Hamburg. Handballer zitterten wochenlang um die Bundesliga-Spielberechtigung. Jetzt ist auch der Aufsichtsrat gefordert. Ein Kommentar.

Sebastian Frecke hat sich für diesen Sommer etwas vorgenommen. Wenn die Profis des HSV Hamburg (HSVH) zur Vorbereitung auf die neue Saison der Handball-Bundesliga (HBL) ins Trainingslager nach Fuerteventura reisen, will der Geschäftsführer mit im Flugzeug sitzen. Auch wenn Frecke im Urlaubsresort des HSVH-Sponsors Playitas nicht über längere Zeit faul am Pool liegen dürfte, hätte er die kurze Auszeit doch redlich verdient.

Die vergangenen Wochen, in denen die Hamburger um die Lizenz für die kommende Erstligasaison bangen mussten, waren belastend. Einerseits für die Spieler und das Trainerteam um Torsten Jansen, die vor einer ungewissen Zukunft standen. Andererseits aber auch für die HSVH-Verantwortlichen, die die Vorgaben deutscher Arbeitsschutzgesetze in Sachen Überstunden sehr großzügig auslegen mussten, um fehlende Gelder aufzutreiben und den Prozess vor dem Schiedsgericht vorzubereiten. Verständlich: Ein Lizenzentzug hätte wohl für die 40 Angestellten nicht nur den Arbeitsplatzverlust bedeutet, sondern auch eine zerstörerische Wirkung auf Jahrzehnte für den Hamburger Profihandball gehabt. Seit Mittwoch ist die Rettung offiziell.

Handball: HSVH-Geschäftsführer Frecke stand unter Dauerstress

Frecke ist dabei einerseits zu loben. So gelang es dem 38-Jährigen, den Hamburger Profi-Investor Philipp Müller innerhalb von zwei Wochen davon zu überzeugen, dem Verein 4,1 Millionen Euro zu überweisen. Diese Summe hatte die Lizenzierungskommission der HBL vom HSVH gefordert, um eine errechnete Liquiditätslücke zu schließen. Auch eine weitere Sicherheitsleistung in Höhe von knapp über zwei Millionen Euro, die das Schiedsgericht zusätzlich vom HSVH verlangt hatte, überwies Müller auf ein Konto der HBL. Ohne diese mehr als sechs Millionen Euro wären die Hamburger ohne jegliche Hoffnung auf einen Bundesligaverbleib gewesen.

An dieser Stelle muss man Frecke andererseits aber auch die kritische Frage stellen, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Wieso muss der HSVH innerhalb weniger Wochen eine Summe in Höhe eines Saisonbudgets auftreiben?

Wirtschaftliche Lage des HSVH ist kompliziert

Dazu muss man wissen, dass der HSVH schon beim Drittliganeustart 2016 rund 700.000 Euro Altlasten des insolventen Vorgängervereins HSV Handball mit sich herumtrug. In den vergangenen acht Jahren wuchs dieser Schuldenberg weiter an, insbesondere seit der Saison 2020/21, an deren Ende der Wiederaufstieg in die Bundesliga stand. So klagte der HSVH etwa für den Zeitraum vom 31. Juli bis 31. Dezember 2021 auf Corona-Hilfen in Höhe von 651.000 Euro, verlor in diesem Fall aber vor dem Bundesverwaltungsgericht. Das Problem: Im Referenzzeitraum 2019 waren die Hamburger noch Zweitligist, das Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln sah aber keine Regelungen für Aufsteiger vor.

Auch vom Bezirksamt Nord hatte der HSVH im vergangenen Jahr keine Kompensationszahlungen erhalten, als die Sporthalle Hamburg wegen Mängeln an der Dachkonstruktion saniert werden und der HSVH für neun Spiele in die weit teurere Barclays Arena umziehen musste, dort bei vielen Spielen ein Minus erwirtschaftete. Die knapp 60 Jahre alte Sporthalle Hamburg ist allerdings auch keine langfristige Lösung, gerade mal 250 VIP-Gäste passen in die längst ausvermarktete Halle. Einen Fehler machte Frecke, als er in der vergangenen Saison auf Investoren hoffte, die Anteile an der Spielbetriebsgesellschaft erwerben und für zusätzliches Eigenkapital sorgen sollten. Letztendlich rettete nur Müller den Club.

Frecke muss als Geschäftsführer entlastet werden

Abgesehen von einer neuen, mittelgroßen Halle, die auch die Basketballer der Towers benötigen, braucht der HSVH künftig ein breiter aufgestelltes Management. Frecke war in vielen Bereichen zuletzt der Alleinunterhalter, akquirierte Sponsoren, verhandelte Spielerverträge. Torhüter Johannes Bitter (41), der zuletzt mit dem Gedanken spielte, noch eine weitere Saison im Tor zu stehen, sollte sich schon in diesem Sommer seiner neuen Tätigkeit als Sportdirektor widmen, um Frecke zu entlasten.

Mehr zum Thema

Darüber hinaus ist der neue Aufsichtsrat gefordert, künftig nicht mehr nur beratend, sondern als tatsächliches Kontrollgremium tätig zu sein. Zuletzt waren durch Abendblatt-Recherchen Streitigkeiten zwischen dem Präsidium auf der einen sowie der Geschäftsführung und der Mannschaft auf der anderen Seite bekanntgeworden. Dieser Streit muss schnellstmöglich beigelegt werden – wenn nötig mit schmerzhaften Personalentscheidungen. Nur mit interner Geschlossenheit kann der HSVH zur Stabilität zurückfinden.