Hamburg. „Beleidigt wurde noch keiner“ – aber bei Hamburgs Handballern werden wohl nach der Lizenz-Entscheidung Verantwortliche gehen müssen.

Philipp Müller hatte seine Currywurst am Montagabend fast schon aufgegessen, als Marc Evermann nach dem Ende der außerordentlichen Mitgliederversammlung im Haus des Sports am Schlump auf ihn zukam. Evermann, Präsident des HSV Hamburg (HSVH), gab dem Investment-Experten die Hand, gratulierte ihm zur Wahl in den Aufsichtsrat des Handball-Bundesligisten und wechselte ein paar kurze Worte. Es war eine wenig herzliche Begegnung, die symbolisch für den zerrütteten Gesamtzustand des Verein stand.

Zur Erinnerung: Müller hatte der Spielbetriebsgesellschaft des HSVH am 2. Mai 4,1 Millionen Euro überwiesen, wodurch der Verein eine von der HBL-Lizenzierungskommission errechnete Liquiditätslücke schloss. Weil das Geld am 3. Mai aber erst 65 Minuten nach dem von der HBL gesetzten Fristende auf dem Konto eintraf, verweigerte die Liga den Hamburgern die Lizenz. Am Donnerstag entscheidet nun das Schiedsgericht im Maritim-Hotel am Hannoveraner Flughafen letztinstanzlich darüber, ob der HSVH doch noch die Spielberechtigung für die neue Saison erhält.

Handball: HSV Hamburg steckt im Machtkampf

Durch Abendblatt-Recherchen war bereits vor eineinhalb Wochen bekannt geworden, dass im Verein derzeit ein Machtkampf herrscht, an dessen Ende Vizepräsident Martin Schwalb und Schatzmeister Stephan Harzer ihre Posten verlieren könnten. Insbesondere Harzer hatte zuletzt intern Stimmung gegen Geschäftsführer Sebastian Frecke gemacht, die verspätete Überweisung und eine befürchtete Abhängigkeit von Investor Müller waren dabei zentrale Kritikpunkte.

Abgesehen von Harzer und Schwalb soll aber auch Präsident Evermann den Einstieg Müllers kritisch gesehen haben. Geschäftsführer Frecke hält dagegen, dass der Verein ohne das Geld des 46-Jährigen bereits jetzt ohne Hoffnung auf die Lizenz wäre. „Uns war klar, dass wir in den ersten drei bis vier Jahren in der Ersten Liga zusätzliche Gelder von Investoren, Gönnern oder Anteilseigner benötigen würden“, sagte Frecke am Montagabend.

Welche Rolle spielt der neue Aufsichtsrat?

Im Streit um die Zukunft des Vereins kristallisiert sich ein Kampf zwischen Evermann, Schwalb und Harzer auf der einen Seite sowie Frecke und Müller auf der anderen Seite heraus. Auch die Mannschaft und das Trainerteam, die an diesem Mittwoch (19 Uhr/Dyn) in der Sporthalle Hamburg gegen den ThSV Eisenach antreten, stehen auf der Seite von Frecke und Müller. Inmitten dieses Streits war der Aufsichtsrat zuletzt ohne substanziellen Einfluss, mehrere Räte traten frustriert zurück.

Der neue Aufsichtsrat des HSV Hamburg: Timo Glave, Philipp Müller, Wilken Möller, Kay Spanger und André van de Velde (v.l.). 
Der neue Aufsichtsrat des HSV Hamburg: Timo Glave, Philipp Müller, Wilken Möller, Kay Spanger und André van de Velde (v.l.).  © HSVH | HSVH

Dem seit Montagabend neuen Aufsichtsrat um Gesundheitswesen-Unternehmer Wilken Möller (Vorsitzender), Unternehmensberater Timo Glave, Rechtsanwalt André van de Velde, dem „erkorenen Mitglied“ Kay Spanger sowie Investor Müller dürfte nun eine größere Bedeutung zukommen. Denn während das Kontrollgremium zuletzt eine eher vermittelnde Rolle einnehmen wollte, hat es in Müller nun auch mindestens ein Mitglied, das dem Präsidium kritisch gegenübersteht.

Evermann kündigt Veränderungen an

„Wir sind überzeugt, dass die Managementstruktur zu analysieren und anzupassen ist“, sagte Präsident Evermann am Montagabend. „Wir werden ab Juni die notwendigen Veränderungen umsetzen – völlig ohne persönliche Eitelkeiten oder Animositäten.“ Denkbar sind dabei zurzeit zwei Varianten. Entweder, der mit Müller besetzte Aufsichtsrat beendet die Amtszeit von Evermann und bestellt einen neuen Präsidenten – was auch Auswirkungen auf Vizepräsident Schwalb und Schatzmeister Harzer hätte. Oder das Präsidium kommt dem Aufsichtsrat zuvor – und sorgt für ein Aus von Geschäftsführer Frecke.

Die Person, an der sich nach Abendblatt-Informationen die meisten Meinungen spalten, ist Schwalb. Die Fraktion um Frecke nervt, dass der frühere Trainer des HSV Handball zu selten anwesend ist und bei der Sponsoren- und Spieler-Akquise nicht hinreichend mithilft, während er ein hohes Beraterhonorar kassiert.

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Präsident Evermann stellte sich am Montagabend demonstrativ hinter seinen Freund. „Mir ist wichtig klarzustellen, dass Martin Schwalb den Verein mit anderen zusammen, unter anderem auch mit mir, aufgebaut und gegründet hat. Er hat sich sehr für den Verein eingesetzt“, sagte er. Schwalbs Honorar sei zudem seit Februar 2023 gestundet. „Er kommt dem Verein entgegen und zeigt weiterhin seine Leistungsbereitschaft. Das gleiche gilt für Stephan Harzer“, führte Evermann weiter aus. Damit kann wohl auch ausgeschlossen werden, dass sich der HSVH-Präsident freiwillig von Schwalb und Harzer trennt, um seinen eigenen Kopf zu retten.

„Auch wenn intensive und emotionale Diskussionen dazu geführt haben, dass man sich in der Sache mal ein bisschen auseinandergesetzt hat: Beleidigt wurde in diesem Verein noch keiner“, sagte Evermann. Doch auch ohne Beleidigungen ist der HSVH auf Konfrontationskurs.