Hamburg. Der neue Geschäftsführer Christian Hüneburg und Sportchef Johannes Bitter sprechen über Zukunftspläne, das Sponsoring und den Kader.
Vom großen Stühlerücken beim HSV Hamburg (HSVH) ist auf der Geschäftsstelle am Volkspark kaum noch etwas zu sehen. Ende September hatte sich der Handball-Bundesligist von seinem langjährigen Geschäftsführer Sebastian Frecke getrennt, auch Präsidium und Aufsichtsrat wurden im Sommer neu besetzt. Das Namensschild an Freckes altem Büro ist längst ausgetauscht.
Die neuen Chefs heißen Christian Hüneburg und Johannes Bitter, gemeinsam haben der neue Geschäftsführer und der nach seinem Karriereende nun als Sportdirektor tätige Ex-Nationaltorwart ein Arbeitszimmer bezogen. Bei der Büro-Verteilung auf der Geschäftsstelle gibt es einige Änderungen, aus der direkt angeschlossenen Kabine und Trainingshalle schallt aber immer noch die gleiche gute Laune und Musik, als sich die Mannschaft auf das Spiel gegen den HC Erlangen (So, 15 Uhr/Sporthalle Hamburg/Dyn) vorbereitet.
Handball: Geschäftsführer Hüneburg und Sportchef Bitter teilen sich ein Büro
Hamburger Abendblatt: Herr Bitter, wie oft biegen Sie noch falsch ab, wenn Sie morgens auf die Geschäftsstelle kommen?
Bitter: Tatsächlich nie. Das liegt aber auch daran, dass ich als Spieler meistens erst wenige Minuten vor dem Trainingsstart da war, in der Kabine schon ein gewisser Geräuschpegel herrschte und ich so wusste, wo ich hingehen muss. (lacht) Spaß beiseite – auch wenn es der erste Bürojob in meinem Leben ist, finde ich den Weg zum Schreibtisch schon ganz gut. Sport gemacht habe ich hier in den vergangenen fünf Wochen überhaupt nicht, sondern nur einige Male zu Hause mit meinem Sohn trainiert. Seit der Corona-Zeit stehen bei ihm im Zimmer einige Fitnessgeräte.
Herr Hüneburg, Sie haben in Ihrem Leben hingegen schon einige Bürojobs gemacht …
Hüneburg: … und auch hier hat es sich schon gut eingespielt. Wir haben ein paar Dinge bewusst verändert, wie etwa die Verbindungstür zwischen den Büros von Finance und Ticketing zu öffnen, sodass wir einen agileren Austausch zwischen den Teams haben. Johannes und ich sitzen uns direkt gegenüber und müssen nur einmal am Bildschirm vorbeigucken, wenn es Gesprächsbedarf gibt.
Bitter: Nur etwas kahl ist es noch bei uns. Christian hat mich schon beauftragt, es ein bisschen schöner zu machen und vielleicht ein, zwei Bilder in unserem Büro aufzuhängen.
Hüneburg: Damit es auch wirklich schön wird. Ich wäre da der Falsche für. (lacht)
Hüneburg konzentrierte sich bisher vor allem auf das Sponsoring
Wenn nicht auf Bilder, worauf haben Sie in den ersten Wochen als Geschäftsführer stattdessen den Fokus gelegt?
Hüneburg: Neben dem Thema Finanzen lag der Schwerpunkt bisher auf dem Bereich Sponsoring und Vertrieb. Wir haben in dieser Woche eine dritte Vollzeitstelle in unserem Vertriebs- und Akquiseteam besetzt. Mit dieser zusätzlichen Ressource wollen wir vor allem auf Neukunden-Akquise setzen und Unternehmen ansprechen, die bisher noch keine Berührungspunkte mit dem Thema Handball hatten. Es ist wichtig, dass wir nicht nur in unserem eigenen Dunstkreis bleiben, sondern uns aktiv den Unternehmen vorstellen.
Wie viele Sponsoren haben Sie aktuell?
Hüneburg: Zu wenig.
Und wie viel Potenzial sehen Sie?
Hüneburg: Ich bin generell kein Freund davon, konkrete Zahlen zu nennen. Insgesamt ist es auch noch zu früh, das zu beziffern. Wenn wir morgen fünf neue Partner für jeweils 250 Euro gewinnen, sieht das auch total cool aus, hilft uns aber nicht weiter, wenn dann ein großer Partner abspringt. Wir haben einen Fünfjahresplan, über den ich aber noch nicht genauer sprechen möchte.
Herr Bitter, müssen Sie auch bei der Sponsoren-Akquise mithelfen, um das im Frühjahr während des Lizenz-Dramas verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen?
Bitter: Auch wenn meine offizielle Jobbezeichnung Sportdirektor ist, war von Anfang an klar, dass ich auch in dem Bereich helfen werde. Ich glaube, dass es immer noch viele Menschen gibt, die ich erreichen kann. Weil ich die Lizenzthematik mitbegleitet habe, bin ich auch die richtige Person, um den Brückenschlag in die Zukunft zu schaffen.
Was ist Ihnen lieber: Einen Spieler oder einen Sponsor verpflichten?
