Hamburg. Mäzen der insolventen HSV-Handballer meldet sich über seine Anwälte beim Ex-Fanbeauftragten. Zerfall des Bundesligateams geht weiter.

Wenige Stunden vor dem erwarteten Lizenzentzug für den HSV Hamburg durch die Handball-Bundesliga hat sich Mäzen Andreas Rudolph gegen den Vorwurf des Betrugs zur Wehr gesetzt. Die Anwälte des Ahrensburger Medizintechnik-Unternehmers stellten dem ehemaligen HSV-Ehrenratsvorsitzenden und Fanbeauftragten André van de Velde am Mittwochmorgen eine Unterlassungserklärung zu.

Darin fordern sie den Juristen auf, nicht mehr zu behaupten: der HSV hätte die Lizenz erschwindelt, die Lizenz sei nur nach Vortäuschung falscher Tatsachen erteilt worden, und es bestehe gegen Rudolph und den ehemaligen Geschäftsführer Christian Fitzek ein Anfangsverdacht wegen Betruges. Als Vertragsstrafe wurden 5000 Euro angesetzt. Van de Felde, der sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem Facebook-Beitrag geäußert hatte, sieht jedoch keinen Grund, seine Aussagen zurückzunehmen.

Einschränkung durch Zusatzvereinbarung

Rudolph, 60, hatte mit der inzwischen insolventen HSV Handball Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG eine Zusatzvereinbarung geschlossen, die seine mit dem Lizenzantrag verknüpfte Verpflichtungserklärung in Höhe von 2,5 Millionen Euro erheblich einschränkt. Der Lizenzierungskommission der Bundesliga war dieses Schreiben vorenthalten worden. Rudolph hatte sich geweigert, die Finanzierungslücke in Höhe von zwei Millionen Euro zu schließen. Der HSV musste daraufhin Insolvenz anmelden und wird seine Bundesligamannschaft voraussichtlich umgehend zurückziehen.

Stationen der Krise beim HSV Handball

2002

Mit dem Bau der neuen Multifunktionsarena im Volkspark übernahmen die Hamburger im Handball die Lizenz des zum damaligen Zeitpunkt finanziell angeschlagenen VfL Bad Schwartau. Ab der Saison 2002/03 startete der Handball Sportverein Hamburg in der Bundesliga.

Dezember 2004

Andreas Rudolph, der das Handball-Urgestein Heinz Jacobsen auf dem Präsidenten-Stuhl der Hamburger ablöst, rettet mit seinem Geld (weit mehr als 30 Millionen Euro) den Verein vor dem Untergang.

11. Mai 2011

Nach der ersten Meisterschaft für den HSV Hamburg stehen personelle Wechsel an: Martin Schwalb wird Präsident, Per Carlén neuer Trainer. Doch das Experiment misslingt: Schwalb kehrt auf die Bank zurück, Matthias Rudolph, der Bruder von Andreas wird Chef.

19. Juni 2013

Ex-Nationalkeeper Frank Rost wird als neuer Geschäftsführer präsentiert. Der vermeintliche Coup mit dem Fußballer im Handball-Club erweist sich schnell als 43-Tage-Irrtum von Hamburg.

16. November 2013

Andreas Rudolph ist wieder Präsident, nachdem sein Bruder Matthias die Brocken hingeworfen hatte.

18. Februar 2014

Andreas Rudolph erklärt den HSV Hamburg zum „Sanierungsfall“.

8. Mai 2014

In einer E-Mail erklärt Andreas Rudolph seinen Rücktritt und kündigt später an, kein privates Geld mehr in den Club stecken zu wollen.

15. Mai 2014

Die HBL verweigert dem HSV Hamburg in erster Instanz die Lizenz. Die Begründung: Ein Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist nicht erbracht.

1. Juli 2014

In der letzten Instanz (vier Minuten vor Ablauf der Frist durch eine erneute Millionen-Bürgschaft von Andreas Rudolph) erhalten die Hamburger doch noch die Lizenz.

3. Juli 2014

Trainer Martin Schwalb, der einen Tag später entlassen werden soll, erleidet einen Herzinfarkt. In einer Notoperation retten die Ärzte das Leben des Coaches.

6. August 2014

Christian Fitzek, ehemaliger sportlicher Leiter, Co- und Cheftrainer kommt als Geschäftsführer vom VfL Bad Schwartau nach Hamburg zurück.

23. Oktober 2014

Der Reiseunternehmer Karl Gladeck, der schon seit Monaten den HSV unterstützt, wird satzungsgemäß vom Aufsichtsrat zum neuen Präsidenten und Nachfolger von Frank Spillner ernannt.

4. Dezember 2014

Das Arbeitsgericht erklärt die mittlerweile ausgesprochene Kündigung von Martin Schwalb für unwirksam. Der Ex-Trainer soll Nachzahlungen in Höhe von fast 300 000 Euro erhalten.

9. Dezember 2015

Spieler und Angestellte des Vereins warten auf ihr Geld. Ein Krisengipfel tags zuvor mit Hauptgeldgeber Andreas Rudolph brachte kein Resultat.

16. Dezember 2015

Die Gerichtspressestelle Hamburg bestätigt einen Insolvenzantrag des HSV Hamburg.

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Bitter geht nach Stuttgart

Unterdessen schreitet der Zerfall der Bundesligamannschaft weiter voran. Johannes Bitter wechselt zum abstiegsbedrohten Aufsteiger TVB 1898 Stuttgart. Bei den Schwaben erhält der 33 Jahre alte Ex-Nationaltorwart einen Vertrag bis zum 30. Juni 2016.

Bitter hatte seit 2007 für den HSV gespielt. Im selben Jahr wurde er mit der Nationalmannschaft Weltmeister. Mit den Hamburgern gewann er 2011 die deutsche Meisterschaft und zwei Jahre später die Champions League. Nach der verpassten WM-Qualifikation im Sommer 2014 trat er aus der Nationalmannschaft zurück.

Außerdem steht Spielmacher Allan Damgaard nach Informationen des dänischen Senders TV2 vor einem Transfer nach Silkeborg. Darüber hinaus wollen die Füchse Berlin Hans Lindberg verpflichten.

Zuvor hatten den HSV nach der Insolvenz bereits Adrian Pfahl (Frisch Auf Göppingen), Ilija Brozovic (THW Kiel) und Torwart Jens Vortmann (SC DHfK Leipzig) verlassen.