Hamburg. Dem HSV Hamburg war die Lizenz verweigert worden, weil 4,1 Millionen Euro eine Stunde zu spät da waren. Jetzt spricht der Präsident.

Nach dem Lizenz-Desaster gingen die Verantwortlichen des HSV Hamburg (HSVH) zunächst einmal auf Tauchstation. Telefonanrufe? Erfolglos. Schriftliche Anfragen? Damit musste man es erst gar nicht versuchen. Zu tief sitzt bei Hamburgs Handballern offenbar der Schock, nachdem die Handball-Bundesliga (HBL) dem Verein am Freitagnachmittag die Lizenz für die kommende Spielzeit verweigert hatte.

Der HSVH legte bereits Protest ein, die Aussichten auf Erfolg sollen aber überschaubar sein. Sollte es bei der derzeitigen Entscheidung bleiben, müsste der HSVH einen Neustart in der Vierten Liga unternehmen, wo derzeit die zweite Mannschaft spielt. Sponsoren für einen erneuten Wiederaufbau wären nur äußerst schwer zu finden, dem Hamburger Handballer stünde ein Horrorszenario bevor.

Handball: Evermann äußert sich zum Lizenz-Desaster

Am Sonnabendmittag meldete sich schließlich Präsident Marc Evermann gegenüber dem Abendblatt zu Wort. „Im Moment können wir nur abwarten“, sagte Evermann. Der Verein habe unter hohem Zeitdruck alle Forderungen erfüllt, offenbar aber nicht rechtzeitig. Die Einzahlung eines Investors von 4,1 Millionen Euro auf das Konto der Spielbetriebsgesellschaft erfolgte am Freitag um 13 Uhr, eine Stunde nach Ablauf der von der Lizenzierungskommission gesetzten Frist.

Erschwerend kam offenbar hinzu, dass wegen des 1. Mai in den vergangenen zwei Wochen auch noch ein Werktag fehlte, um die ohnehin schwierige Transaktion in einem gesamtwirtschaftlich schwierigen Umfeld zu vollziehen. Besonders bitter: Das Überweisungslimit des Investors lag nach Abendblatt-Informationen bei drei Millionen Euro. Hätte er nur diese Summe überwiesen, wäre das Geld problemlos eingegangen. Auch diese drei Millionen Euro hätten wohl für die Erteilung der Lizenz ausgereicht.

Dem HSVH geht es finanziell sehr gut – aber dummerweise etwas zu spät

Die Lage wirkt aktuell grotesk. Die GmbH des Vereins ist jetzt nicht nur schuldenfrei, sondern verfügt über rund 1,2 Millionen Euro liquide Mittel, um etwaige Etatlücken in der nächsten Saison zu schließen. Mutmaßlich ist kein Verein der Handball-Bundesliga derzeit wirtschaftlich gesünder als der HSV Hamburg. Nur fehlt dem Club jetzt dummerweise die Spielberechtigung für die Bundesliga.

Anfang nächster Woche, voraussichtlich direkt am Montag, will das HBL-Präsidium über die Beschwerde des HSVH gegen den Lizenzentzug entscheiden. Das Gremium könnte sich dabei über das Votum der Lizenzierungskommission hinwegsetzen. Theoretisch.

HBL-Präsidium dürfte Lizenz-Absage bestätigen

Dies gilt allerdings als unwahrscheinlich, da das HBL-Präsidium nur etwa bei formalen Fehlern sein Veto einlegen könnte. Diese Fehler wurden offenbar nicht gemacht. Auch wenn die Frist nur knapp verfehlt wurde, gilt sie dennoch als verfehlt. Danach steht dem Verein als finale Option eine Schiedsklage beim verbandsinternen HBL-Schiedsgericht offen. Dort urteilen drei Richter noch in der laufenden Saison.

Nach Abendblatt-Informationen sollen die HBL-Verantwortlichen insbesondere vom Bergischen HC, der als Tabellenvorletzter von einem Lizenzentzug des HSVH profitieren würde, massiv unter Druck gesetzt worden sein, sich bei der Lizenzvergabe nicht angreifbar zu machen. Zugeständnisse gegenüber dem HSVH, wie eine Kulanz aufgrund der einstündigen Verzögerung beim Eingang der 4,1 Millionen Euro, könnte der BHC juristisch anfechten. Einen solchen Rechtsstreit will die HBL unbedingt vermeiden.

BHC-Klage ging beim Landgericht Dortmund ein

Am Donnerstag hatte der BHC, dessen einflussreicher Mitgründer und Geschäftsführer Jörg Föste auch als Vizepräsident des Deutschen Handballbunds (DBH) tätig ist, bereits rechtliche Schritte gegen die HBL eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt stand noch nicht fest, dass der HSVH die Lizenz nicht erhalten würde. Weil der BHC aber zunächst HBL-intern und in einem zweiten Schritt auch öffentlich bereits starke Zweifel an der wirtschaftlichen Stabilität des HSVH geäußert hatte, verlangte der Föste-Club Einsicht in die Lizenzierungsunterlagen des HSVH.

Weil die HBL dies mit Hinweis auf die in den Statuten festgelegte Geheimhaltung ablehnte, reichte der BHC eine Klage ein. Die Details und auch das zuständige Gericht wollte der Club auf Abendblatt-Nachfrage jedoch nicht preisgeben. Der Grund dafür könnte sein, dass der Club mit seiner Klage keinen Erfolg hatte.

Landgericht Dortmund wies Antrag zurück

Wie das Abendblatt erfuhr, versuchte es der BHC mit rechtlichen Schritten am Landgericht Dortmund. Eine Gerichtssprecherin bestätigte auf Abendblatt-Nachfrage, dass ein entsprechender Antrag des BHC in dieser Woche eingegangen sei, dieser aber bereits am Donnerstag zurückgewiesen worden sei.

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Für die HBL und den HSVH ist diese Entscheidung des Gerichts eine gute Nachricht, wenngleich sie den Hamburgern kaum helfen dürfte. Denn ein HSVH ohne Lizenz – und davon ist zum aktuellen Zeitpunkt auszugehen – würde für den BHC den Klassenerhalt bedeuten. Die Klage wäre somit ohnehin obsolet.