Bitter: Ich muss keinen Hehl daraus machen, dass es mir mehr Spaß macht, Geld auszugeben. (lacht) Ich habe in der Vergangenheit aber auch schon das Glück gehabt, einige Sponsorendeals einzutüten. Das ist schon toll und macht mir auch Spaß, weil in solchen Momenten beide Seiten einen Mehrwert bekommen.
Hüneburg: Johannes und ich sind in unseren Rollen natürlich auch immer Bestandteil des Sponsoring-Teams. Extrem wertvoll ist für uns auch die Unterstützung von Philipp J. Müller, Kay Spanger und Wilken Möller. Wir arbeiten hervorragend zusammen und ergänzen uns sehr gut. Sie bringen ein wichtiges Netzwerk mit. Es ist bewundernswert, wie viel Zeit und Energie die drei neben ihren eigenen Aktivitäten und Unternehmen noch in den HSVH investieren.
Neue Halle ist in der Prioritätenliste weit hinten
Wie blicken Sie auf die Hallensituation in Hamburg? Und wie sehr wünschen Sie sich eine Spielstätte mit einer Kapazität zwischen der Sporthalle Hamburg (4100 Zuschauer) und der Barclays Arena (12.000 Zuschauer)?
Hüneburg: Wir würden es natürlich sehr begrüßen. Aber aktuell haben wir genug damit zu tun, den Status quo weiterzuentwickeln. Wenn eine neue Halle in vier, in fünf oder auch in zehn Jahren kommt, sind wir glücklich. Wir können bis dahin aber nicht warten und die Hände in den Schoß legen. Wenn die neue Halle nicht kommt, wird und muss es uns trotzdem weiterhin geben.
Nach unseren Informationen gab es unter Ihrem Vorgänger Sebastian Frecke die Überlegung, am Nedderfeld mit der Hilfe eines Investors eine neue Halle zu bauen. Frecke wäre dem Vernehmen nach auch bereit gewesen, das Thema weiter für Sie voranzutreiben und seine Kontakte zu nutzen. Haben Sie das Angebot angenommen?
Hüneburg: Nein, weil wir momentan einfach zu viel zu tun haben und aktuell nicht zu großen Fokus auf dieses Thema legen können. Wenn alle anderen Bereiche funktionieren, kann man sich mit einer Immobilie beschäftigen. Aber nicht als Erstes.
Diese Priorisierung ist neu. In der Vergangenheit hieß es, dass eine neue Halle zwingend gebraucht wird, um wirtschaftlich bestehen zu können.
Hüneburg: Das wäre traurig, wenn es so wäre. Wir können unser Geschäftsmodell nicht auf etwas aufbauen, was nicht in unserer Hand liegt, aber es wäre natürlich ein Quantensprung für unsere Entwicklung.
Bitter: Es stimmt, dass es ein Umdenken bei uns gibt. Wir müssen so kreativ sein, dass es mit den aktuellen Gegebenheiten funktionieren kann. Darauf liegt jetzt unser Fokus. Natürlich hätte eine weitere Halle viele Vorteile für uns, wenn sie gut zu unseren Bedürfnissen passt. Aber auch dann müssten wir schauen, wie wir die Rahmenbedingungen bestmöglich nutzen und bespielen können. Sicher ist, dass wir nicht selbst eine neue Halle bauen können. Planung, Bau und Betrieb sind viel zu kostenintensiv, als dass wir das als Verein stemmen könnten.
Hüneburg: Wenn sich das Thema weiterentwickelt, werden wir es auch mit anschieben und unterstützen, in dieser Planungsphase aber noch nicht.
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Auch im sportlichen Bereich ist das Geld der limitierende Faktor. Wie schwer ist es, mit Ihrem begrenzten Budget eine bundesligataugliche Mannschaft aufzustellen?
Bitter: Wir merken, dass wir auf dem Transfermarkt noch mehr Risiko gehen müssen. Wir müssen die Spieler noch früher ansprechen, noch besser scouten. Bei Dani Baijens, der jetzt in Paris Champions League spielt, ist uns das gelungen, als wir ihn aus der Zweiten Liga geholt haben. Auch bei Zoran Ilic waren wir früh dran. Das hat man daran gemerkt, dass drei Wochen nach seiner Unterschrift bei uns Clubs angefragt haben, die ihn wieder herauskaufen wollten. Auch wenn wir nicht die besten Gehälter zahlen können, darf man nicht vergessen, dass die Stadt Hamburg für viele auch ein zusätzliches Argument ist, zu uns zu kommen.
Am 22. Dezember werden Sie im Heimspiel gegen die SG Flensburg-Handewitt (15 Uhr, Barclays Arena) ein letztes Mal im Bundesligakader stehen. Überwiegt bei Ihnen der Wehmut oder die Vorfreude?
Bitter: Die Vorfreude. Ich merke übrigens, dass mein Puls als Zuschauer genauso hoch ist wie noch zu meiner Zeit als Spieler. Ich werde gegen Flensburg nicht auflaufen, ohne in den nächsten Wochen regelmäßig trainiert zu haben – und dementsprechend morgens auch noch einige Male in die Trainingshalle abbiegen. Und wenn es am Ende nur für zwei Minuten Spielzeit ist.