Hamburg. Nationaltorwart Johannes Bitter kehrt im Sommer zum Zweitligisten HSV Hamburg zurück. Die Hintergründe eines Transfer-Coups.

Es war bereits spät am Abend des 24. November, als Sebastian Frecke in der 50. Spielminute des Zweitligaderbys zwischen dem HSV Hamburg (HSVH) und dem VfL Lübeck-Schwartau die Nummer von Johannes Bitter in sein Handy tippte. Der HSVH lag nach schwacher Torhüterleistung mit drei Toren zurück. Und obwohl das Spiel am Ende auch mit 28:31 verloren ging, dürften sich die Gedanken des HSVH-Geschäftsführers nach dem Spiel vor allem um das positive Gespräch mit Nationaltorhüter Bitter gedreht haben.

Es blieb nicht das einzige Telefonat: Bitter unterschrieb am Montag einen Vertrag bis Sommer 2026 – und schlug gleichzeitig ein finanziell deutlich attraktiveres Angebot des FC Barcelona aus. „Es gab verschiedene Angebote, über die ich nachgedacht habe. Hamburg ist aber eine Herzensangelegenheit“, sagt Bitter.

Knapp 13 Wochen nach dem ersten Anruf sitzen Bitter und Frecke nebeneinander auf dem Podium der Pressekonferenz und grinsen um die Wette. „Als ich Jogi angerufen habe, habe ich im Hintergrund gehört, dass er dasselbe Spiel schaut wie ich. Dann habe ich zu ihm gesagt, dass wir uns vielleicht einmal unterhalten sollten. Das war dann der Startschuss, um in die Gespräche einzusteigen“, erklärt Frecke den Coup.

Wie sehr Bitter an Hamburg hängt

Bitter war zu Erstligazeiten beim HSV Handball von 2007 bis zur Insolvenz im Dezember 2015 Publikumsliebling, wurde 2010 deutscher Pokalsieger, 2011 Deutscher Meister und 2013 Champions-League-Sieger. Obwohl Bitter seit 2016 beim TVB Stuttgart unter Vertrag steht, riss der Kontakt nach Hamburg nie ab, in dieser Saison verpasste er kein einziges Spiel des HSVH. Zudem pendelte er wöchentlich nach Hamburg, um seine drei Söhne zu sehen und seinem Nebenjob als Geschäftsführer der in Tangstedt sitzenden Firma „Drinkbetter“, mit der er natürliche Nahrungsergänzungsdrinks vertreibt, nachzugehen.

„Ich bin unglaublich froh, die vergangenen Tage waren auch für mich sehr aufregend. Ich hänge sehr an Hamburg, die Zeit damals war besonders“, sagt Bitter. Für ihn sei es keine Frage gewesen, irgendwann nach Hamburg zurückzukehren. „Nachdem wir im Dezember konkreter gesprochen haben, hat es bei mir Klick gemacht. Dann wollte ich alles versuchen, dass der Wechsel funktioniert. Ich saß nach der WM in Hamburg im Wohnzimmer und habe mir gesagt: das soll es sein“, erinnert sich der 2,05 Meter große Athlet.

Insbesondere die langfristige Perspektive sei für ihn ausschlaggebend gewesen. „Wenn mich der HSV Hamburg verpflichtet, geht es nicht darum, ein Jahr lang viel Geld zu verdienen. Mir war die Perspektive wichtig. Und es spricht nichts dagegen, dass ich noch ein paar Jahre spiele“, sagt Bitter.

HSV Hamburg: Sponsoren beteiligen sich an Bitter-Gehalt

Auch weil sich mehrere begeisterte Sponsoren an Bitters Gehalt beteiligen, konnte der HSVH den Transfer realisieren. „Wir hatten große Namen als Mitbewerber und sind froh, dass es nicht nur finanzielle, sondern auch weiche und zum Teil emotionale Faktoren gibt, die dazu geführt haben, dass Jogi nach Hamburg zurückkommt“, freut sich HSVH-Präsident Marc Evermann.

Man habe die Vertragsgespräche stets transparent miteinander geführt, erklärt Geschäftsführer Frecke. „Ohne den Verzicht von Jogi wäre der Transfer nicht möglich gewesen“, stellt Frecke klar. Nachdem der HSVH den Deal am Montag offiziell verkündete, überschlugen sich die Reaktionen. „Das Feedback war heute bereits nach eineinhalb Stunden beeindruckend. Es sind schon Dauerkartenbestellungen für die nächste Saison eingetrudelt, obwohl wir die Karten noch gar nicht anbieten“, berichtet Frecke.

Neben seiner Hauptrolle als Spieler werde Bitter auch außerhalb der Halle für den Verein aktiv sein. „Er ist eine riesige Identifikationsfigur und ein Vorbild für alle. Wir werden ihn auch gesamtstrategisch einbinden“, sagt Evermann. Wie genau Bitter dem Verein beispielsweise bei der Pflege des Sponsorennetzwerks helfen kann, werde man in den kommenden Monaten erörtern.

HSVH-Präsident Marc Evermann, Torwart Johannes Bitter und Geschäftsführer Sebastian Frecke (v.l.).
HSVH-Präsident Marc Evermann, Torwart Johannes Bitter und Geschäftsführer Sebastian Frecke (v.l.). © WITTERS | TimGroothuis

Nach Bitter-Coup: Wird der HSV Hamburg einen Torwart los?

Obwohl der HSVH zurzeit neben dem VfL Gummersbach und TuS N-Lübbecke zu den Aufstiegsfavoriten zählt, sei die Bundesliga für Bitter keine Bedingung. „Ich freue mich natürlich, wenn wir nächstes Jahr wieder im großen Becken schwimmen. Ich möchte den Verein mit einem kleinen Raketenantrieb ausrüsten“, sagt Bitter. Dabei könne er insbesondere den vielen jungen Akteuren beim HSVH helfen. „Wenn ich vor fünf Jahren einen jungen Spieler nach einem Fehler angeschrien habe, nehme ich denjenigen heute eher väterlich in den Arm, um ihn zu stärken“, sagt Bitter.

In Hamburg trifft er mit Trainer Torsten Jansen auf einen ehemaligen Teamkollegen. Probleme in der Hierarchie erwarten beide jedoch nicht. „Ich kenne Toto seit 20 Jahren. Wir haben acht, neun Jahre hier in Hamburg zusammengespielt und uns bei der Nationalmannschaft das Zimmer geteilt. Ich sehe aber null Probleme, dass wir da keine vernünftige Hierarchie haben werden“, sagt Bitter. „Wir kennen uns gut, ich glaube nicht, dass uns das in irgendeiner Form belasten wird. Ganz im Gegenteil, er hat in den letzten Jahren viele Erfahrungen gesammelt“, betont auch Jansen.

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Nachdem der HSVH am vergangenen Freitag mit Jens Vortmann (33) einen weiteren Torwart als Soforthilfe verpflichtete, stehen Jonas Maier (27) und Marcel Kokoszka (22) unter Druck. Beide haben Verträge bis zum Sommer 2022, kämpfen aber bereits jetzt um ihre Zukunft im HSVH-Tor. An diesem Mittwoch (20 Uhr/sportdeutschland.tv) muss ein Torhüter im Heimspiel gegen die SG BBM Bietigheim erstmals in dieser Saison auf der Tribüne Platz nehmen. Weder Maier noch Kokoszka konnten zuletzt mit Konstanz überzeugen. Sich der Konkurrenz kampflos geschlagen geben, ist für beide aber keine Option.