Hamburg. Nach dem verpassten Aufstieg müssen schnelle Entscheidungen her. HSV-Präsident Marcell Jansen muss nun Führungsqualitäten beweisen.
Jeder Hamburger, der am Montagabend im Volksparkstadion beim Relegationsrückspiel gegen Hertha BSC live dabei war, ob nun als passionierter HSV-Anhänger, Sympathisant oder einfach nur Fußballfan, dürfte die Heimreise mit einer gehörigen Portion Wehmut angetreten haben. 90 Minuten lang konnten die Besucherinnen und Besucher genau das schnuppern, auf was sie nun ein fünftes Jahr verzichten müssen: Bundesliga-Luft.
Dass eine Metropole wie Hamburg im Fußball auch nach dieser Saison zweitklassig bleibt, ist eine enttäuschende Bilanz und ein echter Makel für die „Sportstadt“. Dabei muss sich der FC St. Pauli rückblickend sogar fast als größerer Verlierer fühlen. Schließlich hätte dem Club nach der glanzvollen Hinrunde eine durchschnittliche Rückserie locker zum Aufstieg gereicht.
HSV hat den Aufstieg in Berlin verspielt
Der HSV wiederum ließ vor seinem starken Schlussspurt zu viele Punkte liegen. In der Relegation gegen einen Bundesligisten zu scheitern, ist für einen Zweitligaclub angesichts der Qualitätsunterschiede die Regel. Bitter aus HSV-Sicht ist nur, dass die Walter-Elf die im Hinspiel in Berlin so erschütternd schwache Hertha mit einem zweiten Auswärtstreffer hätte demoralisieren können oder müssen. Im Olympiastadion wurde der Aufstieg verspielt, nicht im Volkspark.
Jeder, der im Stadion zu Gast sein konnte, durfte aber auch erleben, welche Kraft noch immer vom HSV ausgeht. Schlafender Riese, das klingt nach Klischee, trifft es aber. Sobald vom Club die Botschaft ausgeht: Hallo, hier wächst etwas, entfacht dies sofort eine Wechselwirkung zwischen Mannschaft und Fans, die eine unglaubliche Energie ausstrahlten, und ausdrücklich nicht nur die auf der Nordtribüne.
Geht es für Boldt beim HSV weiter?
Überhaupt: Wer es in dem Moment größtmöglicher Enttäuschung dennoch hinbekommt, Team und Mannschaft zu trösten und mit Applaus zu verabschieden, ist ein guter, ein würdevoller Verlierer. Prädikat erstklassig, und das gilt für die HSV- und FC-St.-Pauli-Fans gleichermaßen in unserer Stadt, was die Treue und Leidenschaft betrifft.
Dass Tim Walter nur Minuten nach dem Abpfiff mit Sprechchören gefeiert wurde, glich einem klaren Auftrag von der Basis: Wir wollen Kontinuität. Für den HSV-Trainer, dem Vorstand Thomas Wüstefeld am Dienstag quasi einen Freifahrtschein für die kommende Saison ausstellte, dürfte dies auch zutreffen. An entscheidenden Positionen jedoch ist das HSV-Gebilde – mal wieder – sehr fragil.
Auch interessant
Auch interessant
Ausgerechnet jetzt, und das macht die Sache für den Club so gefährlich. In gut drei Wochen treffen sich die Spieler schon wieder zum ersten Training, Mitte Juli steht der erste Spieltag an. Dass jetzt, in dieser heißen Planungsphase, die Zukunft von Sportvorstand Jonas Boldt völlig ungewiss erscheint, könnte den Club wertvolle Zeit in den Planungen für den nächsten Anlauf in Richtung Liga eins verlieren lassen.
HSV: Jansen muss Führungsqualitäten beweisen
Präsident und Aufsichtsratschef Marcell Jansen steht deshalb in der Pflicht, so oder so schnelle Entscheidungen herbeizuführen. Der 36-Jährige konnte sich (mehr oder weniger) sein Kontrollgremium zusammenstellen, das in der Folge Wüstefeld als zweiten Vorstand in die Exekutive des Clubs entsandte, der nun auch Klarheit über seine Zukunft einfordert.
Als Hauptfigur in dem seit Monaten schwelenden Machtkampf muss Jansen nun moderieren, vermitteln und womöglich auch eigene Positionen einkassieren. Eben Führungsqualitäten beweisen. Sinngemäß hat Jansen stets betont, dass der HSV an erster Stelle stehen muss. Sollte ihm in den nächsten Tagen kein Burgfrieden gelingen, könnten auf längere Sicht weiter nur die Fans erstklassig bleiben.