Hamburg. Beim Spiel in Ingolstadt geht es für den HSV um alles – und für Sonny Kittel beim Ex-Club um seine eigene Zukunft.

Als der HSV das bislang letzte Mal beim FC Ingolstadt spielte, hatte Sonny Kittel einen Streit. Der Mittelfeldspieler legte sich nach dem Schlusspfiff mit Fiete Arp an. Die Hamburger hatten 2:1 gewonnen, waren auf Kurs Wiederaufstieg, und Kittel war genervt. Dezember 2018. Der heutige HSV-Profi spielte damals noch für Ingolstadt. Am Ende der Saison stiegen die Bayern in die Dritte Liga ab. Und so kam es, dass Kittel im Sommer 2019 ablösefrei nach Hamburg wechselte.

An diesem Sonnabend (13.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) spielt der HSV erstmals wieder in der bayerischen Stadt an der Donau. Kittel ist diesmal auf der anderen Seite dabei. Wobei fraglich ist, ob der beste HSV-Scorer der bisherigen Saison (8 Tore/16 Vorlagen) und erfolgreichste Vorbereiter der Liga von Beginn an spielen darf. Nachdem die Mannschaft von Tim Walter ohne Kittel in der Anfangsformation zuletzt zwei Siege in Serie holte (3:0 gegen Karlsruhe, 4:2 in Regensburg), wird der Trainer auch in Ingolstadt voraussichtlich wieder auf eine Doppelspitze aus Mikkel Kaufmann und dem unter der Woche erkälteten Robert Glatzel setzen.

Bleibt Sonny Kittel Joker beim HSV?

Edeltechniker Kittel als Edeljoker? In Regensburg vor einer Woche hatte das gut geklappt. Als die lauf- und zweikampfstarken Regensburger müde wurden, brachte Walter seinen Lieblingsschüler, der bei beiden Toren zum 3:2 und 4:2 in der Entstehung seine Füße im Spiel hatte. Am Ende holte Kittel den Elfmeter zum Endstand heraus. Es war der 61. Scorerpunkt im 100. Pflichtspiel für den HSV. So viele wie in dieser Saison waren es zuvor noch nicht. „Sonny spielt eine herausragende Saison. Die beste, die er für den HSV gespielt hat“, sagte Walter vor Kittels Wiedersehen an alter Wirkungsstätte.

Der 46-Jährige hat den sensiblen Offensivspieler in dieser Saison so viel Vertrauen gegeben wie noch kein HSV-Trainer vor ihm. Doch auch Walter ist nicht entgangen, dass Kittel in der entscheidenden Saisonphase wie schon in den zwei Jahren zuvor in ein Leistungsloch fiel. Und genau das ist auch der Grund, warum sich die Verantwortlichen beim HSV mit der Frage beschäftigen, wie es nach dieser Saison mit Kittel im Volkspark weitergeht.

Schaffen die Hamburger doch noch den Aufstieg, ist die Frage einfach beantwortet. Dann spielt der 29-Jährige mit dem HSV in der kommenden Saison in der Bundesliga. Kittels großer Traum ist es, noch einmal im Stadion von Eintracht Frankfurt zu spielen. Dort, wo im August 2010 als 17-Jähriger mit einem Einsatz gegen den HSV alles begann – in der Bundesliga.

Kittel vor dem HSV-Aus bei Nichtaufstieg

Wahrscheinlicher aber ist – Stand jetzt – dass die Hamburger auch in der kommenden Saison wieder in der Zweiten Liga in Sandhausen, Heidenheim oder Regensburg spielen. Ob Kittel trotz Vertrags bis 2023 dann noch dabei wäre, ist offen. Denn es sind genau diese Spiele, in denen der frühere Juniorennationalspieler wiederkehrende Probleme hat. Spiele, in denen die Gegner aggressiv und körperbetont zu Werke gehen. So wie es an diesem Sonnabend auch der FC Ingolstadt tun wird. „Ich gehe davon aus, dass wir ein richtig ekelhafter Gegner für den HSV sein werden“, sagte Trainer Rüdiger Rehm vor dem Spiel.

HSV-Coach Walter erwiderte: „Wir können auch eklig sein.“ Kittel aber kann das nicht. Das zeigen Zahlen. Wie die Plattform Impact anhand verschiedener Daten ermittelt hat, gehört Kittel zu den defensivschwächsten Spielern der Zweiten Liga. Dabei geht es um Zweikampfwerte in der Rückwärtsbewegung.

Kittel genießt in dieser Hinsicht unter Walter einen Sonderstatus. Tommy Doyle etwa wollte der Coach in der Hinrunde nicht einsetzen und verwies als Begründung stets auf die defensiven Schwächen des Engländers, dessen Leihe nach nur einem halben Jahr abgebrochen wurde. Ähnlich verhält es sich mit dem Georgier Giorgi Chakvetadze.

Schießt Kittel den HSV zum Aufstieg?

Kittels Argumente sind seine Torbeteiligungen. Am Sonnabend wird der HSV diese dringender brauchen als je zuvor. Und das ausgerechnet in Ingolstadt. Drei Jahre verbrachte Kittel dort zwischen 2016 und 2019, zweimal stieg er mit dem FCI ab. Trotzdem blickt er positiv auf die Zeit zurück – weil er sich von zuvor vier schweren Knieverletzungen erholte. „Die Mediziner haben mich stabilisiert. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe in Ingolstadt zu alter Stärke gefunden“, sagte er vor dem Hinspiel. „Ich habe noch viele Freunde da.“

In der kommenden Saison wird Kittel unabhängig von seiner HSV-Zukunft nicht wieder auf diese Freunde treffen. Ingolstadt steht als Absteiger schon fest. Kittel weiß, wie sich das anfühlt. Das Gefühl eines Aufstiegs kennt er dagegen noch nicht. Er wird in den letzten drei Spielen aber alles dafür tun, das noch zu erleben. Damit die Frage, ob es im Sommer zum Abschied kommt, gar nicht weiter diskutiert wird.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

  • Ingolstadt: Jendrusch – Heinloth, Antonitsch, Musliu, Franke – Preißinger, Röhl – Gebauer, Pick – Schmidt, Bilbija.
  • HSV: Heuer Fernandes – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim – Reis, Meffert – Jatta, Suhonen – Glatzel, Kaufmann.