Hamburg. Zuvor hatte der Bruder von Geldgeber Andreas Rudolph nach der Gala gegen Berlin Hoffnung auf ein Einlenken des HSV-Mäzens gemacht.

HSV-Sprecher Michael Freitag hatte gerade die Fragerunde nach der Pressekonferenz eröffnet, da nahm sich überraschend Matthias Rudolph das Mikrofon. „Wir hatten hier Mannschaften, die große Titel gewonnen haben“, hob der Mehrheitsgesellschafter der Handballer an, „aber wir haben heute unter der Führung dieses Trainers Handballheldenleistungen für den Verein, für die Stadt gebracht. Dafür möchte ich mich bedanken.“ Michael Biegler verzog dabei keine Miene. Dann gab er knapp zurück: „Ich gebe es gern weiter.“

Mehrheitsgesellschafter der Handballer Matthias Rudolph, Bruder von Mäzen Andreas Rudolph
Mehrheitsgesellschafter der Handballer Matthias Rudolph, Bruder von Mäzen Andreas Rudolph © Witters | TimGroothuis

Bieglers Mannschaft hatte gerade in einem begeisternden Spiel die Füchse Berlin mit 36:29 (19:12) besiegt und ihren fünften Tabellenplatz in der Bundesliga behauptet, aber das war nicht die entscheidende Erkenntnis dieses Mittwochabends. Es waren die Worte Rudolphs. Zumal wenn man weiß, dass sich unmittelbar vor der spontanen Ansprache sein Bruder Andreas telefonisch bei ihm gemeldet hatte.

Sollte der Mäzen durch die abermals grandiose Leistung seiner Mannschaft milde gestimmt worden sein? Anders gefragt: Ist der Handball-Sport-Verein Hamburg, der unter Millionenschulden ächzt und seinen Spielern zwei Monatsgehälter schuldig ist, noch zu retten? Dass Rudolph die drohende Insolvenz noch abwendet, möglicherweise ohne dass weitere Gläubiger einlenken, erschien zunächst nicht mehr ausgeschlossen. Doch am Donnerstag meldete sich der Investor dann selbst zu Wort. "Meiner Meinung nach sind sie nicht mehr zu retten", sagte Matthias Rudolph zu NDR 90,3. Deutliche Worte von dem Mann, auf dessen Schultern die Hoffnung der Hamburger Handballfans lastet.

Fans stehen bedingungslos hinter der Mannschaft

Die kommenden Heimspieltermine des HSV flimmerten am Mittwochabend noch unbeirrt über das Leuchtband zwischen Ober- und Unterrang der Barclaycard-Arena: 20. Dezember gegen Magdeburg, 27. gegen Göppingen. Aber wird es diese Spiele wirklich geben? Die Fans jedenfalls feierten diese Partie gegen die Füchse Berlin, als wäre sie nach 13 Jahren wirklich die letzte der Vereinsgeschichte.

Und ihre Mannschaft gab ihnen allen Anlass zum Feiern. Endzeitstimmung? Aufbruchsstimmung! Es war ein Galaauftritt, bei dem selbst Dinge gelangen, die unter normalen Umständen wohl wirklich nicht gelingen. Allein die beiden Minuten unmittelbar vor der Halbzeit waren ein Kabinett der Kuriositäten. Erst fand ein Wurf des nach langer Zeit einmal wieder berücksichtigten Stefan Schröder nach zwei Pfostenkontakten noch den Weg ins Füchse-Tor zum 18:12. Dann parierte HSV-Torwart Jens Vortmann erst den Siebenmeter und dann noch den Nachwurf von Fredrik Petersen. Und wenig später verlängerte Füchse-Torwart Silvio Heinevetter einen Verlegenheitswurf von Drasko Nenadic mit einer verunglückten Abwehraktion zum Halbzeitstand von 19:12.

Kehrt Biegler überhaupt nach Hamburg zurück?

Wieder einmal schien sich zu bewahrheiten, was so viele Profis erzählen, die selbst einmal von einer Vereinspleite betroffen waren: Wenn es eigentlich nichts mehr zu verlieren gibt, wenn niemand mehr irgendetwas erwarten darf, spielt es sich befreit auf. Immer vorausgesetzt, es gelingt, die Konzentration auf die eigentliche Arbeit nicht zu verlieren. Weil ihn ebendiese Sorge umtrieb, hatte Trainer Michael Biegler seine Mannschaft am Vormittag noch einmal zum Training versammelt, zum vorerst letzten Mal: „Ich wollte einen Anker in den Köpfen der Spieler setzen und die Fokussierung auf den Sport lenken.“ Am Wochenende wird Biegler in Polen erwartet, um die Nationalmannschaft auf die EM im Januar im eigenen Land vorzubereiten. Er ist dort als Trainer des Jahres nominiert, sportartübergreifend wohlgemerkt.

Wer ihn für die verbleibenden drei Spiele beim HSV ersetzt, konnte oder wollte Geschäftsführer Christian Fitzek noch nicht preisgeben. Ob Biegler danach nach Hamburg zurückkehrt, ist völlig ungewiss. „Wir bemühen uns mit allen Partnern um eine Lösung“, rief Fitzek den Zuschauern vor Spielbeginn zu, als er mit leichenbitterer Miene eine Ansprache verlas: „Einiges ist nicht glücklich gelaufen, auch in der Kommunikation. Aber ich bitte Sie: Unterstützen Sie diese großartige Mannschaft, sie hat es verdient.“

Das lässt sich nach dem letzten Eindruck unterschreiben. Es war ein wunderbarer Handballabend, den Mannschaftskapitän Pascal Hens so zusammengefasst wissen wollte: „Wir haben ein tolles Handballspiel gesehen. Mehr sollt ihr nicht schreiben.“ Dieser Wunsch ließ sich leider nicht erfüllen.

Die Statistik

Tore, HSV: Pfahl 9, Lindberg 7 (1 Siebenmeter), D. Nenadic 4, Schröder 3, Brozovic 3, Hens 3, Jaanimaa 2, Damgaard 2, Mortensen 2, Schmidt 1

Berlin: P. Nenadic 9 (2), Elison 5 (1), Nielsen 4, Wiede 3, Weyhrauch 2, Zachrisson 1, Fritz 1, Tönnesen 1, Jiménez 1, Vukovic 1, Gojun 1

Schiedsrichter: Baumgard/Wild (Neuwied/Offenburg)

Zuschauer: 6013.

Zeitstrafen: 4; 3