Hamburg/Ahlen/Breslau. Die HSV-Handballer haben ausgespielt. Die Bundesliga hat dem früheren Meister die Lizenz entzogen. Team zerfällt unterdessen weiter.
Schluss, Aus, vorbei: Der Handball-Sport-Verein Hamburg hat nach 14 Jahren keine Zukunft in der Bundesliga mehr. Die Lizenzierungskommission der HBL hat dem deutschen Meister von 2011 und Champions-League-Sieger 2013 „aufgrund gravierender Verstöße gegen zwingend einzuhaltender Verpflichtungen aus dem Lizenzierungsverfahren und dem Lizenzvertrag“ die Spielberechtigung entzogen. Nach diesem Urteil dürfte der HSV die verbleibenden 14 Spiele bis Saisonende noch bestreiten, darf aber für das kommende Spieljahr keine Lizenz für die Bundesliga oder die Zweiten Bundesliga mehr beantragen.
Grund für die Sanktion gemäß Paragraf 8 der Ligaverbandssatzung ist die Zusatzvereinbarung, den die insolvente HSV Handball Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG mit Mäzen Andreas Rudolph geschlossen hatte und dessen Existenz das Abendblatt bereits am 11. Dezember öffentlich gemacht hatte. Insolvenzverwalter Gideon Böhm hatte der HBL das zweiseitige Schriftstück am Freitag übermittelt.
Es führt Posten auf, die mit Rudolphs Verpflichtungserklärung in Höhe von 2,5 Millionen Euro zu verrechnen sind. „Der von Lizenzierungskommission und Gutachterausschuss gewollte Sinn und Zweck der Liquiditätsabdeckungsverpflichtung wurde durch die im Lizenzierungsverfahren nicht vorlegete Vereinbarung ausgehebelt“, teilte die HBL mit.
Weder dem inzwischen freigestellten HSV-Handball-Geschäftsführer Christian Fitzek noch Böhm war es gelungen, Rudolph zur Auszahlung der Sicherheitsleistung zu bewegen. Ohne dieses Geld aber war die Zahlungsunfähigkeit des HSV besiegelt. Die Finanzierungslücke beläuft sich laut Böhm auf zwei Millionen Euro. Der Insolvenzanwalt wird nun versuchen, Rudolphs Garantiezahlung zu erzwingen – ein langer Rechtsstreit steht bevor. Gegen das Urteil der Lizenzierungskommission wird der HSV hingegen wohl keine Rechtsmittel einlegen – anders als noch im Frühjahr 2014, als die Spielberechtigung erst in dritter Instanz erstritten wurde.
Bitter nach Stuttgart, Damgaard nach Silkeborg
Mehrere Spieler haben den HSV bereits verlassen. Nach Adrian Pfahl, Jens Vortmann und Ilija Brozovic haben auch Allan Damgaard und Johannes Bitter einen neuen Verein gefunden. Bitter wird am Donnerstag bei Aufsteiger TVB 1898 Stuttgart als Neuzugang vorgestellt, der frühere Nationalspieler, der ein halbes Jahr nach dem WM-Sieg 2007 zum HSV gekommen war, erhält einen Vertrag bis Saisonende. „Wir haben in den letzten Wochen und Monaten mit allen Mitteln gekämpft, und die Zuversicht, dass es beim HSV Handball weitergeht, war bis zuletzt da“, schrieb Bitter, 33, in einem Facebook-Beitrag: „Doch nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem auch für mich eine sportliche Veränderung alternativlos ist.“ Spielmacher Damgaard wechselt dem dänischen Sender TV 2 zufolge zurück in seine Heimat zu Bjerringbro-Silkeborg. Torjäger Hans Lindberg soll sich mit den Füchsen Berlin einig sein.
Damit ist der Gehaltsetat zwar erheblich reduziert. Dennoch sah Böhm zuletzt keine Möglichkeit, den Spielbetrieb bis Saisonende aufrechtzuerhalten. Er hatte am vergangenen Freitag angekündigt, innerhalb von 14 Tagen zu entscheiden, ob sich der HSV sofort vom Spielbetrieb zurückzieht, und dies auch von einem „klaren Signal“ der Liga abhängig gemacht. Nachdem die den HSV nun für die kommende Saison ausgeschlosssen hat, geht die Wahrscheinlichkeit, dass sich noch Investoren für die restliche Spielzeit finden, gegen null. Böhm will vor einer Entscheidung aber erst das Urteil der Liga prüfen.
Rudolph wehrt sich gegen Betrugsvorwürfe
Dem HSV bleibt somit nur die Perspektive, in der kommenden Saison in der Dritten Liga zu starten. Das Präsidium des HSV bevorzugt diesen Neuanfang, zumal auch die zweite Mannschaft vor dem Aufstieg steht.. Potenzielle Förderer und Sponsoren sollen bereitstehen. Es wäre auch das Ende der Ära Rudolph. Der Medizintechnik-Unternehmer (GHD) hat seit 2004 wohl mehr als 50 Millionen Euro in den HSV investiert. Sein Bruder Matthias hält die Mehrheitsanteile am insolventen wirtschaftlichen Träger.
Dem ehemaligen HSV-Ehrenratsvorsitzenden und Fanbeauftragten André van de Velde wurde unterdessen am Mittwochmorgen eine Unterlassungserklärung der Rudolph-Anwälte zugeteilt. Sie fordern ihn auf, nicht mehr zu behaupten: der HSV hätte die Lizenz erschwindelt, die Lizenz sei nur nach Vortäuschung falscher Tatsachen erteilt worden, und es bestehe gegen Rudolph und den ehemaligen Geschäftsführer Christian Fitzek ein Anfangsverdacht wegen Betruges. Als Vertragsstrafe wurden 5000 Euro angesetzt. Van de Felde, der sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem Facebook-Beitrag geäußert hatte, sieht jedoch keinen Grund, seine Aussagen zurückzunehmen.