Hamburg. Der Trainer sieht sein Team vor dem Start der Zweiten Liga gut vorbereitet und signalisiert Selbstvertrauen und Selbstsicherheit.

Auf engstem Raum tummelten sich die HSV-Spieler am Freitag beim Training. Auf vier Tore gleichzeitig spielten sie, Einwürfe sollten verarbeitet, verwandelt werden. Schwer was los im Volkspark, viele Treffer, viel Aktion. Und dennoch, die Ansprüche sind offenbar hoch bei den Fans. „Das ist langweilig“, quengelte ein Siebenjähriger. Kindermund, heißt es ja, tut Wahrheit kund. HSV-Trainer Tim Walter aber wird mit dieser Einschätzung seines Teams und seiner Spieler nicht einverstanden sein: „Wir wollen noch mehr Dominanz ausstrahlen.“

Zwei Tage vor dem Auftaktspiel am Sonntag (13.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) bei Aufsteiger Eintracht Braunschweig zeigt der 46 Jahre alte Übungsleiter eine im übertragenen Sinne breite Brust, die Arnold Schwarzenegger vor Neid erblassen ließe. Selbstvertrauen und Selbstsicherheit wird da signalisiert, die dem HSV von fast allen Seiten zugesprochene Favoritenrolle auf den Bundesligaaufstieg akzeptiert, statt sie mit Floskeln „von Spiel zu Spiel“ wegzureden zu versuchen oder die Favoritenrolle gar ganz von sich zu weisen.

HSV News: Walter sieht mentale Stärke bei seinem Team

„Ein Trainer muss seine Spieler gut einschätzen können“, sagt die Hamburger Sport-Mentaltrainerin Maike Koberg, „mit der Verstärkung einer Erwartung von außen kann er eine intrinsische Motivation vergrößern. Dann ist dieses Vorgehen gut.“ Das funktioniert aber nur bei Sportlern, die ohnehin dieses große Ziel anstreben. Anderen muss man kleine Ziele setzen, Schritte einzeln definieren und nach dem Erreichen dieser neue Ziele setzen. Und dann gibt es noch „die Zweifler“, sagt Kolberg, „für die ist das zu viel Druck.“ Sie verkrampfen. Beim HSV kennt man dieses Problem zur Genüge.

Walter scheint sich jedoch auch nach der erfolgreichen Schlussphase in der vergangenen Saison sicher zu sein, dass der HSV-Jahrgang 2022/23 über genug mentale Stärke verfügt, sozusagen von der Spitze wegzumarschieren. „Der Druck ist größer geworden, aber Druck ist ein Privileg“, verkündete er, „nur der, der um etwas kämpft, darf ihn haben.“

Walter ist der erste HSV-Trainer seit Markus Gisdol (2016 bis 2018), der länger als eine Saison mit der Rautentruppe arbeiten durfte. Die Querelen in der Vorstandsetage, die in der Freistellung von Michael Mutzel eskalierten, versucht Walter auszublenden. Den Namen des ehemaligen Sportdirektors nahm er nicht in den Mund: „Ich arbeite gerne für den HSV, und ich arbeite gern mit unserem Sportvorstand Jonas Boldt zusammen.“

HSV hat zuletzt mit Braunschweig gute Erfahrung gemacht

Seine Spielidee ist inzwischen angekommen bei den Spielern, die Mechanismen sind im Wesentlichen verinnerlicht. Der Stamm der Mannschaft ist außerdem zusammengeblieben. Walter fällt es deshalb auch relativ leicht, einen Vergleich zum DFB-Pokalspiel bei der Eintracht vor ziemlich genau einem Jahr zu ziehen, das der HSV mit Mühe, aber verdient 2:1 beim damaligen Drittligisten gewann. „Wir kennen unsere Abläufe, wir sind gut vorbereitet“, sagt er, „wir sind auf einem ganz anderen Level als damals.“

Rund 23.000 Zuschauerinnen und Zuschauer werden den HSV an der Hamburger Straße erwarten, 11.000 Dauerkarten hat die Eintracht abgesetzt, die in den vergangenen Jahren so oft wie kein anderer Verein im deutschen Profifußball die Liga gewechselt hat. 2013 stiegen sie in die Bundesliga auf und ein Jahr später gleich wieder ab. Es folgten: Ein Zweitliga-Abstieg 2018, ein Zweitliga-Aufstieg 2020.

Ein Zweitliga-Abstieg 2021, ein Zweitliga-Aufstieg 2022. Auch der nur knapp verpasste Bundesliga-Aufstieg 2017 und der erst am letzten Spieltag verhinderte Viertliga-Abstieg 2019 zeigen: Eine Saison ohne Nervenkitzel hat die große Anhängerschaft des deutschen Meisters von 1967 schon lange nicht mehr erlebt. „Wir müssen raus aus diesem Fahrstuhl“, fordert Sportchef Peter Vollmann.

Braunschweig warnt vor Schwergewicht HSV

Auch die Eintracht hat einen Großteil ihrer Aufstiegsmannschaft zusammengehalten. Abwehrspieler Saulo Decarli (VfL Bochum) und Spielmacher Immanuel Pherai (Borussia Dortmund II) sind jedoch neu. Besonders dem 21 Jahre alten Niederländer trauen Beobachter der Niedersachsen Besonderes zu. „Ich bin nicht nervös, weil die Truppe das nicht zulässt“, sagte Trainer Michael Schiele vor dem Spiel gegen den HSV: „Wir freuen uns sehr drauf, obwohl uns direkt ein Schwergewicht erwartet. Wir haben die Vorbereitung gut genutzt. Es kann endlich losgehen.“

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Der 1:0-Erfolg im Testspiel gegen Union Berlin vor einer Woche hat bereits angedeutet, dass die Braunschweiger kompakt und unangenehm auftreten werden. Das Spiel werden sie eher nicht machen, davon geht auch Tim Walter aus: „Das ist eine sehr robuste Mannschaft, die viel auf Umschalten setzt. Sie hat ein gutes Tempo nach vorne, und wir müssen bei Standardsituationen aufpassen.“

HSV News:  Walter erwartet keine Langweile in Liga zwei

Auch Walter hält die Eintracht mit ihrem großen Anhang für eine Bereicherung der Liga. Ebenso wie die weiteren Aufsteiger 1. FC Magdeburg und 1. FC Kaiserslautern. Ja, Werder Bremen und Schalke 04 sind nicht mehr da, „aber Düsseldorf und Hannover haben sich sehr gut verstärkt. Letztes Jahr war es angeblich die beste Zweite Liga, jetzt ist es vielleicht die ausgeglichenste.“ Allerdings mit einem großen Favoriten: „Wir nehmen diese Herausforderung an“, sagt Walter und ist sich sicher: Langweilig wird es nicht.

Eintracht Braunschweig: Fejzic – Schultz, Behrendt, Decarli – Multhaup, Krauße, Nikolaou, Kijewski – Pherai - Kaufmann, Lauberbach.

Hamburger SV: Heuer Fernandes - Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim – Meffert – Reis, Benes – Königsdörffer, Glatzel, Kittel.