Hamburg. Der HSV versinkt im Tal der Tränen. Hertha spielt dagegen eine katastrophale Saison – und darf trotzdem jubeln. Ein ungerechtes System.
Ein Blick in die Gesichter der Spieler genügt meistens, um die Situation zu verstehen. Auf der einen Seite war Erleichterung, Freude und Glückseligkeit zu sehen. Es waren die Reaktionen der Hertha-Profis nach dem Abpfiff am Montagabend im Volksparkstadion. Währenddessen waren die Gestiken der HSV-Akteure von tiefer Trauer, kollektiver Leere und Tränen geprägt. Demnach könnte man zum Schluss kommen, die eine Mannschaft (Hertha) habe eine gute Saison gespielt und die andere (HSV) eine schlechte, weil das große Ziel verpasst wurde. Dieses Bild vermittelt zumindest der Ausgang der Relegation.
Doch ist das wirklich gerecht? Tatsächlich war es die Hertha, die eine schlechte Saison gespielt hat. Wer es nach einer langen Saison, an deren Ende das Tabellenbild immer die Wahrheit abbildet, nicht schafft, drei Mannschaften hinter sich zu lassen, der hat den Abstieg schlicht verdient. Auf der anderen Seite hätte der HSV aus sportlicher Sicht als Dritter der Zweiten Liga mit der Qualifikation für die Bundesliga belohnt werden müssen.
Relegation HSV – Hertha: Ungleiche Voraussetzungen
Den letzten zu vergebenden Platz im Fußball-Oberhaus über zwei zusätzliche Spiele mit Finalcharakter zu ermitteln, sorgt allenfalls für mehr TV-Gelder, aber nicht zwangsläufig für mehr Gerechtigkeit.
Alleine die unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten zwischen einem Erst- und einem Zweitligisten offenbaren die fehlende Chancengleichheit. So erhielt Hertha bei der Vermarktung der Fernsehrechte mit 52 Millionen Euro stolze 36,8 Millionen Euro mehr als der HSV (15,2) – also fast das Dreieinhalbfache. Genau genommen sind es 242,1 Prozent dessen, was die Hamburger bekommen haben. Und das ist nur einer der Einnahmetöpfe, die in der Bundesliga naturgemäß praller gefüllt sind.
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Warum die Relegation ungerecht ist
Der Erstligist wird somit immer als Favorit in die Relegation gehen – und er kann in nur zwei Spielen eine meistens katastrophale Saison vergessen machen. Dem Zweitligisten wird bei einer Niederlage dagegen kurz vor dem Ziel der verdiente Lohn genommen für das, was er sich über die Konstanz von 34 Spieltagen zuvor erkämpft hatte. Es überrascht daher nicht wirklich, dass sich in den 14 Duellen seit Wiedereinführung der Relegation im Jahr 2009 elfmal der Bundesligist durchsetzte.
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Ist das fair? Natürlich nicht. Wird sich deshalb etwas ändern? Wohl eher nicht. Denn die Befürworter der Relegation haben am Montagabend ein entscheidendes Argument dazugewonnen: Bei Sat.1 verfolgten 11,1 Millionen Zuschauer (25,3 Prozent Marktanteil) das Rückspiel im Volkspark. Aus Sicht der Vermarktung ein voller Erfolg. Und dieses Argument scheint bei den Entscheidungsträgern zu überwiegen. Traurige Verlierer, die zuvor viel gewonnen haben, sowie glückliche Gewinner, die zuvor viel verloren haben, werden das Bild der Relegation also auch in den nächsten Jahren prägen. Es scheint so gewollt.