Hamburg. Handball-Ikone des HSV Hamburg spricht über seine aufsteigende Form, die Zukunft und das Duell mit dem THW Kiel.

Die Zahl ist so hoch, dass sie fast schon unglaubwürdig klingt. 644 Handball-Bundesligaspiele hat Johannes Bitter bisher absolviert, mit dem Heimspiel gegen den THW Kiel an diesem Freitag (20 Uhr/Dyn) in der Barclays Arena kommt ein weiteres hinzu. Der Torhüter des HSV Hamburg (HSVH), der seit dem Beginn seiner Profikarriere im Jahr 2002 fast alle großen Titel im Handball gewonnen hat, ist eine Ikone seines Sports.

Und doch könnten sich einige Fans wohl schon bald daran gewöhnen müssen, Bitter nicht mehr aktiv im Tor, sondern als Sportdirektor des HSVH zu sehen. Schon heute ist der 41-Jährige in die Kaderplanung des Teams fest integriert, der Wechsel ins Management beschlossene Sache. Nur der Zeitpunkt ist noch nicht klar. Beim Interviewtermin mit dem Abendblatt im Café „Planten Coffee“ spricht Bitter über die aktuelle Serie von fünf Siegen in Folge, gesundheitliche Probleme und seine Zukunft.

Handball: Bitter erklärt Siegesserie des HSV Hamburg

Hamburger Abendblatt: Herr Bitter, haben Sie momentan so viel Spaß an Ihrem Job wie schon lange nicht mehr?

Bitter: Natürlich macht es mehr Spaß, wenn man als Mannschaft erfolgreich ist. Die Stimmung ist eine andere als noch im Februar. Das merkt man im Bus, im Training oder auch in der Kabine. Als wir vergangene Woche nach dem Sieg in Hannover im Bus zurück nach Hamburg saßen, musste ich manchen Mitspielern noch mal deutlich machen, dass sie sich nach fünf Siegen in Folge gerne ein bisschen mehr freuen dürfen und müssen. So eine Phase wie jetzt ist nicht selbstverständlich, die muss man unbedingt genießen.

Gab es im Februar auch mal eine richtige Krisensitzung, nachdem Sie acht Spiele in Folge nicht gewonnen hatten?

Nein, so etwas gab es nicht. Das Trainerteam hat über die ganze Zeit eine große Ruhe vermittelt, das Vertrauensverhältnis war immer da. Wir haben natürlich einzelne Dinge hinterfragt, aber nie das große Ganze infrage gestellt. Man spürt zurzeit einfach, dass wir nach den fünf Siegen komplett frei im Kopf sind. Das ist ein großer Luxus, der uns beflügelt.

Wie haben Sie persönlich zuletzt wieder zu Ihrer Form gefunden?

Ich war mit der Hinrunde logischerweise nicht zufrieden, die Quoten sprechen für sich. Auch wenn es verschiedene Gründe dafür gab, ist jeder einzelne angehalten, zunächst einmal bei sich zu gucken, was man persönlich verbessern kann. Wir haben im Winter viel mit der Abwehr gesprochen, um gewisse Blocksituationen zu kreieren. Außerdem haben wir im Trainingslager reihenweise freie Würfe gestellt, bei denen ich genau wusste, was passieren wird. So habe ich die Routine gegen diese freien Bälle ein Stück weit zurückgewonnen.

Bitter spricht offen über körperliche Probleme

Inwiefern hing Ihr Leistungsloch im Winter auch mit körperlichen Problemen zusammen?

Ich muss keinen Hehl daraus machen, dass insbesondere mein rechtes Knie nach fünf Operationen eigentlich nicht mehr für den Leistungssport geeignet ist. Da ist fast kein Knorpel mehr vorhanden. Ich habe mich vor einem Jahr auch noch mal zu einer größeren Operation entschieden, weil ich in dieser Saison mithelfen wollte, den Verein weiter in der Bundesliga zu etablieren. Die OP war ein Opfer, das ich gerne gebracht habe und auch überhaupt nicht bereue. Es gibt trotzdem einige Bewegungen, die ich nicht mehr so gut machen kann wie früher. Zum Ende der Hinrunde habe ich gemerkt, wie ich mich innerlich manchen Bewegungen verweigert habe, weil es zu sehr wehtat. So haben sich Bewegungsmuster eingeschlichen, die wir aufbrechen mussten. In der Rückrunde habe ich jetzt bewiesen, dass ich Spiele immer noch mitentscheiden kann.

