamburger.
Hintergrund all dieser Glaubensspäße ist die Verpflichtung von Davie Selke, der bekennender Christ ist. Genauso wie auch dessen Sturmpartner Robert Glatzel, der ebenso wenig ein Geheimnis aus seinem Glauben macht. „Damit hat der HSV wahrscheinlich den gläubigsten Sturm der Zweiten Liga“, sagt Kranefuß, der seinerseits keinen Hehl aus seinen Überzeugungen macht.
Selke und Glatzel sind gläubige Christen
Kranefuß ist großer HSV-Fan – doch vor allem ist er Pastor. Seit einem knappen Vierteljahrhundert arbeitet der 65-Jährige als Flughafenpastor am Helmut Schmidt Airport – und hat damit mehr als 15 Millionen Reisende im Jahr als potenzielle „Kunden“. Noch etwas länger ist er selbst „Kunde“ beim HSV. Bereits als Schüler hatte er eine Stehplatzdauerkarte für die Westkurve, mittlerweile sitzt der Seelsorger auf der Nordtribüne in Block 25A.
Dass neben Glatzel auch Neuzugang Selke sehr gläubig ist, hat Kranefuß vor dessen Wechsel zum HSV allerdings gar nicht gewusst. „Das freut mich natürlich“, sagt der Pastor, der neben dem Aufstieg auch von einem gemeinsamen Gottesdienst mit Glatzel und Selke träumt. „Wir brauchen Glaubensvorbilder. Und ich hätte große Lust, mit den beiden einen gemeinsamen Gottesdienst zu gestalten.“
In Köln besucht Selke die City Church
Am Sonntag war Selke noch in seiner Heimat Köln, allerdings ausnahmsweise nicht im Gottesdienst in seiner Gemeinde City Church. Am Montagmorgen machte sich der Fußballer schließlich auf den Weg in seine neue Wahlheimat. Viel Zeit hat er in Hamburg allerdings nicht, da es am Dienstag bereits ins Trainingslager nach Österreich geht. Trotzdem will Selke in Hamburg für seine Familie möglichst zügig eine neue Wohnung finden – und für sich eine neue Gemeinde.
„Ich bin zwar in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, eine wirklich ernsthafte Beziehung zum Glauben habe ich aber erst seit zwei Jahren“, sagte Selke im vergangenen Jahr in einem Interview mit dem „Sportbuzzer“, und erklärt: „Seitdem hat sich mein Leben fundamental verändert. Ich fühlte damals, dass mir etwas fehlt, dass da eine Leere war, obwohl ich von außen betrachtet eigentlich alles hatte, aber eben nur in materialistischer Hinsicht. Mein Onkel – er ist Pastor –, war mir in dieser Phase des Umbruchs ein sehr wichtiger Ratgeber.“
In Köln gründete Kingsley Ehizibue einen Bibelkreis für Fußballer
Selke ist in seinem Glauben nicht allein. In Köln war er in einem Bibelkreis mit anderen Sportlern, den der frühere Kölner Kingsley Ehizibue gegründet hatte. Und auch in Hamburg hat der Angreifer mit Sturmpartner Glatzel einen „Bruder im Geiste“.
„Mein Vater hat immer versucht, mir das Thema näherzubringen. Wir waren aber nie streng gläubig“, berichtete Glatzel im vergangenen Jahr in einem Abendblatt-Interview über seinen Glauben. „Irgendwann habe ich den Weg selbst gefunden. Als das Leben und auch der Fußball mit 18 ernster wurden, war es wie ein Verlangen, mich stärker mit dem Glauben zu beschäftigen.“
Glatzel besuchte in München Bibelkreis mit Bayern-Stars
Ähnlich wie Selke und der Kölner Fußballer-Bibelkreis hat auch Glatzel in seiner Zeit als Jungprofi bei 1860 München II 2014 bei einem ähnlichen Münchner Fußballer-Bibelkreis regelmäßig teilgenommen. Auch einige Stars des FC Bayern München waren regelmäßig dabei, die von ihrer Geschichte erzählt haben. David Alaba, Dante, Rafinha oder Claudio Pizarro.
„Es ging immer darum, wie Gott sie auf ihrem Weg unterstützt hat. Das war ein super Einstieg für mich“, sagte Glatzel. „Mein Schlüsselmoment war dann, als Zé Roberto seine Geschichte erzählt hat, wie er in Brasilien in ganz armen Verhältnissen aufgewachsen ist. Die Begegnung mit ihm hat mich beeindruckt und ist mir bis heute im Kopf geblieben.“
An diesem Dienstag startet der HSV ins Trainingslager
Den Münchner Bibelkreis Fußball gebe es noch heute. „Man bekommt dort eine andere Perspektive und lernt, nicht nur in der Fußballblase zu leben“, so Glatzel, der sich im Trainingslager in Österreich mit seinem neuen Sturmpartner über derlei Themen in Ruhe austauschen kann.
„Natürlich gibt es beim Fußball und im Glauben Parallelen“, sagt Pastor Kranefuß. „Für viele Anhänger ist Fußball ja sogar eine Art Ersatzreligion.“ Er selbst habe ambivalente Gefühle bei der Verbindung zwischen Fußball und Religion. „Ich wäre skeptisch, wenn man einen direkten Zusammenhang zwischen Glaube und Erfolg zieht“, sagt Kranefuß.
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Neu-Hamburger Selke scheint es ähnlich zu sehen. „Die Menschen leben verschieden im Glauben“, sagte er dem Kölner Internetportal „Geissblock“. „Es geht darum, seine eigene Verbindung zum Glauben zu finden. Ob man betet, singt oder tanzt. Ich erlebe viele Menschen, die in die Kirche kommen und nicht weiterwissen, die keinen Ausweg sehen.“
Diese Menschen hätten oft irgendetwas verloren und würden sich fragen: „Was mache ich jetzt? In diesem Moment spielt es keine Rolle, wie sie sich ausdrücken, solange der Glaube den Menschen einen Sinn gibt“, sagte Selke.
Darf man für Tore von Selke und Glatzel beten?
Er selbst ziehe aus dem Glauben sehr viel Kraft. Ähnlich beschreibt es auch Glatzel. Und auch Hamburgs Flughafenpastor. Björn Kranefuß freut sich über den neuen Himmelssturm beim HSV, ein größerer Fan ist er dadurch aber nicht. Und für Tore von Selke oder Glatzel werde er genauso wenig beten wie für den Aufstieg.
Darauf zu hoffen, ist aber nicht verboten.