Hamburg. Nach dem 4:0 in Ingolstadt ist der Glaube an den Aufstieg groß. Reicht die jüngste Entwicklung für eine neue Chance für den Coach?

Am Tag der Arbeit ruhte selbige beim HSV rund um das Volksparkstadion. Nach dem starken 4:0-Sieg beim FC Ingolstadt spendierte Cheftrainer Tim Walter (46) einen trainingsfreien Tag. Nach drei Zweitliga-Siegen in Folge einfach mal den Moment genießen und Kraft tanken für einen Endspurt, der noch jede Menge Energie und Nerven kosten wird. Doch die Vorfreude auf die verbleibenden beiden Spiele gegen Hannover 96 (7. Mai) und Hansa Rostock (15. Mai) ist bei Spielern, Trainern und Fans spätestens seit Sonnabendnachmittag so groß wie noch nie.

HSV News: Konkurrenten im Aufstiegskampf haben Probleme auf und neben dem Platz

Während der HSV das Momentum im Moment auf seiner Seite hat, straucheln die Konkurrenten. Werder Bremen verspielte am Freitag eine 2:0-Führung gegen Holstein Kiel, verlor am Ende 2:3 und der FC St. Pauli kassierte mal wieder einen Last-Minute-Tiefschlag gegen Nürnberg. Zudem regiert beim Erzrivalen abseits des Platzes mit Prämienzoff, Vertragsärger und Corona-Ausbruch das Chaos. Die Folge: zum ersten Mal seit dem 23. Spieltag steht das Walter-Team wieder vor dem Kiezclub in der Tabelle.

Selbst der berüchtigte Fluch, dass der HSV nicht im Monat April gewinnen kann, wurde gebrochen. „Ich habe immer gesagt dass wir an uns glauben und wissen, was wir vorhaben. Wir bleiben bei uns. Das haben wir insbesondere in unserem Fluch-Monat April gut hinbekommen. Ich habe überlegt einen Antrag zu stellen, die nächsten zwei Spiele auch noch im April spielen zu lassen“, scherzte HSV-Sportvorstand Jonas Boldt (40).

Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58

Zum perfekten Fußball-Wochenende aus HSV-Sicht hätte eigentlich nur ein Sieg von Erzgebirge Aue bei Darmstadt 98 gefehlt. Doch die Ostdeutschen enttäuschten auf ganzer Linie, verloren mit 0:6, stiegen ab, und sorgten dafür, dass die Hamburger in der Jägerrolle bleiben. "Der psychologische Aspekt kann eine Rolle spielen. Die Jungs wollen, sie wehren sich. Sie können sich nicht hinter dem Trainer verstecken, sie müssen aus sich rauskommen. Das spürst du. Es reifen Führungsspieler heran", erklärte der 40-Jährige und fügte eine kleine sportliche Kampfansage an die Konkurrenz an. "Es gibt bei der Verrücktheit der Liga keine Garantien. Wir müssen uns weiter auf uns konzentrieren. Wenn wir das gut hinbekommen, werden wir den Rest der Saison erfolgreich gestalten können. Mit zwei Siegen kann noch etwas gehen", sagte Boldt.

Leistet ein Ex-HSV-Trainer wichtige Schützenhilfe im Aufstiegskampf?

Aktuell rangiert der HSV nach dem Sieg im 1000. Auswärtsspiel in den ersten beiden Profiligen drei Punkte hinter Darmstadt auf Rang vier. Somit ist klar, dass man auf Schützenhilfe im Endspurt angewiesen ist. Bei den glückseligen HSV-Fans ist nun ausgerechnet ein Ex-HSV-Trainer der große Hoffnungsträger. Am Freitag spielt Daniel Thioune mit Fortuna Düsseldorf gegen die "Lilien". Mit einem Sieg der Fortunen, die zuletzt elf Spiele in Folge ungeschlagen sind, würde sich die Ausgangslage komplett ändern. Sollte der HSV seine Hausaufgaben gegen Hannover machen.