Ihr Vertrag läuft noch bis Sommer 2026. Heißt das, dass die Fans Sie auch in der kommenden Saison auf der Platte sehen?

Gute Frage. (schmunzelt) Beantworten kann ich die aber wohl erst in zwei bis drei Wochen. Ich habe in der Vergangenheit immer gesagt, dass ich von Saison zu Saison überlege, ob ich weitermache. Aktuell ist es aber noch nicht entschieden. Wenn man mich im Winter gefragt hätte, hätte ich vermutlich gesagt, dass nach dieser Saison Schluss ist. Momentan macht es aber wieder sehr viel Spaß, was die Entscheidung nicht einfacher macht. Wir werden uns am Ende der Monats zusammensetzen und besprechen, ob wir für die neue Saison noch mal Bitter-Trikots bestellen müssen oder nicht. (lacht)

Beendet Bitter seine Karriere schon im Sommer?

Ein neuer Torhüter für die kommende Spielzeit steht in Robin Haug schon fest. Fänden Sie es nicht etwas schade, hinter ihm im kommenden Jahr einen eher schleichenden Abgang zu habe?

Ganz im Gegenteil, ich fände es sogar gut, wenn ich jemanden heranführen könnte, der meine Position als Nummer eins übernimmt. Das wäre mein Verständnis eines guten Endes. Ich muss nicht mehr im Licht stehen, das habe ich in meiner Karriere oft genug genießen dürfen.

Ein Name, der in den vergangenen Wochen immer wieder als weiterer Neuzugang gehandelt wurde, ist der des ägyptischen Nationaltorhüters Mohamed El-Tayar…

Den Namen kenne ich auch.

Na sowas!

Ich habe sogar schon mal mit ihm gesprochen! (lacht)

Und können Sie schon etwas verkünden?

Mohamed El-Tayar ist ein sehr guter Torhüter. Ich werde mich jetzt aber nicht an Spekulationen und Gerüchten beteiligen, weil das unseriös wäre. Wir werden sehen, wie sich die kommenden Wochen entwickeln.

Mehr zum Thema

Unabhängig davon, wie Ihre Entscheidung aussieht, ist klar, dass Sie nicht mehr wahnsinnig viele Bundesligaspiele in der Barclays Arena bestreiten werden. Was verspüren Sie, wenn Sie an die Partie gegen den THW Kiel denken?

Eine sehr große Vorfreude. Die Sporthalle Hamburg ist unsere kleine Festung, ein richtiger Hexenkessel. In die große Barclays Arena einzulaufen, verursacht aber noch mal ein anderes Kribbeln. Das ist einfach die größte Bühne für unseren Sport. Wie gesagt, verspüren wir null Druck, sind gleichzeitig aber auch sehr demütig. In den vergangenen Jahren waren die Spiele gegen den THW Kiel aus unserer Sicht leider immer sehr deutliche Angelegenheiten. Ich hoffe, dass sich das jetzt mal ändert.

Acht Bundesligaspiele stehen in dieser Saison noch aus, nach oben und unten scheint für den HSVH nicht mehr viel zu gehen. Haben Sie überhaupt noch ein Ziel für die verbleibenden Spiele?

Es wäre völlig vermessen und absurd, wenn wir jetzt auf die Europapokalplätze gucken würden. Wir wissen aber auch, dass wir mit dem Abstieg nichts mehr zu tun haben werden. Da müsste es schon mit dem Teufel zugehen. Es bleibt unser Ziel, weiter Siege zu sammeln und vor allem auch unser Heimpublikum zu begeistern. Wenn wir am Saisonende immer noch auf dem neunten Platz stehen, wären wir mehr als glücklich.