Hamburg. Nach 14 Jahren wird der insolvente Ex-Meister zu Saisonende aus der Bundesliga ausgeschlossen. Das Team zerfällt weiter.

Wäre es nicht ein so trauriger Tag gewesen für den Handball-Sport-Verein Hamburg, man hätte fast lachen können über die Pressemitteilung, die am Mittwochnachmittag die Redaktionen erreichte. Die Handballwelt hielt gespannt den Atem an in Erwartung des bevorstehenden Lizenzentzugs, da informierte der frühere deutsche Meister ausführlich über den „hart erkämpften“ Sieg seiner A-Jugend in Potsdam. Positives Denken? Oder ein unfreiwillig bitterer Vorgeschmack auf die Zukunft dieses Clubs?

Eine knappe Stunde später kam, was kommen musste: Die Handball-Bundesliga (HBL) hat dem HSV „aufgrund gravierender Verstöße gegen zwingend einzuhaltende Verpflichtungen aus dem Lizenzierungsverfahren und dem Lizenzvertrag“ die Spielberechtigung entzogen. Diese Höchststrafe verhängte die unabhängige Lizenzierungskommission bei ihrer Sitzung in Ahlen. Damit dürfte der HSV die verbleibenden 14 Spiele bis Saisonende noch bestreiten, scheidet dann aber nach 14 Jahren aus der höchsten Spielklasse aus. Für das kommende Spieljahr darf er auch für die Zweite Bundesliga keine Lizenz beantragen.

Kommentar: Verdiente Strafe für den HSV

Grund ist die Zusatzvereinbarung, den die insolvente HSV Handball Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG mit Mäzen Andreas Rudolph geschlossen und dessen Existenz das Abendblatt am 11. Dezember öffentlich gemacht hatte. Darin sind mehrere Posten aufgeführt, die mit Rudolphs Verpflichtungserklärung über 2,5 Millionen Euro zu verrechnen sind – in annähernd der gleichen Höhe. Insolvenzverwalter Gideon Böhm hatte der HBL das Schriftstück am Freitag übermittelt.

HSV fehlen zwei Millionen

Was über Jahre ein Kniff Rudolphs war, um Steuern zu sparen, wurde nun offenbar ein Mittel, sich der Garantieleistung zu entziehen, die seinen Club vor der Insolvenz bewahrt hätte. Die Finanzierungslücke beläuft sich laut Böhm auf zwei Millionen Euro. „Der Sinn und Zweck der Liquiditätsabdeckungsverpflichtung wurde durch die Vereinbarung ausgehebelt“, so die HBL. Weder HSV-Handball-Geschäftsführer Christian Fitzek noch Böhm war es gelungen, den Ahrensburger Unternehmer zur Zahlung zu bewegen.

Insolvenzanwalt Böhm wird nun versuchen, Rudolphs Garantiezahlung zu erzwingen – ein langer Rechtsstreit droht. Gegen den Lizenzentzug wird der HSV hingegen wohl keine Rechtsmittel einlegen, anders als noch im Frühjahr 2014, als die Spielberechtigung erst in dritter Instanz erstritten wurde. Zwar kann innerhalb einer Woche Beschwerde eingelegt werden, anschließend blieben zwei weitere Instanzen. „Aber es müssen neue Tatsachen vorgelegt werden“, sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann, der der Sitzung aus Polen telefonisch zugeschaltet war, dem Abendblatt.

Mannschaft zerfällt weiter

Eine von drei Bedingungen, die Böhm an die Fortsetzung des Spielbetriebs geknüpft hatte, ist damit hinfällig. Die zweite, eine spielfähige Mannschaft, wohl auch. Nach Adrian Pfahl, Jens Vortmann und Ilija Brozovic haben auch Allan Damgaard und Johannes Bitter den HSV verlassen. Bitter wird am Donnerstag bei Aufsteiger TVB 1898 Stuttgart als Neuzugang vorgestellt. Der frühere Nationaltorhüter, der ein halbes Jahr nach dem WM-Sieg 2007 zum HSV gekommen war, erhält einen Vertrag bis Saisonende.

„Wir haben mit allen Mitteln gekämpft, und die Zuversicht, dass es weitergeht, war bis zuletzt da“, schrieb Bitter, 33, in einem Facebook-Beitrag: „Doch nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem auch für mich eine sportliche Veränderung alternativlos ist.“ Spielmacher Damgaard wechselt laut dem dänischen Sender TV 2 zurück in seine Heimat zu Bjerringbro-Silkeborg. Torjäger Hans Lindberg soll sich mit den Füchsen Berlin einig sein.

Dass der HSV am 10. Februar wie geplant bei der SG Flensburg-Handewitt antritt, scheint ausgeschlossen. Böhm hatte am Freitag angekündigt, innerhalb von 14 Tagen über die Einstellung des Spielbetriebs zu befinden. Die hätte zur Folge, dass alle Ergebnisse des Tabellenvierten annulliert würden. Verhindern könnte das nur ein Sponsor, der bereit ist, den HSV trotz des Zwangsabstiegs bis Saisonende zu finanzieren – Böhms dritte Bedingung.

Neuaufbau in der Dritten Liga

Es wäre immerhin eine Geste an die eingefleischtesten Fans, die sonst auf ihren Dauerkarten sitzen blieben. Ihre Unterstützung wird der HSV brauchen auf dem angestrebten Weg zurück in den Profihandball. Das Präsidium bevorzugt schon länger den Neuanfang in der Dritten Liga, die zweite Mannschaft steht ohnehin vor dem Aufstieg. Förderer und Sponsoren sollen bereitstehen. „Für Hamburg ergibt sich die Chance, etwas Neues aufzubauen“, sagte HBL-Präsident Uwe Schwenker dem Abendblatt, „aber es muss Vertrauen wiederhergestellt werden und bedarf professioneller Strukturen.“

Es wäre auch das Ende der Ära Andreas Rudolph. Der Medizinunternehmer (GHD) hat seit 2004 wohl mehr als 50 Millionen Euro in den HSV investiert, sein Bruder Matthias hält die Mehrheitsanteile am wirtschaftlichen Träger. Für den langjährigen Alleinherrscher könnte der Lizenzverlust noch rechtliche Konsequenzen haben. Horst Bredemeier, Geschäftsführer von GWD Minden, kündigte an, mit den Gesellschaftern über eine Klage gegen den HSV zu beraten. Minden war vergangene Saison trotz 25 Punkten abgestiegen. Den Schaden beziffert der frühere Bundestrainer Bredemeier mit mehr als einer halben Million Euro.