Daran hat beim HSV aber in diesen Tagen keiner einen Zweifel. In Ingolstadt lieferte das Walter-Team eine seriöse, geduldige und spielfreudige Vorstellung ab. In der Vergangenheit passten sich die Hamburger gerne einmal dem vermeintlich kleineren Team an, nicht aber am Sonnabend. Von Minute eins an strahlte der HSV aus, dass es an diesem Tag nur einen Sieger geben kann. "Das hat auch mit der Spielidee zu tun. Wir wollten bewusst eine Basis haben, von der die Jungs selbst überzeugt sind. Sie bringen sich unglaublich gut ein, auch im gesamten Verein", lobte Boldt.

HSV-Vorstand sieht Trainer und Mannschaft auf gutem Weg

Dass es in der Mannschaft stimmt, zeigte sich vor allem nach dem Tor vom bis dato so glücklosen Null-Tore-Stürmer Mikkel Kaufmann. Mit seinem Premierentreffer ist der 20 Jahre alte Däne der 17. (!) Spieler, der sich in dieser Saison in die Torschützenliste eintragen konnte. Nach dem Tor zum 4:0 stand komplette HSV-Bank auf und feierte Kaufmann, der selbst aus dem Dauergrinsen gar nicht mehr herauskam. "Alle haben sich für ihn gefreut. Für ihn das erste Tor ist einfach eine schöne Geschichte. Kaufi ist ein beliebter Typ. Er hat sich das verdient, weil er immer Gas gibt. Er spielt immer für die Mannschaft, kämpft und ackert immer viel. Es ist einfach schön, dass er sich heute endlich mal belohnen konnte", lobte Kapitän Sebastian Schonlau, der in seinem 100. Zweitliga-Spiel seinen dritten Treffer für den HSV erzielen konnte.

Tim Walter jubelte nach dem Ingolstadt-Sieg im Kreis seiner Spieler. Zur Mannschaft hat der HSV-Trainer einen guten Draht.
Tim Walter jubelte nach dem Ingolstadt-Sieg im Kreis seiner Spieler. Zur Mannschaft hat der HSV-Trainer einen guten Draht. © Picture Alliance

Bleibt die Frage: Belohnt sich der HSV in der Schlussphase der Saison selbst mit dem Aufstieg? Unabhängig vom Ausgang kämpft der in der Kritik stehende Sportvorstand Boldt um die Fortsetzung des eingeschlagenen Weges. Gemeinsam mit Trainer Walter. "Meine Person hat großes Vertrauen in das Trainerteam und in die Mannschaft. Auch die Fans spüren das, wenngleich manchmal Ungeduld da ist, wenn du Spiele nicht gewinnst. Aber das Feedback ist immens groß und positiv, weil die Leute sagen, dass sie sich mit dem Weg identifizieren können, dass sie eine Truppe sehen, die alles für den Verein gibt und hinter der sie gerne stehen", sagte Boldt.

Der Aufsichtsrat der Hamburger hatte klar gemacht, dass er nach dem letzten Spiel der Saison einen Strich unter die Saison machen wird, und anschließend entscheiden will, ob es mit dem Führungsquartett weitergehen wird. Ausgang? Alles ist möglich. "Wenn wir in dieser Konstellation zusammenbleiben, dann kann hier richtig etwas wachsen. Und genau das ist, was dem HSV die letzten zehn bis 20 Jahre gefehlt hat. Es gab von außen selten dieses Gefühl, dass eine richtige Einheit und Geschlossenheit herrscht. Aber nur so wirst du auf Strecke bestehen. Ansonsten wirst du jedes Jahr alles umschmeißen und von Neuem beginnen“, so der HSV-Sportvorstand, dessen Arbeit selbst auf dem Prüfstand steht.

Weitere Argumente für die Fortsetzung der gemeinsamen Arbeit kann der HSV in den kommenden beiden Spielen sammeln.